Kulturausflüge in die steirischen Regionen werden in diesem Sommer einen besonderen Reiz für Kunstinteressierte ausüben. Mit dem Burgmuseum Deutschlandsberg startete mit 19. Mai eine Institution ihre Saison, in der lebendige Geschichte im Mittelpunkt steht.
Text: Wolfgang Pauker
„Nur wer die Vergangenheit kennt, hat eine Zukunft“, so einst der deutsche Gelehrte, Staatsmann und Schriftsteller Wilhelm von Humboldt (1767–1835). Sein Leitspruch scheint wie geschaffen für ein steirisches Museum, das nach den Zugangsbeschränkungen im Rahmen der Coronakrise mit Ende Mai nun wieder seine Tore öffnet: Das Museum „Archeo Norico“ auf der Burg Deutschlandsberg. Acht permanente Ausstellungen mit über 5.000 Exponaten laden hier getreu dem Motto „Es war einmal …“ im imposanten Ambiente des mächtigen gotischen Bergfriedes – dem Hauptturm der Burg – und den angrenzenden ehemaligen Wohn- und Repräsentationsgebäuden auf eine Reise durch die Zeit. Auch zeitgenössische Kunst kommt nicht zu kurz, wovon wechselnde Sonderausstellungen mit regionalem und thematischem Bezug in der hier angesiedelten Dr. Hellmut Czerny Galerie ebenso wie eine Basis-Sammlung mit Werken von mit Deutschlandsberg eng verbundenen Künstlern wie Jakob Wibmer, Alfred Cossmann und Fritz Silberbauer zeugen.
Gelegen ist die imposante Burg mit den unzähligen musealen Schätzen auf einem spornartigen Felsen im Nordwesten Deutschlandsbergs, inmitten des südweststeirischen Hügellandes. An einem Ort, der durch seine geschützte Lage und die weitreichenden Sichtverbindungen seit der Jungsteinzeit immer wieder von Menschen besiedelt war und wo man im finsteren Mittelalter eine kleine, prunkvolle Höhenburg errichtete, deren erste urkundliche Nennung in das Jahr 1153 datiert. Bedeutende Aus- und Umbauphasen stammen aus der Romanik, Gotik und Renaissance, doch wie so oft kam nach dem Aufstieg der Fall und die kleine Festung verkam ab 1850 nach und nach zu einer Ruine. Das Ende ihrer Geschichte war damit jedoch noch lange nicht besiegelt, denn seit 1932 ist die Höhenburg im Besitz der Stadtgemeinde Deutschlandsberg und entwickelte sich sukzessive zu dem überregionalen Ausstellungszentrum mit großer Strahlkraft, das es heute ist. Seit kurzem wandelt man auf dem neuen Rundweg durch die Altburg direkt auf den Spuren der einstigen Bauherren und genießt vom Aussichtsturm einen exklusiven Blick auf die Region bis nach Slowenien.
Eine Höhenburg mit viel Geschichte
Herzstück des Burgmuseums ist die Archäologische Sammlung, welche die 6.500-jährige Besiedlung der Hügellandschaft rund um Deutschlandsberg dokumentiert und in der Tongefäße, Schmuck und Waffen einen Eindruck von der Lebensweise unserer Vorfahren vermitteln. Funde aus eisenzeitlichen Gräbern im Sulmtal und Zeugnisse römischer Kultur sind ebenso zu sehen wie Ausgrabungsstücke aus dem Mittelalter und der Neuzeit – großteils unmittelbar in und um die Burg Landsberg ans Licht gebracht. In der Ausstellung Historische Blank- & Feuerwaffen geben mehr als 400 Objekte Einblick in die Entwicklung der Hieb-, Stich- und Feuerwaffen, wobei die Bandbreite von gotischen Schwertern, Zweihändern und Hellebarden aus dem Dreißigjährigen Krieg bis zu Säbeln aus der Zeit der Monarchie reicht. Auch die ersten Handbüchsen des 14. bis zum Repetiergewehr des 20. Jahrhunderts sowie zwei komplette Rüstungen für Fuß- und Reiterkrieger sind beeindruckende Zeugen kriegerischen Geräts. Schaurig wird es im Burgverlies, einem unterirdischen Gewölberaum, wo Folter- und Hinrichtungsgerätschaften, wie etwa eine Streckbank, Folterzangen oder ein Richtschwert die Geschichte der Landsberger Marktgerichtsbarkeit illustrieren. Eine Schandmaske aus Eisenblech sowie mehrere Hand- und Fußfesseln sind weitere Zeugnisse alter grausamer Gerichtsmethoden.
