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GrazMuseum: Urbane Utopien von gestern und morgen

Collage "Ungebautes Graz" Foto: studio itzo

Nach dem virusbedingten Dornröschenschlaf ist das GrazMuseum mit einem adaptierten Programm wieder für seine Besucher zurück. Im Fokus stehen dabei Gedanken über die Geschichte der Zukunft.

Text: Lydia Bißmann

Seit Juli hat das GrazMuseum wieder seine Pforten geöffnet. Nach der Zwangspause wurde das bereits geplante Programm an die Umstände angepasst. Manches wurde verlängert oder verschoben. Trost für die Besucher ist die Einführung eines ganzen Eröffnungswochenendes anstelle der sonst üblichen Eröffnungstage für Ausstellungen. Damit die immer noch wichtigen Sicherheitsabstände und Hygienemaßnahmen eingehalten werden können, dürfen Interessierte nun das Museumsprogramm für ein ganzes Wochenende kostenlos genießen. Am Muttertag hätte der nagelneue Museumsstandort am Schloßberg eröffnet werden sollen. Bis zum Eröffnungstermin im September verkürzt ein kleines „Making-of“ im Erdgeschoß die Wartezeit. Es gibt einen kurzen Einblick in die Gedanken, die der Gestaltung und dem Konzept der neuen Ausstellungsräume direkt am Grazer Hausberg zugrunde liegen. Dort werden ab 12. und 13. September nicht nur die Geschichte des Schloßbergs und seine Bedeutung für die Bewohner von Graz erzählt. In einem im Freien gelegenen Teil begegnen die Besucher auch vertrauten und bekannten Märchen- und Fabelwesen. Um Berge und ihre Liebhaber dreht sich alles in der Gotischen Halle, in der die Ausstellung Stadt sucht Berg – 150 Jahre Alpenverein Sektion Graz noch bis Ende Jänner verlängert wurde.

Das neue Museum am Schloßberg eröffnet Mitte September
Foto: Studio WG3

Zukunftsmusik aus der Vergangenheit

Ebenfalls bis Ende Jänner 2021 läuft die Ausstellung Ungebautes Graz im zweiten Obergeschoß des Museums. Hier werden Zukunftsvisionen und Stadtutopien anhand von nie realisierten Architekturprojekten im 20. Jahrhundert gezeigt. Woran die Umsetzung scheiterte, hatte ganz unterschiedliche Gründe. Manche Projekte wie das 1929 bis 1932 geplante Warenhochhaus Scheiner von Josef Inffeld und Leopold Bauer am Jakominiplatz scheiterten an der Furcht der Öffentlichkeit vor der Moderne. Die geplanten zwölf Stockwerke würden dem Stadtbild einen „nicht wiedergutzumachenden Schaden zufügen“. Einige Jahre später wollten die Nationalsozialisten Graz mit den umliegenden Gemeinden verschmelzen und die Stadt so um das Sechsfache im Vorhaben „Groß Graz“ vergrößern. Der Wunsch nach einem Museum der anderen Art, wie es jetzt das Kunsthaus darstellt, wurde schon in den Achtzigern entwickelt. Der Weg zur Realisierung des Projekts, wie wir es heute kennen, ist gesäumt von vielen Entwürfen, Entscheidungen, Verwerfungen, Verschiebungen und neuen Anfängen. In sechs Bereichen nähert sich die Ausstellung hier den unterschiedlichen Zeitepochen und Moden an und zeigt, wie sich die Wünsche und Vorstellungen der Bürger zu ihrer Stadt veränderten, auch wenn die Ideen nie verwirklicht wurden. Wo sonst könnte man die Geschichte einer Stadt und der Sehnsüchte ihrer Bewohner besser erzählen als in der sogenannten „Architekturstadt“, deren Ruf sich spätestens in den Achtzigern verfestigte.

