Auch dieses Jahr gibt es im das ANDERE heimatmuseum Schloss Lind, knapp vor der Grenze zu Kärnten, ein ausgewähltes und feines Musikprogramm und Sonderausstellungen bis in den Herbst hinein.
Text: Lydia Bißmann
Das ANDERE heimatmuseum, das sich mit Ausstellungen und unterschiedlichen Exponaten im Schloss Lind befindet, beschäftigt sich mit der jüngeren Zeit- und Sozialgeschichte und beinhaltet auch eine Erinnerungsstätte für das ehemalige KZ-Außenlager von Mauthausen. Das tausende Quadratmeter umfassende Areal wurde Anfang der Neunziger Jahre vom Künstler ARAMIS restauriert und gestaltet und zu einem sehr besonderen Gedenkmuseum umfunktioniert.
Achtung Heimatfälschung
Im Obstgarten des Schlosses ist dieses Jahr die Installation Erinnern! der Lichtkünstlerin Ada Kobusiewicz zu sehen. Mit Neonröhren und einem sehr direkten Imperativ reiht sie sich in die Tradition der Schloss-Lind-Ausstellungen und Aktionen ein. Die polnischstämmige Künstlerin hat Philosophie und Kunst in Granada studiert und lebt unter anderem auch in Österreich, wo sie fast jedes Jahr in Graz ausstellt. Ein Gedenkprojekt ist die Installation abgeLAGERt. Sie besteht aus Steinen, die russische Zwangsarbeiter, die in Lind inhaftiert waren, von 1942 bis 1945 für den Bau der Straße zum Ortsteil Rein verwendet haben. In dieser Zeit fungierte das Schloss Lind als Außenlager für das KZ Mauthausen. Gemeinsam mit der Gemeinde Neumarkt und dem Mauthausen Komitee Österreich kam die Installation nach einer Sanierung der Straße zustande und beleuchtet nun auf künstlerische Art die dunklen Seiten der Geschichte und des Ortes. Am 4. Juli werden zugleich zwei Ausstellungen eröffnet. Bei Art & Archaeology in der schlösslichen Kasemattengalerie begeben sich Linda Görglhuber mit Grafiken und Martha Laschkolnig mit Fotocollagen auf die Suche nach dem Alltag der alten Römer, an die noch Grabsteine aus jener Zeit erinnern. Gemeinsam mit der „Clownin“ Martha Laschkolnig bildet die Künstlerin Laschkolnig auch seit 2002 das Duo One Two Much. In ihrer Fotoausstellung in der Fotogalerie geht es ebenfalls um die Skurrilitäten von Alltagsszenarien, denen das Künstler-Duo mit skurril-poetischen oder absurd-romantischen Experimenten begegnet. Mit zwei Produktionen im September steuert das Schloss Lind noch zwei Programmpunkte zum innovativen, vom steirischen herbst unterstützten Regionalfestival STUBENrein bei. Land in Sich(t) ist der Abschlussakt des Festivals, das ebenfalls von Andreas Staudinger konzeptioniert wird. Hier werden alle vierzehn Projekte des Festivals, das sich heuer mit der Postcorona-Situation im Bezirk Murau beschäftigt, präsentiert. Dazu gehört auch die Fotoausstellung Exploring Landscapes, in der sich Studentinnen der Ortweinschule mit der Region bildlich auseinandersetzen.
Action, Synkopen und nachbarlicher Balkanflair
Einen interaktiven Auftakt zum Musikprogramm und eine gute Gelegenheit, das Gelände des Schlosses näher zu erkunden, macht das Walking Concert des Carinthia Saxophonquartetts. Die vier Saxophonvirtuosen Gilbert Sabitzer (Altsaxophon), Gerhard Lippauer (Altsaxophon), Rudolf Kaimbacher (Tenorsaxophon) und Günter Lenart (Baritonsaxophon) spielen am 4. Juli an den unterschiedlichsten Orten im Schloss und laden die Zuhörer dazu ein, ihnen dabei zu folgen. Am 17. Juli gibt es mit dem Konzert Telemannia von Georg Gratzer (Woodwinds) und Klemens Bittmann (Violine und Mandola) eine sehr persönliche Interpretation der Musik von Georg Friedrich Telemann zu hören. Die barocken Stücke werden frei von der Leber weg mit bekannten Melodien von Astor Piazzolla, John McLaughlin und Meisterwerken der Filmmusik vermischt. Am 8. August sind die Botschafter des Carinthischen Sommers Klakradl zu Gast im Schloss. Sie spielen vor der Brassband BlechSalat, die sich als die kleinste Blaskapelle der Welt sehen und bei ihren Konzerten auf der Bühne keine Sekunde stillstehen, kommen sie doch von der Straßenkunst, wo es kaum Grenzen zwischen Zusehern und Performern gibt. Auch der polnische Akkordeonspieler Krzysztof Dobrek hat lange als Straßenkünstler performt. Am 21. August ist er mit dem Dobrek Quintet in hochkarätiger Weltmusikgesellschaft zu Besuch auf der Schlossbühne.
Damit das von Britta Sievers und Andreas Staudinger sorgfältig kuratierte Programm des Kulturortes Schloss Lind nicht selbst dem Vergessen zum Opfer fällt, werden regelmäßig Publikationen zu den Ausstellungen und Aktionen herausgegeben. Das neueste Werk Das ANDERE heimatmuseum beschäftigt sich aber mit dem Projekt als Ganzem und enthält Hintergrundberichte von Historikern. Gesammelt und editiert wurden die Beiträge von Andreas Staudinger in der Edition pro:vinz.
Das ANDERE Heimatmuseum
Schloss Lind, 8820 St. Marein
Bis 31.10.2020, tägl. 10–18 Uhr, außer Mo gegen telefonische Voranmeldung
Museum: € 5, Veranstaltungen: Erwachsene € 15, Kinder und Studenten € 10
Tel. 0358 3091, schlosslind.atSonderausstellungen
Erinnern!, Installation, Gedenkprojekt 1, Ada Kobusiewiecz, laufend
abgelagert, Installation, laufend
Art & Archeology, Linda Göglburger, Martha Laschkolnig, Public Archeology-Galerie
One Two Much, Fotoausstellung, Martha Laschkolnig, Marie Lenoble, Fotogalerie
Konzerte
Telemannia, Georg Gratzer & Klemens Bittmann, 17.7., 20 Uhr
Parkkonzert, Klakradl und BlechSalat, 8.8., 19 Uhr
Dobrek Quintett, 21.8., 20 Uhr
Festival STUBENrein
Land in Sich(t), Abschlussperformance des Festivals, 19.9., 19 Uhr
Exploring Landscape, Fotoausstellung, Fotogalerie Schloss Lind, Eröffnung, 19.9.
Gridchen Plissnig, LAND IN SICH(T), Video-Performance