Im Juli blicken die Theatertage Weißenbach weit über den Tellerrand. In insgesamt zehn innovativen Stücken werden Grenzen aufgebrochen und auf spritzige Weise mit dem heutigen Zeitgeist abgerechnet.
Text: Bettina Leitner
Vom 17. bis zum 31. Juli wird die obersteirische Gemeinde Weißenbach zu einer einzigen Theaterbühne, wenn in insgesamt zehn ausgesuchten Stücken innovative Ideen und Konzepte der heimischen Künstlerinnen und Künstler umgesetzt werden. Das Motto der heurigen Theatertage, „Across the Border“, ist der Festivalauswahl wie auf den Leib geschneidert, denn dieser Leitsatz ist aktueller denn je, in einer Zeit, in der uns durch die Covid-19-Pandemie von außen Grenzen gesetzt wurden und wir auch alle in gewisser Weise an unsere eigenen Grenzen gestoßen sind. „Keiner konnte noch vor wenigen Monaten erahnen, dass das ‚Grenzen-Überschreiten‘ zu unser aller großen Sehnsucht wird; physisch, aber vor allem auch in unseren Köpfen. Uns blockieren in erster Linie unsere eigenen Gedanken, weshalb auch unsere Kopfreisen oft an Grenzen stoßen. Diese gilt es nun zu überwinden und aufzubrechen“, betont Peter Faßhuber, künstlerischer Leiter der Theatertage Weißenbach. So zieht sich dieses Motto in seinen unterschiedlichen Facetten wie ein roter Faden durch das gesamte Programm und verbindet die künstlerisch und thematisch gut durchmischten Stücke zu einem Ensemble an „Überschreitungen“.
La vita mi piaggio
Den Auftakt macht am 17. Juli das im Jahr 1989 gegründete Grazer Mezzanin-Theater mit seinem charmanten Stück La vita mi piaggio, welches bereits im letzten Jahr beim internationalen Festival für Straßen- und Figurentheater La Strada zum Publikumsfänger wurde. Ab 19 Uhr wird der Weißenbacher Dorfplatz zur Bühne und begrüßt Hanni Westphal sowie Martina Kolbinger-Reiner, die sich als die beiden Pensionistinnen Maria und Hilde ironisch und kritisch mit den Tücken des Alters auseinandersetzen und damit das Publikum einladen, alltägliche Dinge aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. „Wir haben uns bewusst dafür entschieden, die Theatertage mit diesem Stück zu eröffnen, da wir schon von Beginn an die ganze Familie erreichen wollen. Gerade der Zusammenhalt unter den Menschen macht es uns auch möglich, ein derartiges Theaterfestival zu veranstalten, denn die Bürgerinnen und Bürger tragen dies zu einem großen Teil mit: Der Dorfgemeinschaft liegt auch selbst sehr viel daran, diese Tradition aufrechtzuerhalten, weshalb sie etwa durch ein selbst ausgerichtetes Buffet mithilft, aus den Theatertagen eine Erlebnis mit allen Sinnen zu machen. Darum soll auch im Programm für jeden etwas dabei sein“, betont Faßhuber.
Wütende weiße Männer
Neben La vita mi piaggio und Pippi Langstrumpf bieten die Theatertage Weißenbach auch ein vielseitiges Programm für Erwachsene: Die wütenden weißen Männer mit ihrem Abwehrkampf gegen die Zukunft. Reaktionäre Männlichkeiten rudern am 22. Juli im Rahmen der Theatertage wieder zurück an die Macht, ob in der Öffentlichkeit, in der Politik oder in den sozialen Medien, setzen Grenzen und provozieren, diese zu brechen. Das Klagenfurter Theater Wolkenflug versteht es, in einem hochpolitischen, ironischen, unterhaltsamen und nicht zuletzt musikalischen Abend über die Abgründe männlicher Identitäten – von Trump, Orban und Kickl über Männer-Rechtsbewegungen, AfD-Programme bis zu Hass-Postings zu sprechen. Verpackt in eine Western-Story, schlüpfen Aline-Sarah Kunisch und Sonja Kreibich in die Rolle politischer Machthaber und rechnen mit der amerikanisch angehauchten Macho-Welt ab. Dabei wollen sie sich mit der Musik- und Textcollage bewusst über die Grenzen hinwegsetzen, die uns durch die radikale Männerpolitik auferlegt wurden/werden.
Cohen
Den klingenden Abschluss der diesjährigen Theatertage bildet am 31. Juli Daniel Doujenis’ Projekt Cohen – Gedichte und Songs über die Liebe, die Freiheit und den Riss, der in allem steckt. Mit dieser Hommage an Leonard Cohens Leben und künstlerisches Schaffen begibt sich Doujenis auf eine Reise durch das Leben und Schaffen Cohens, durch Glamour, Flucht, Eros, Hype, Drogen und andere Exzesse, aber zugleich auch auf die Suche nach Struktur, Klarheit und Askese. Cohen selbst war jüdischer Herkunft, begab sich in seiner Schaffenspause in ein buddhistisches Kloster, wurde dort zum Zen-Mönch ordiniert und kehrte immer wieder als Singer, Songwriter und Schriftsteller zurück. Seine raue und von „Millionen Zigaretten und Pools von Whisky“ geformte Stimme faszinierte den gebürtigen Wiener Doujenis, der in seinem Projekt die amerikanische Legende wieder zurück ins Leben holt.
