Eine sehr berührende Schau zweier Künstler, deren Werk die Betrachter sinnlich wie intellektuell gleichermaßen herausfordert, ist ab 18. September in der Hofgalerie des Steiermarkhofs zu sehen.
Text: Lydia Bißmann
Todschwarze Aufzeichnungen ist eine Zusammenarbeit von Günter Brus und dem mexikanischen Künstler Enrique Fuentes. Der Aktionskünstler und Maler lieferte dafür handschriftliche Texte und das Büttenpapier, das Fuentes bei einem Besuch im Atelier seines Freundes entdeckt. Zu Brus’ Werk gehören neben aktionistischen Performances und Gemälden auch zahlreiche Textfragmente und Skizzen, die teilweise auf Kellnerblöcken oder anderen Zetteln, die er eben in die Finger bekam, bestehen. Enrique Fuentes studierte in Paris an der École des Beaux-Arts. Über Ana Brus lernte der in Mexico City geborene und nun in Berlin und Wien lebende Gegenwartskünstler seinen um 40 Jahre älteren Mentor und Freund Günter Brus kennen.
Blick in die Vergangenheit und ungewisse Zukunft
Todschwarze Aufzeichnungen besteht aus zwei thematischen Teilen. Der Goya-Zyklus entstand 2012 als Hommage auf den großen spanischen Künstler, der vor allem durch seine Gemälde (Die nackte Maya) berühmt wurde. Mit seinen grafischen Werken wollte sich Francisco de Goya von seinen klerikalen und adeligen Auftraggebern emanzipieren und durch den Verkauf der Drucke finanzielle und thematische Unabhängigkeit erlangen. Statt Porträts höfischer Repräsentanten und religiösen Darstellungen illustrierte er hier die Auswirkungen von Hungersnot, Krieg, Armut und sozialen Umbrüchen seiner Zeit. Fuentes nimmt in seinem Zyklus auf die Radierungen des großen Wegbereiters der Moderne Bezug. Seine kraftvollen und gleichzeitig filigran und zärtlich anmutenden Zeichnungen werden von Brus’ handgeschriebener Poesie begleitet. Auch im Catrina-Zyklus, der Totenköpfe in allen möglichen Varianten zeigt, werden die Grafiken von Günter Brus lakonischen, pragmatischen, aber doch störrischen Zeilen zum Tod begleitet. „Der Tod ist lebenslänglich. In Mexiko ist der Tod so alltäglich wie Chili Con Carne”, hieße es hier etwa oder „selbst in der Hölle wird der Tod verachtet. Man sagt von ihm, er sei geistig umnachtet.”
Authentizität als Pflicht
Inspiration für diesen Teil der Gemeinschaftsarbeit ist neben einem Spottbild auf die Oberschicht von José G. Posada aus dem Jahr 1913 auch der mexikanische Allerseelentag. Der „Día de los Muertos” (Tag der Toten) wird in der Heimat Fuentes als Freudentag begangen. Brus’ Zeilen wirken dennoch nur auf den ersten Blick humorvoll – hinter der dynamischen Strichführung seines Künstlerpartners blitzt auch die Ratlosigkeit durch, die die Beschäftigung mit diesem übermenschlich großen Begriff mit sich bringt. Aber auch Hoffnung – ist es doch die Kunst, die ihre Erschaffer überlebt und ihre Intentionen wie eben bei Goya und Posada auch in spätere Jahrhunderte und die Köpfe der Betrachter transportiert. „Ästhetische Provokation, nicht Anpassung entspricht den Zielen der rebellischen Kunstschaffenden. Authentizität hat daher für beide Künstler höchste Priorität”, formuliert es Kulturreferent Johann Baumgartner, der die Ausstellung kuratiert und konzipiert hat. Gemeinsames Arbeiten mit Kollegen ist für Günter Brus nichts Neues. „In der Zusammenarbeit mit Enrique Fuentes knüpft Günter Brus an die Tradition erfolgreicher künstlerischer Kollaborationen an wie beispielsweise in den 70er-Jahren mit Christian Ludwig Attersee oder in den 80er Jahren mit Arnulf Rainer.”
Die Ausstellung Todschwarze Aufzeichnungen in der Hofgalerie der Bildungs- und Kultureinrichtung Steiermarkhof wird bis Ende Oktober bei freiem Eintritt zu sehen sein. Empfehlung: Genügend Zeit einplanen und unbedingt auch einen Blick in den aufwendig gestalteten Katalog werfen, in dem neben Begleittexten auch Brus’ vollständige Poesie des Werks nochmals anders zu lesen ist.
Todschwarze Aufzeichnungen, Günter Brus – Enrique Fuentes
Vernissage: 18. September, 19.30 Uhr
19.9.–28.10.2019 im Steiermarkhof,
Hofgalerie, Ekkehard-Hauer-Straße 33, 8052 Graz