Gold, Silber und prunkvoll geschliffenes Glas
Ein weiteres Highlight ist die Ausstellung Vom Waldglas zum ersten Industrieglas – 3.000 Jahre steirisches Glas, in der über 900 Objekte – beginnend mit den ältesten Perlen der Steiermark, römischen Glasgefäßen und Funden aus den Waldglashütten der Koralpenregion – durch die steirische Glasgeschichte führen. Kostbar geschliffene, gravierte und bemalte Kunstgläser zeugen vom vielfältigen Schaffen der Glasbläser und ihrer großen Tradition, auf deren Spuren sich diese Schau anhand von archäologischen Funden – vom einfachen Gebrauchsglas über Glasmacherwerkzeuge bis hin zu prunkvoll geschliffenen Exponaten – macht. Nicht nur die Herzen von Historikern und Archäologen höherschlagen lässt auch die Schau Antiker Gold-, Silber- und Bronzeschmuck, in der Schmuckstücke, Edelsteine und Geschmeide aus ca. 1.500 Jahren – von den frühen Kelten (450 v. Chr.) über die römische Kaiserzeit bis in die byzantinische Phase (8. Jhd. n. Chr.) – gezeigt werden. Unter den mehr als 1.300 Exponaten finden sich nicht nur goldene und silberne Preziosen, kostbare Siegel (so genannte Gemmen) sowie Kameen aus Halbedelstein, sondern auch Kunst- und Prestigeobjekte aus der Römerzeit, Götterstatuetten und einzigartige Darstellungen römischer Kaiser aus Marmor.
Auf den Spuren der Kelten
Vor über 3.300 Jahren betrachteten die Menschen steile Felswände und Höhlen als Plätze, die eng mit ihrer Götterwelt verbunden waren. An solchen Stellen legten sie auch jene bronzezeitlichen Opfergüter, wie z. B. Waffen, Werkzeuge und Schmuckobjekte nieder, die sich in einer weiteren Ausstellung wiederfinden: Weihegaben an die Götter. Sie zeigt Funde aus der sogenannten Spätbronze- bzw. frühen Urnenfelderzeit und umfasst ca. 600 Objekte, die anhand von weiteren ausgewählten Siedlungs- und Grabfunden aus der Süd- und Weststeiermark in einen zeitlichen Kontext gestellt werden. Auch Relikte aus keltischen Schlachtfeldern zählen zu den äußerst seltenen archäologischen Funden. Umso sensationeller sind die Exponate aus den Schlacht- und Kriegsschauplätzen in der Steiermark, die in der Dauerausstellung Kelten. Kämpfer. Krieger präsentiert werden. Diese zeigt Waffen aus keltischem Stahl und vermittelt ein anschauliches Bild von der Intensität der Scharmützel. Auf die Spuren großer Kunsthandwerker und Metallverarbeiter begibt man sich in der Schau Mythos Kelten, wovon bedeutende steirische Grab- und Siedlungsfunde mit der Beigabe von Schwertern und zweirädrigen Streitwägen sowie zahlreiche Gerätschaften aus norischem Stahl zeugen. Auch zwei große keltisch-römische Münzschatzfunde, die zu den bedeutendsten in Österreich gehören, können hier bewundert werden.
Ein Tag in einer anderen Zeit
Die Besichtigung der Burg lässt sich auch ideal mit einer kleinen, ca. einstündigen Wanderung durch den unter Naturschutz stehenden mystischen Schluchtwald „Laßnitzklause“ oder mit einem Aufstieg über die Stufen des Jakobiweges am Osthang verbinden. Neben den kulturellen kommen im Inneren der Burg auch die kulinarischen Genüsse nicht zu kurz, ist das Restaurant auf dem Festungsgelände doch ein Haubenlokal und die Zimmer des zugehörigen Hotels sind mit Stilmöbeln und Antiquitäten eingerichtet, die dem Charme des historischen Baus entsprechen. Und obwohl es auf der Burg eigentlich genug zu sehen gibt, um den ganzen Tag im Museum zu verbringen, bietet sich auch ein Spaziergang durch die Altstadt von Deutschlandsberg an oder man stärkt sich in einer Buschenschank in der Umgebung mit Brettljause und einem Glas Schilcher, dem autochthonen Wein, der in der Südweststeiermark so prächtig gedeiht wie nirgendwo sonst.
Außenstelle Museum Waldglashütte
Einen Besuch wert ist auch die historische Waldglashütte – eine frei zugängliche Außenstelle des Burgmuseums „Archeo Norico“ im nur 30 Autominuten entfernten Greisdorf. Die Koralpenregion bildete über Jahrhunderte ein wichtiges Zentrum des Glashüttenwesens in der Steiermark und in der Umgebung des Reinischkogels gelang es durch gezielte Forschung mehrere bislang unbekannt gebliebene frühe Waldglashüttenstandorte zu lokalisieren. Die eindrucksvollste dieser Ausgrabungsstätten befindet sich auf der so genannten „Glaserwiese“ in Sommereben auf 1.125 Meter Seehöhe. Das Museumsgebäude der Glashütte liegt auf einem Ausläufer des Reinischkogels und wurde direkt über den Ruinen des Schmelz- und Kühlofens sowie eines Nebenofens erbaut. Dieser über Generationen überlieferte Flurname war auch ausschlaggebend dafür, dass im Jahr 2011 archäologische Grabungen durch das Burgmuseum Deutschlandsberg stattfanden. Schließlich konnten die einzigartig erhaltenen Ruinen der ehemaligen Glashütte des Augustiner Chorherrenstiftes Stainz freigelegt werden. Sie stand über 40 Jahre (von ca. 1620–1660) in Betrieb und ihre Ofenanlagen gehören aufgrund des guten baulichen Zustandes zu den bedeutendsten Denkmälern früh-neuzeitlicher Glasherstellung in Österreich.
Archeo Norico Burgmuseum Deutschlandsberg
Burgplatz 2, 8530 Deutschlandsberg
Öffnungszeiten: Bis 30. Oktober, Di–So sowie feiertags von 10–18 Uhr (letzter Einlass um 16.30 Uhr)