Weber Hofer, Kunsthaus Schlossberg, Modell 1997
Foto: Weber Hofer AG

Momentaufnahmen eines Monuments

Zum Teil ungewollt visionär sind auch die Bilder von Branko Lenart, dessen vollständige Serie Schlossberg erst einmal im Jahr 1983 gezeigt wurde und fast 37 Jahre später erneut vom GrazMuseum in ihrer Gesamtheit präsentiert wird. Seit den Siebzigern zählt der slowenisch-österreichische Fotograf zu den bedeutendsten Akteuren der städtischen Fotoszene. Mit seiner in Schwarz-Weiß gehaltenen Fotoserie zum Schloßberg versucht er, dem Objekt Berg durch seinen subjektiven Blick Leben einzuhauchen. Der Berg ist weniger Sehenswürdigkeit und Kletterpark für Touristen, er stellt ihn in seinen 1981 und 1982 entstandenen Bildern als eigenen Naturraum dar. Die menschenleeren Aufnahmen zeigen keine Postkartenidylle, sie nähern sich dem Wahrzeichen auf eine sehr persönliche Weise an. In seiner „subjektiven Topografie“ wird die Fotografie, die Darstellungsform selbst zum Medium. Die 63 Vintage Silbergelatine Prints stellen das umfangreichste Fotowerk zum Thema Schloßberg des 20. und 21. Jahrhunderts dar. Die Formensprache von Lenart erinnert einmal mehr daran, dass Fotoaufnahmen keineswegs Dokumentation oder Abbildung der Wirklichkeit sind, sondern vielmehr flüchtige, sinnliche Eindrücke eines Moments, auch wenn das abgebildete Objekt sehr massiv und unverrückbar ist, wie ein begrünter Felsen mitten in der Stadt. Sie bilden aber auch einen Spannungsbogen zu den von Filtern verwöhnten Sehgewohnheiten im Bilder-Overkill des 21. Jahrhunderts. Nicht zuletzt das Fehlen von Menschen erinnert an die Aufnahmen von prominenten Sehenswürdigkeiten und Straßen, die in den Wochen des Lockdowns die Medien beherrschten. Ein exklusiv aufgezeichnetes Gespräch mit Branko Lenart und eine Publikation runden die Ausstellung ab.

Details und Menschenleere bestimmen Branko Lenarts Schloßbergaufnahmen
Foto: Branko Lenart

Science-Fiction-Klassiker und neue Utopien

Ein weiteres Highlight und Pflichtprogramm für Science-Fiction-Fans ist die österreichweit erste Einzelausstellung mit den Werken von Syd Mead, die im November eröffnet wird. Der voriges Jahr verstorbene Designer entwarf für Unternehmen wie Sony, Ford und Chrysler und stattete legendäre Filme wie Star Trek: Der Film, Blade Runner, Tron oder Aliens – Die Rückkehr mit Ideen zum Bühnenbild aus. Unvergessen ist seine Kreation der neonblinkenden „Großstadtwüste” Los Angeles in der Blade-Runner-Verfilmung 1982, die im Nachhinein betrachtet sehr nahe an moderne Megacities des 21. Jahrhunderts heranreicht. In Syd Mead – Future Cities versammelt das GrazMuseum eine Auswahl der ikonischen Zeichnungen und ­Gouachen seines Schaffens, die sich vor allem auf den urbanen Raum konzentrieren. 30 Originale werden von einem erst kürzlich finalisierten Dokumentarfilm, in dem der amerikanische Industriedesigner über seinen Werdegang und seine Inspiration erzählt, begleitet. Anfang März verlässt das GrazMuseum mit einem Satellit zur Ausstellung Die Stadt als Datenfeld den White Cube und geht in einer Kooperation mit dem Elevate Festival in der Smart City der Frage „Wie wir leben wollen“ auf den Grund. In einer Experimentierwerkstatt nähert sich das Museum unter dem Motto des verschobenen Kulturjahres Graz 2020 an das Publikum an. Wer möchte, kann sich hier im nagelneuen Stadtteil von Graz mit internationalen Expertinnen und Experten zum Thema Stadtentwicklung austauschen und vielleicht selbst urbane Utopien und Träume mitentwickeln.        

Downtown Cityscape/Blade Runner, Syd Mead, 1981

Aktuelle und kommende Ausstellungen 2020 im GrazMuseum, Sackstraße 18

Erdgeschoß: Das neue Graz Museum Schlossberg. Ein Making-of

täglich 11–18 Uhr

Gotische Halle: Stadt sucht Berg. 150 Jahre Alpenverein Sektion Graz

täglich 11–18 Uhr, bis 31. Jänner 2021

Zweites Obergeschoß: Ungebautes Graz. Architektur für das 20. Jahrhundert

täglich 11–18 Uhr, bis 31. Jänner 2021

SCHLOSSBERG 1982. Branko Lenarts subjektive Topografie

Eröffnung: Sa, 1. und So, 2. August 2020, 11–18 Uhr. Eintritt an diesem Wochenende frei. Bis 26. Oktober 2020

Syd Mead – Future Cities

Eröffnung: Sa, 7. und So, 8. November 2020, 11–18 Uhr. Eintritt an diesem Wochenende frei. Bis 31. Jänner 2021

Graz Museum Schlossberg. Ein neues Museum für Graz.

Eröffnung: Sa, 12. und So, 13. September, 10–18 Uhr

Eintritt an diesem Wochenende frei

www.grazmuseum.at