In Graz wird unermüdlich und unübersehbar gebaut. Dazu entstehen mit Smart City und Reininghaus gleich zwei komplett neue Viertel, die das Antlitz der Stadt verändern werden. Am Bau gibt es also viel zu tun. „Achtzig“ hat bei Alexander Pongratz, Bau-Unternehmer und Landesinnungsmeister, nachgefragt, wie es mit dem Bau-Boom weitergehen wird, wo die Herausforderungen der Branche liegen und was zeitgemäße Baukultur auszeichnet.
Text: Stefan Zavernik
Graz liegt seit vielen Jahren im Baufieber. Gerade was Anlegerwohnungen betrifft, gibt es momentan für die Größe der Stadt ein immenses Angebot. Damit einher geht ein kontinuierlicher Anstieg der Quadratmeterpreise – wird diese Entwicklung auch in den nächsten Jahren so weitergehen? Und wie viele Neuwohnungen verträgt eigentlich eine Stadt wie Graz?
Der Zuzug nach Graz ist ungebrochen und der Trend hin in die Städte ist ja weltweit zu beobachten. Die Stadt Graz hat in den letzten Jahren ihre Hausaufgaben sehr gut gemacht. Die Stadt ist sehr attraktiv geworden, das West-Ost-Gefälle ist nicht mehr so stark, weil der Westen stark aufgeholt hat, und vieles mehr. Mit dieser Attraktivität sind natürlich auch höhere Grundstückspreise verbunden. Ich glaube aber, dass sich die Preissteigerungen in den nächsten Jahren eher verflachen werden.
Ist jetzt ein guter Zeitpunkt, um in eine Eigentumswohnung zu investieren?
Für die Anleger zahlt sich das im Moment sehr gut aus. Die Zinsen stagnieren nach wie vor, auch in der Prognose. Es ist also durchaus ein günstiger Zeitpunkt, um zu investieren, sowohl für den Anleger als auch für den Endverbraucher. Vor allem investieren die Leute auch lieber in eine Immobilie, als das Geld am Sparbuch liegen zu lassen.
Für viele Menschen sind Altbauwohnungen der klassische Wohntraum – handelt es sich hierbei auch um eine stabilere Wertanlage als der Kauf eines Neubaus?
Das lässt sich nicht so allgemein sagen und das hängt auch von mehreren Faktoren ab, etwa vom Ausstattungsstandard, also etwa Wärmeschutz, Schallschutz, Barrierefreiheit etc. Da gibt es strenge Richtlinien, die von den neueren Bauten natürlich alle erfüllt werden. Andererseits haben die Altbauten den Vorteil von zumeist sehr zentralen Lagen. Und wenn zusätzlich die Qualität der Ausstattungsparameter passt, kann der Altbau natürlich mit einer Neubauwohnung mithalten. Auch die Instandhaltung ist nicht zu vernachlässigen, weil sich durch mangelnde Wartung Wertminderungen ergeben. Da hilft unter anderem eine professionelle Hausverwaltung, die sich um diese Dinge kümmert.
Bauen ist eine uralte kulturelle Leistung. Nicht umsonst wird Bauen immer auch in Zusammenhang mit Kultur gebracht. Was zeichnet moderne, zeitgenössische Baukultur aus?
In erster Linie die Qualität! Das gilt quer durch alle Epochen. In Graz gibt es ausgezeichnete historische Bauten aus der Renaissance und aus dem Barock, aber auch welche, die nicht so hervorstechen und in der Qualität auch nicht so hochzustilisieren sind. Es wird ja oft gesagt „Früher haben die Menschen so toll gebaut“, aber wenn man sich heute die Normen ansieht und wie eng die Toleranzspielräume sind, dann merkt man natürlich schon enorme Fortschritte beim Bauen. Kultur bedeutet in diesem Zusammenhang auch, wie man mit den Ressourcen umgeht. Echte Baukultur zeigt sich bei jenen Gebäuden, die man auch später an ihrer Qualität erkennt. Die Zukunft wird zeigen, wie viel Kultur wir jetzt produzieren. Die Qualität des Bauens liegt aber nicht nur im Gebäude selbst, sondern auch im Planungsprozess. Das sieht man ja auch in Graz, wo bei den aktuellen großen Projekten nicht einfach drauflosgebaut wird, sondern wirklich gut geplant wird. Natürlich geht die Qualität der Planung auch mit Kosten einher.
Zurzeit sorgen einige Bauprojekte in Graz für Aufsehen, darunter etwa das ARGOS-Gebäude in der Burggasse. Welches sind die Kriterien, um zu beurteilen, ob sich moderne Architektur gut oder weniger gut in eine historische Bausubstanz einfügt?
Das ist aus der jeweils aktuellen Sicht nur schwer zu beurteilen. Weil Sie das ARGOS-Gebäude ansprechen: Da wird wirklich Geld in die Hand genommen und versucht, etwas zu kreieren, was wirklich einen bleibenden Wert hat. Ob das in der Zukunft auch so gesehen wird, das werden wir vielleicht gar nicht mehr erfahren. Wenn man sich heute ein Renaissancegebäude anschaut und dann dazu das barocke Mausoleum neben dem Dom, dann sind das architektonisch ja auch komplett verschiedene Dinge, die von der Entstehungszeit gar nicht zusammenpassen können. Trotzdem fügen sie sich in das Stadtbild ein. Genauso ist es mit modernen Bauten. Ich war in der Altstadtsachverständigen-Kommission, als das Kunsthaus gebaut wurde. Wir hatten damals an die 280 Bewerber für das Kunsthaus und natürlich war auch beim Projekt von Cook/Fournier die Frage: Wie fügt sich das denn in die Altstadt ein? Wir waren der Meinung, dass die Qualität des Entwurfs an sich und der Umgang mit der alten Substanz, also etwa mit der Fassade des Eisernen Hauses, einen interessanten Mehrwert darstellt. Das ist für mich Baukultur und spannende Architektur!
