Vom innovativen „Rent-a-play“-Konzept bis hin zu einer neuen Linie im Herbst: Das Grazer Theater im Keller ist startbereit und präsentiert sein geplantes Programm für die nächsten Monate.
Text: Bettina Leitner
Auch wenn die gegenwärtige Situation noch keine sicheren Prognosen zulässt, stehen viele Kulturschaffende in den Startlöchern und warten auf den offiziellen Startschuss, wie das Grazer Theater im Keller. Dem großen Optimismus steht jedoch noch die ungewisse Zukunft im Kultursektor entgegen. Coronataugliche Inszenierungen zu finden, wie es in Deutschland vorgeschlagen wurde, sieht Alfred Haidacher, künstlerischer Leiter des TiK, als keine Option an, „dies würde“, so Haidacher, „außerdem die Bankrotterklärung der dramatischen Kunst“ bedeuten, wie bereits zuvor Herbert Föttinger dieses Vorhaben bezeichnete, denn „Theater im Netz ist nicht Theater, sondern Fernsehen“, so Haidacher weiter. Im Vertrauen darauf, dass der Theaterbetrieb dennoch zeitnah wieder aufgenommen werden kann, präsentiert das TiK sein geplantes Programm für die aktuelle Spielzeit: Zum Auftakt soll das Erfolgsstück von H. C. Artmann Erlaubent, Schas, sehr heiß bitte! weitergeführt werden, das mit dem stimmungsvollen Text, den Pseudo-Wienerliedern zu Artmann-Lyrik und dem urigen Wiener Grant die Besucher ins Wien der 50er- und 60er-Jahre entführt, wobei der dargestellte Antisemitismus, die Fremdenfeindlichkeit und Selbstüberhebung leider verdächtig gegenwärtig anmuten.
Wohnzimmertheater?!
Mit Martin G. Wankos Die Vertriebenen machte das TiK aus der (Corona-)Not eine Tugend und setzt auf ein innovatives neues Format: Man bringt das Theater in die Wohnzimmer der Menschen. „Rent a play and get distinction“ – die wohl unmittelbarste Form der Theaterkunst. Was zuerst den Anschein eines coronabedingten Notfallplanes macht, war allerdings von vornherein das Konzept für diese Inszenierung und könnte die Thematik des Stückes besser nicht unterstreichen: Herbert und Agnes halten sich eigentlich für tolerante, bildungsbürgerliche und aufgeschlossene Menschen mit sozialem Bewusstsein. Bis über ihrer Wohnung Flüchtlingsfamilien einquartiert werden. Anfangs geht noch alles gut, doch die Lage beginnt sich zuzuspitzen, als die mehrköpfige Familie anfängt, Lärm zu machen. Herbert und Agnes sehen sich somit gezwungen, ihre Wohnung aufzugeben und sich eine andere Unterkunft zu suchen. Sie haben nun das lächerliche Gefühl, selbst Vertriebene zu sein. Das Stück wertet nicht. Es ist ein Dampfkessel. Es stellt Fragen: Wie sieht man politische Entscheidungen, wenn sie einen selbst betreffen? Welches Recht darf man sich als „abgesicherter Mitteleuropäer“ überhaupt herausnehmen? Und vor allem: Was darf gedacht werden und was nicht? Ab wann ist man „rechts“? „Die Stückrealisierung soll dazu dienen, die Komplexität unserer Lebenswelt und der Dependenz unserer Alltagsrealitäten zu thematisieren und in einem folgenden Diskurs bewusst zu machen, quasi einen Ansatz zu neuem Denken auszulösen“, unterstreicht Alfred Haidacher.
Neue Linie im Herbst geplant
Als Sommerstück (August), welches traditionellerweise als Open-Air-Vorstellung konzipiert ist, steht Michael Wegers Hasta la vista, Muchachos! am Programm. Der Titel erinnert zurecht an die Sommerproduktion des Vorjahres, dessen brandneuer zweiter Teil heuer mit toxischer Männlichkeit und dämlichem Machotum abrechnet. In der darauffolgenden Theatersaison möchte das TiK mit einer neuen Linie starten: Stücke, die für Erwachsene gedacht, aber für Kinder geeignet sind – und umgekehrt. Geplant ist nach wie vor Evald Flisars ökologische Farce Alice in Crazyland, in der aktuelle Bedrohungen thematisiert, aber zugleich auch märchenhaft und mit viel Humor ausgestaltet werden. Hoch emotional präsentiert sich außerdem das zweite Herbst-Stück, welches Andreas Thaler für das TiK konzipiert und in dem man anhand einer Mutter-Tochter-Beziehung in die familiäre Mikrostruktur eintauchen kann. Fazit: „Pläne gibt es, man muss sie uns nur ausführen lassen!“
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