Theatertage in Weißenbach 2020 – Der Spielplan im Überblick
Fr. 17.7. La Vita mi Piaggio (Mezzanin-Theater), Beginn 19 Uhr, Dorfplatz Weißenbach 26, Haus/E
Fr. 17.7. PROgramm-Präsentation TTW-20, Beginn 20 Uhr, Vorplatz des Gsöllhofs, Weißenbach 26, Haus/E
Fr. 17.7. Alles Bürste! (Peter Spielbauer), Beginn 20.30 Uhr, Theater im Gsöllhof, Weißenbach 26, Haus/E
Sa. 18.7. Mord vor Ort (allesGRUBER), Beginn 20 Uhr, Theater im Gsöllhof
So, 19.7. Bauer to the People (Helmut Bohatsch), Beginn 20 Uhr, Theater im Gsöllhof
Mi. 22.7. Wütende weiße Männer (Theater Wolkenflug), Beginn 20 Uhr, Theater im Gsöllhof
Fr. 24.7. Kunst von Yasmina Reza (theater2go), Beginn 20 Uhr, Theater im Gsöllhof
Sa. 25.7. Rozznjogd von Peter Turrini (HofTheater), Beginn 20 Uhr, Theater im Gsöllhof
Mo. 27.7. Pippi Langstrumpf – Wie alles begann (THEO), Beginn 18 Uhr, Theater im Gsöllhof
Di. 28.7. Pippi Langstrumpf – Wie alles begann (THEO), Beginn 18 Uhr, Theater im Gsöllhof
Mi. 29.7. Blaubart von Max Frisch (Theater Quadrat), Beginn 20 Uhr, Theater im Gsöllhof
Fr. 31.7. Cohen – Eine Hommage an Leonard Cohen (Daniel Doujenis), Beginn 20 Uhr, Theater im Gsöllhof
WERKSTATT 2.20: 22.–27. September
Neben dem erfrischenden Sommerprogramm der Theatertage Weißenbach lädt das Theaterland Steiermark auch im Herbst zu zwei großen Festzyklen ein: Mit der „Werkstatt 2.20“ feiert das Theaterland von 22. bis 27. September 2020 das Premieren-Festival der Freien Theater in Oberzeiring. In diesem vielversprechenden Zyklus der Uraufführungen wird „Hochgradige künstlerische Verdichtung“ zu erleben sein, wie folgende Theaterprojekte versprechen:
Sagt man eigentlich noch Indianer (Barbara Gassner)
ROHmantik – eine Transzendentalschnulze (Compagnie Dada Zirkus)
Geschichten vom Gold (TaO!-Theater am Ortweinplatz)
Aufmarschieren – 3. Teil der Bürgerkriegstrilogie (Planetenparty Prinzip)
Queen Lear (Theater Kaendace)
Hitze (Theater Wolkenflug)
Lillas Papa (Compagnie TGNM)
Der steirische Dracula (Showbär Compagnie)
ARTigKLASSISCH & LA NOTTE: 18.–21. November
Im grauen November findet mit ARTigKLASSISCH & LA NOTTE das farbenfrohe Festival der kleinen Kostbarkeiten statt. Zwischen 18. und 21. November wird das KulturHaus Straden mit einem ausgewählten Programm bespielt. Drei moderne Klassiker führen unter anderem durch das Programm: darunter eine poetische Liebeserklärung an das Meer, den Jazz und die goldenen Zwanziger wie auch eine Revue der Sonderklasse. Kurzum: spannende Tage – lange Nächte.
Mi, 18.11.: Findus zieht um (JUNG & ARTig: Theater Feuerblau)
Beginn 16 Uhr, KulturHausKeller Straden, Straden 60
Mi, 18.11.: Novecento – Die Legenden vom Ozeanpianisten (ARTigKlassisch I: Theater
Kaendace), Beginn 20 Uhr, KulturHaus Straden
Do, 19.11.: Ein fliehendes Pferd (ARTigKlassisch II: Theater Oberzeiring)
Beginn 20 Uhr, KulturHaus Straden
Fr, 20.11.: Bauer to the People (ARTigKlassisch III: Bohatsch & LSZ)
Beginn 20 Uhr, KulturHaus Straden
Sa, 21.11.: LA NOTTE – Die Lange NACHT der kleinSTkunst
Beginn 19.19 Uhr, KulturHaus/KulturHausKeller Straden
Tickets für alle Veranstaltungen unter: 0664 834 74 06 oder info@theaterland.at
www.theaterland.at