„Schönheit entsteht am Rande des Abgrunds“ – das ist die Kurzfassung eines Lieblingsbildes von Nikolaus Harnoncourt, eines Bildes, mit dem er seine PartnerInnen in den Orchestern darauf eingeschworen hat, in der Kunst nicht entlang der sicheren Straßen zu gehen, sondern an die Grenzen des Möglichen, auch auf die Gefahr hin, dass man dort abstürzen kann. Für die styriarte war dieses Bild schon immer Alltag, und nicht nur in der Kunst. Meistens waren die heißen Programm-Wünsche von Nikolaus Harnoncourt für das Festivalbudget mindestens eine Nummer zu groß. Aber alle konnten erfüllt werden, dem Absturz ganz nah, aber immer noch fröhlich am Leben.
„So kann uns die aktuelle Krise auch nicht wirklich erschüttern. Natürlich haben wir unser Programm 2020, „Die Geschenke der Nacht“ in seiner Erstfassung geliebt. Aber die Zweitfassung, die wir nun vorstellen, lieben wir, ehrlich gestanden, fast noch mehr. Denn es ist etwas passiert: Wir haben in einem Moment, als es für unsere Produktionen gar keine Perspektive gab, begonnen neu zu planen – näher am Abgrund ging nicht –, und nie haben wir glücklichere KünstlerInnen erlebt als in diesen Momenten, als für sie ein Licht am Ende des Tunnels aufging. Und nie haben wir wärmere Zuschriften von unserem Publikum bekommen als Anfang April, als wir im dichten Nebel behauptet haben: Wir werden im Juli 2020 ein styriarte-Festival spielen. Nie war unser Auftrag, Künstler und Publikum in einen Zustand heiterer Kommunikation zu bringen, klarer für uns, zwingender, und zweifellos“, so Intendant Mathis Huber.
Der Umbau des Programmes, den die styriarte nun vorstellt, folgt der Idee, möglichst viel von den zauberhaften Momenten der Nacht-styriarte auch in neuen, virusresistenten Formaten erlebbar zu machen. Wenn möglich mit den KünstlerInnen, die dafür vorgesehen waren. „Da es internationale Reisen ohne Behinderungen auch im Juli nicht geben wird, da es szenische Projekte und Projekte mit vielen Beteiligten auf engem Raum im Juli nicht geben wird, mussten wir manches aufgeben. Aber was uns bleibt, ist wunderbar. Und es ist auch sicher. Das heißt, in Fragen der Gesundheit bewegen wir uns sicher nicht am Rande des Abgrunds, da werden wir unser Publikum ebenso wie unsere Künstler auf der sicheren Seite führen“, so Huber weiter.
Der Grundraster der „styriarte 2020 neu“ folgt dem Reglement des Gesundheitsministers: Ab 1. Juni kann in Österreich für Gruppen bis zu 250 Personen gespielt werden. „Wir spielen daher jeden Tag vom 1. bis zum 26. Juli zumindest drei Vorstellungen für je 250 Gäste. Damit erreichen wir insgesamt etwa die Hälfte der Gäste, die wir in einem normalen styriarte-Festival begrüßen dürfen“, so Huber. Die Vorstellungen der „styriarte 2020 neu“, soweit nicht Open Air, konzentrieren sich auf die Grazer Helmut List Halle, die virensicher eingerichtet wird. Und dann ist Schluss mit sicher, dann beginnt das Abenteuer der Kunst. „Lassen wir uns ein auf Erlebnisse, um die wir kämpfen mussten wie niemals seit Jahrzehnten, und schauen wir, ob der besondere Kampf nicht auch zu besonderen Momenten des Glücks führen wird“, so Mathis Huber.
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