Weil wir gerade von spannender Architektur sprechen: Wenn es um moderne Baukultur und Architektur geht, stehen meist die Architekten allein im Rampenlicht. Welche Rolle aber kommt Handwerkern und Baumeistern bei der Umsetzung von Bauvorhaben zu?
Da muss man ein bisschen ausholen. Im amerikanischen Raum gibt es keinen planenden Baumeister. Bei uns hingegen gibt es planende und ausführende Baumeister. Natürlich sind die Architekten mehr auf das Design ausgerichtet und die Baumeister eher etwas bodenständigere Praktiker. In der Umsetzung sind die Baumeister jedoch sehr gefragt, auch die Handwerker, weil die Pläne ja erst einmal umgesetzt werden müssen. Dafür braucht es das entsprechende Know-how und praktisches Wissen. Baumeister haben auch einen anderen, ganzheitlichen Blick, weil sie alle Facetten des Projekts sehen. Der Baumeister ist übrigens ein österreichisches Unikum, das es in dieser Form woanders nicht gut. Dass eine Instanz sowohl planen, berechnen, dimensionieren, beaufsichtigen, abnehmen und ausführen kann, ist einzigartig.
Im Moment sind zwei neue Stadtviertel in Graz im Entstehen, Reininghaus und Smart City. Welche baukulturellen Herausforderungen stellt die Planung eines ganzen Stadtviertels an Architekten, Baumeister, ausführende Firmen und was können sich die Nutzer von diesen neuen öffentlichen Räumen erwarten?
Zuerst muss man sagen: Es ist ein Glücksfall, wenn eine Stadt solche großen Flächen zur Verfügung hat. Das ist oft dann der Fall, wenn sich die Industrie zurückzieht, ähnlich wie bei Reininghaus oder in der Waagner-Biro-Straße. Diese Flächen können dann nach modernen Gesichtspunkten geplant werden, hinsichtlich Infrastruktur, Verkehr etc. Das ist auch passiert, bei Smart City etwa durch europaweit ausgeschriebene einzelne Wettbewerbe. Das ist auch für die Bewohner positiv, weil nicht nur ein Planer alles vorgibt, sondern weil das Ganze sehr heterogen ist und jedes einzelne Projekt seine eigene Identität hat.
Die Stadtteilentwicklung am Reißbrett ist also kein Schreckensszenario, sondern eher ein Vorteil?
Es ist natürlich eine Herausforderung. Aber wenn man das nicht hat, kann man lediglich innerstädtisch nachverdichten. Das ist aber nicht so leicht, weil man in einem engen Korsett ist und nicht viel ändern kann, etwa bei der Infrastruktur.
Sie sind als Innungsmeister der steirischen Baubranche so etwas wie der oberste Baumeister der Steiermark: Worin sehen Sie die aktuellen Herausforderungen in der Baubranche?
Die Hochkonjunktur der letzten Zeit hat natürlich positive Auswirkungen, bringt aber auch Probleme, etwa bei den Fachkräften. Die demografische Situation macht das nicht besser. Die Branche kämpft auch mit steigenden Materialpreisen. Alles, was am Öl hängt, ist beispielsweise mittlerweile sehr teuer. Was uns auch vor große Herausforderungen stellt, sind die Normen und Gesetze, die man fast nicht mehr überschauen kann und die sich teilweise sogar gegenseitig widersprechen. Wir versuchen, das ein bisschen zu reduzieren, was aber sehr schwierig ist, weil die Branche sehr stark spezialisiert ist. Das ist alles sehr komplex geworden und hier kommt dann auch die Digitalisierung ins Spiel, etwa beim Building Information Modeling, kurz BIM. Dabei geht es, ganz kurz gesagt, darum, dass alle beteiligten Gewerke an einem Plan arbeiten, damit es keine Überraschungen gibt. Für die Fehlervermeidung ist das gut, und auch die Möglichkeit, dreidimensional zu planen, ist ein wesentlicher Vorteil.
Wie spiegelt sich die Digitalisierung in der Ausbildung der Nachwuchsfachkräfte wider?
In der Baubranche bekommt mittlerweile jeder Lehrling ab dem 2. Lehrjahr ein Tablet, wo sein ganzes Wissensmanagement drauf ist, etwa die gesamten Lehrinhalte, die sich stark an die neuen Gegebenheiten und Anforderungen angepasst haben. Übrigens: Auch die Namen der Berufe haben sich geändert. Der Maurer heißt heute Hochbauer. Das ist aber keine bloße Namenskosmetik, sondern verweist auch auf ein geändertes Ausbildungsprofil. Es geht nicht nur darum, mit der Schaufel ein Loch auszuheben, sondern es geht um anspruchsvolle Inhalte. Da sehen wir aber mittlerweile auch ein Umdenken. Das Handwerk gewinnt an Wertschätzung und das merken wir auch an den steigenden Lehrlingszahlen.