Im Gespräch mit „Achtzig“ spricht Andreas Unterweger über seinen großväterlichen Freund und literarischen Förderer Alfred Kolleritsch und die Zukunft der manuskripte.
Text: Stefan Zavernik
Alfred Kolleritsch war bis zu seinem Tod Ende Mai von Leidenschaft für Literatur angetrieben. Er wurde 89 Jahre alt, wie unerwartet war der Abschied?
Einerseits hat sich sein Abschied schon lange angekündigt, Fredi war in den letzten Jahren schon schwer krank und oft im Krankenhaus. Auf der anderen Seite war er gerade in letzter Zeit wieder sehr aktiv und mit Leidenschaft bei seiner Arbeit, er war auch oft bei uns im Büro. An seinem letzten Vormittag hier hat er noch die aktuelle Ausgabe, die nun im Sommer erscheinen wird, durchgesehen. Zu diesem Zeitpunkt schien es ihm wieder besser zu gehen, deshalb hat gerade jetzt keiner mit diesem Ereignis gerechnet.
Hat ihn seine Arbeit jung gehalten?
Es war mit Sicherheit die Liebe zur Literatur, die ihn immer wieder zu seiner Arbeit zurückkehren hat lassen, ebenso seine große Neugierde, die ihn bis zum Schluss nie verlassen hat.
Als Co-Herausgeber der manuskripte verband dich mit ihm nicht nur eine enge Arbeitsbeziehung, sondern auch eine jahrelange Freundschaft. Wie hast du ihn als Freund über die Jahre erlebt?
Wir kennen uns seit 2006. Zuerst bin ich als Autor zu ihm gekommen. Wir haben uns gleich gut verstanden, aber unser Kontakt bestand doch vorwiegend darin, dass ich ihm Texte von mir geschickt habe; unsere Beziehung war anfänglich die zwischen Herausgeber und Autor. Durch die vermehrte Zusammenarbeit hat sich dies aber schnell geändert: Ich habe selbst erfahren dürfen, was es bedeutet, von Alfred Kolleritsch gefördert zu werden: vom ersten Veröffentlichen in den manuskripten bis hin zum manuskripte-Förderpreis der Stadt Graz und des Landes Steiermark hinauf. Es war sehr schön, ihn als großväterlichen Freund zu haben. Mir sind demnach auch zahlreiche gemeinsame Ausflüge auf den Lendplatz, auf den Bauernmarkt oder in diejenigen Cafés, die er so gerne mochte, in bester Erinnerung. So hatten wir beispielsweise auch eine sehr schöne gemeinsame Heimfahrt von Wels, auf der er über Kant und den Sternenhimmel philosophiert hat.
Er entdeckte eine Unzahl an literarischen Talenten, förderte Autoren und ermöglichte Karrieren. Lässt sich sein Gespür für literarisches Potenzial in Worte fassen?
Er war ein sehr genauer Leser und hat immer darauf geachtet, wie die Leute mit der Sprache umgehen. Man sieht besonders an kleinen Details, ob jemand eher oberflächlich arbeitet oder bei den einzelnen Formulierungen in die Tiefe geht und versucht, der Sprache einen neuen Ausdruck abzuringen. Außerdem hat Alfred auch Texte gewürdigt, von denen er selbst nicht zur Gänze überzeugt war, wo er aber den Eindruck hatte, das Werk könnte interessant sein und den Menschen gefallen.
Wie hat er dich selbst als Autor geprägt?
Seine Gedichte haben mich wahrscheinlich am meisten geprägt, obwohl er einen einzigartigen und unnachahmlichen Stil hatte. Ich fand seine Werke besonders an den Stellen am stärksten, an denen er ganz einfache Sachverhalte mit einer leichten Verzerrung berichtete, die durch seinen philosophischen und hoch intellektuellen Blickwinkel hinzukam. Er schrieb Verse wie „Es macht mir immer weniger Mühe, aufzustehen. / Das ist kein Zeichen von Glück.“ Mit solchen Passagen hat er mich besonders berührt. Sie wirken einfach und gehen doch in die Tiefe.
In wenigen Wochen erscheint die letzte Ausgabe der manuskripte, die noch gemeinsam mit ihm zusammengestellt wurde. Welchen Stellenwert hat diese Ausgabe nun für das Team der manuskripte?
Diese Ausgabe bedeutet uns sehr viel. Denn diese hat er noch ein paar Tage vor seinem Tod persönlich abgesegnet. Wir verzichten deshalb auch bei dieser Ausgabe auf einen Nachruf, es gibt nur eine kleine Vorbemerkung von mir, wie sehr er uns allen fehlt. Es gibt einige Debuts in dieser Ausgabe, die ihn und uns schwer beeindruckt haben, wie Die Gulaschlustigen von Katharina Ingrid Godler oder Gedichte von Sophia Schnack, die über Barbara Frischmuth zu uns gekommen ist.
Ist eine eigene Ausgabe über Alfred Kolleritsch geplant?
Die Herbstausgabe 229 soll ganz seinem Gedenken gewidmet sein. Mir schwebt vor, dass sich aus vielen kleinen Beiträgen ein Portrait von Alfred Kolleritsch ergeben soll, welches aus allen Lebensbereichen, aus denen als Dichter, Herausgeber und auch ein wenig als Lehrer berichtet. Wir haben hier sehr schöne Fotos und Erinnerungen von seinen ersten Schülerinnen und Schülern bekommen, die er in den 50ern in Leibnitz unterrichtet hatte.
Wie geht es mit den manuskripten nun weiter? Hatte Alfred Kolleritsch selbst genaue Vorstellungen für die Zeit seiner Zeitschrift nach ihm?
Für ihn war die große Frage, ob es nach seinem Tod mit der Herausgabe weitergehen solle oder nicht. Er hat diese schlussendlich dezidiert entschieden, indem er mich als Mitherausgeber an Bord geholt hat. Er hat das auch rührend formuliert, hat gesagt: „Ich habe das lange allein gemacht, jetzt machen wir es zu zweit, bis eines Tages du es allein machen wirst.“ Dieser Tag ist nun gekommen. Natürlich werde ich meinen eigenen Weg gehen. Keinesfalls möchte ich sein Vermächtnis aufgeben, doch wir werden deutliche Zeichen der Veränderung setzen. So möchte ich etwa die Internationalisierung weiter vorantreiben und jüngere Leserinnen und Leser erreichen, ohne zugleich den Stamm unserer treuen Abonnenten zu vernachlässigen.
manuskripte 228: Präsentation der neuen Ausgabe am 23.7.2020, 19 Uhr
Es lesen Katharina Ingrid Godler (Prosa) und Sophia Schnack (Lyrik). Felix Krauss liest das Dramolett „Liebe Frau Krauss“ von Matthias Göritz. Heidrun Primas spricht im Gedenken an Alfred Kolleritsch. Forum Stadtpark, Stadtpark 1, 8010 Graz.
www.manuskripte.at