Das von den Star-Architekten Szyszkowitz+Kowalski nun schon vor 20 Jahren errichtete Greith-Haus avancierte unter dem Slogan „Im Zentrum der Peripherie“ zu einem markanten Symbol des steirischen Kulturlebens: spannende, weltoffene Kunst abseits der großen Städte, dort, wo man sie nicht erwartet.
Text: Isabella Holzmann
Als der Schriftsteller Gerhard Roth gemeinsam mit dem späteren Vereinsobmann Josef Zmugg vor mehr als 20 Jahren, mitten am Land, in der kleinen Ortschaft St. Ulrich in Greith, ein internationales Kunst- und Kulturzentrum initiierte, meinten viele, so etwas „Versponnenes“ kann abseits der großen urbanen Zentren nicht funktionieren. Heute steht das Greith-Haus für die kongeniale Verbindung von weltoffener Kunst auf höchstem Niveau für alle inmitten einer reizvollen Naturlandschaft und feiert in diesem denkwürdigen Corona-Jahr sein 20-jähriges Bestehen.
Es besticht als architektonisches Juwel inmitten der Südweststeiermark und gilt als weit herausragende weil einzigartige Kultureinrichtung abseits vom urbanen Raum. Im „Zentrum der Peripherie“ hat sich das Greith-Haus im Lauf der letzten 20 Jahre zu einer renommierten, weit über die Landesgrenzen hinaus bedeutsamen Institution entwickelt, die spannende, weltoffene Kunst genau da bietet, wo man sie am wenigsten erwartet. „Kunst soll lernen, auf dem Land zu Hause zu sein“, kommentierte Hermann Nitsch 2001 sein Ausstellungsprojekt. Und das ist dem Greith-Haus in beeindruckender Weise gelungen.
Das Jubiläumsjahr 2020 will gefeiert werden!
Die programmatischen Höhepunkte am Anfang des Jahres waren die Darbietungen von Sona MacDonald, der Auftritt des Schauspielers Johannes Krisch sowie ein denkwürdiger Abend mit Heinz Fischer, dem vormaligen Bundespräsidenten. Mit dem Film Murer – Anatomie eines Prozesses begann eine neue Filmreihe in Kooperation mit der Diagonale, dem Festival des österreichischen Films, die im Herbst ihre Fortsetzung findet. In weiterer Folge reist das Programm noch mit Ismael Barrios nach Südamerika, mit der Ikone der italienischen Volksmusik Elena Ledda nach Italien und mit den Strottern über den Semmering nach Wien. Stimmig ist auch, dass die Jazz Bigband Graz ihr 20-jähriges Jubiläum in St. Ulrich feiert. Das für Mai geplante große Geburtstagsfest mit Freunden, Wegbegleitern und Protagonisten musste coronabedingt leider abgesagt werden. Umso größer die Vorfreude auf dieses Zusammensein im kommenden Jahr. Dann wird eben ausgiebig 20+1 gefeiert.
Die neuen Corona-Veranstaltungsregeln erlaubten die Öffnung des Greith-Hauses im Juni für bis zu 100 Gäste. Die schöne Terrasse erleichterte die optimale Nutzung des Hauses. Es ist gelungen, einen für den Herbst geplanten Programmpunkt vorzuverlegen: Philipp Hochmair, er spielte den Jedermann am Salzburger Domplatz, im Stephansdom, im Burgtheater und 2019 auch im Greith-Haus, gab im Juni drei bejubelte Vorstellungen mit seinem Soloprogramm Werther!.
Kultur im Sommer
Immer schon waren die jährlichen Sommerausstellungen ein Highlight im Kultursommer der Steiermark. Die diesjährige Sommer-Ausstellung widmet sich dem eindrucksvollen Werk des aufstrebenden Malers Adel Daouud. Die meisten seiner großformatigen Werke sind in den letzten Monaten und so im Corona-bedingten Rückzug entstanden. Sie werden zum ersten Mal einem größerem Publikum vorgestellt. Die Auseinandersetzung mit seiner Geschichte ist für Adel Dauood, der 2012 als Flüchtling aus dem syrischen Damaskus nach Wien gezogen ist, wesentliches Thema seiner künstlerischen Arbeit als Maler und Zeichner.
Die Laubdorfbäuerinnen und -bauern begleiten die Veranstaltungen mit ihren regionalen Delikatessen. Ihre exquisiten Weine stehen der Qualität des literarischen und musikalischen Programms in nichts nach. In den Laubdorfläden entlang der Wanderwege finden Gäste alles, was das Land an veredelten Köstlichkeiten bietet: Fleisch und Fisch, Obst und Honig, Wein und Schnaps, Kräuter und Gewürze. In versteckten Buschenschenken lässt es sich gut jausnen, und gemütliche Bauernhöfe vermieten ruhige Zimmer mit herrlichem Ausblick.
Schwierig zu sagen, ob die Nähe zum Greith-Haus für einige der jungen Bewohnerinnen und Bewohner des kleinen Dorfes ausschlaggebend war, spannende und zeitgemäße Kulturinitiativen ins Leben zu rufen. Aber die Begegnung mit hochkarätigen Künstlerinnen und Künstlern in der Intimität des Kulturzentrums dürfte doch die notwendige Nähe zur Kultur mit sich gebracht haben. So feiern auch die „Vitamins of Society“ rund um Regisseur und Schauspieler Wolfgang Lampl alias Jimi Lend heuer ein 10-jähriges Jubiläum. Sie produzieren jährlich eine professionelle Uraufführung zeitgenössischer Dramatik, getragen von einem leidenschaftlichen Ensemble, teilweise unter Beteiligung der einheimischen Bevölkerung und immer mit Live-Musik. Das diesjährige Theaterstück Die grüne Insel stammt vom Grazer Autor Johannes Schrettle. Auch der Schauspieler Harry Lampl, der bei der diesjährigen styriarte als Leporello in Don Giovanni in Nöten zu bewundern war, ist mit an Bord. Aufführungsort ist die Hofbühne der Buschenschank Mathans, Heimat der Brüder Wolfgang und Harry Lampl.
Beim Weinbauern Schmidt, vulgo „Finsterl“, hat die ansonsten eher urbane Szene der Slammer einen Ankerpunkt gefunden. Organisiert von der engagierten Kunsthistorikerin und Kunstvermittlerin Helena Schmidt und von Wolfgang Lampl findet hier nun auch der seit 10 Jahren traditionelle Schilcherslam statt. Das Line-up war von Anfang an hochkarätig und der Wettbewerb entwickelte sich mittlerweile zum Publikumshit.
Dass dies alles gelingen kann, ist auch einer selbstbewussten Gemeinde, engagierten Kulturvereinen und den vielen ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu verdanken, die Kulturarbeit als Impuls, als Motor und als Lebensmittel zu schätzen wissen. Schülcha hülft.
Die Autorin dieses Artikels, Isabella Holzmann, ist Leiterin des Greith Hauses und Kulturmanagerin.