Die Werkschau des syrischen Shooting-Stars Adel Dauood bei der Sommerausstellung 2020 im Greith-Haus bietet bis September einen Ausblick in die Untiefen der weiten Welt und der eigenen Seele.
Text: Lydia Bißmann
Diesen Sommer ist der aus Syrien stammende Gegenwartskünstler Adel Dauood mit seinen teils überdimensionalen Gemälden, Radierungen und Grafiken zu Gast im Greith-Haus in der Südweststeiermark. Anders als die wunderschöne Landschaft rund um das Kulturzentrum sind seine Werke auf den ersten Blick aber alles andere als beschaulich und lieblich. Dauood ist Jahrgang 1980 und musste vor acht Jahren, wie so viele andere auch, aus seiner Heimat flüchten. In einem Wiener Caritas-Heim teilte sich der Absolvent des Instituts für Bildende Künste in Damaskus und des Zentrums der Bildenden Künste in seiner Geburtsstadt Al-Hasaka mit acht Kollegen ein Zimmer, das auch als Schlaf- und Arbeitsraum herhalten musste. Bald schon gab es aber Beteiligungen an kleinen Ausstellungen in der Wiener Volkshochschule und kleinen Galerien bis hin zum Essl Museum, wo er aus 756 Künstlern ausgewählt wurde, um im Rahmen der Ausstellung die zukunft der malerei seine künstlerische Arbeit zu präsentieren. Größere Schauen und Einzelausstellungen in anderen österreichischen Städten, Dänemark, Türkei und Amerika folgten. Der Autor Gerhard Roth entdeckte den Künstler auf Fotografien und ermöglichte ihm die Ausstellung in St. Ulrich. Für den wunderschön gestalteten Katalog, der zugleich das erste Werkverzeichnis von Adel Dauood ist, verfasste er den Einleitungstext. „Wenn ich von einem Kunstwerk in seinen Bann gezogen werde, entsteht in mir der Drang, selbst zu schreiben. Wie es jetzt bei Adel Dauood der Fall ist“, begründet er dort seine Faszination für den Maler.
Die Globalisierung in der Peripherie
Es gibt Kunstwerke, die keine Titel haben, und oft fühlt man sich als Betrachter alleine gelassen beim Erforschen der Bilder. Bei Adel Dauood ist fast das Gegenteil der Fall – würde man nicht wissen, welcher Hölle der Maler entkommen ist, würden seine Zyklen und mehrteiligen Werke nicht Namen wie Flood, Chaos oder Two Seconds before Death tragen, könnte man die Öl- und Acrylkreationen problemlos anders zuordnen. Seine Werke sind eine Herausforderung für das Selberdenken, bremsen es aber nie. Entgegen der beladenen Titel gibt es auch Leichtigkeit und Lust in neonfarbigen Akzenten auf den bewegten Untergründen zu entdecken. Die verrenkten Figuren rufen Erinnerungen an die markerschütternde Erotik des Egon Schiele hervor. Eine Flut kann nicht nur tödliche Gezeit im Mittelmeer sein, sie kann auch für ein Übermaß an Bildern, Gefühlen oder Informationen stehen. Dauood erzählt Geschichten mit seinem Werk – der Betrachter wird aber dazu angehalten, selbst zu entscheiden, wo er diese Geschichte einordnet. „Mit Adel Dauood zieht die Globalisierung ins Greith-Haus ein“, schreibt Günther Holler-Schuster in seinem Begleittext im Katalog. „Clobal Contemporary” verwischt die Kulturkreise und Herkunft der Künstler und macht eigenständiges und selbstbestimmtes Erfahren der Kunst möglich.
Nähe und Distanz
Viele von Dauoods Bilder sind nicht nur sehr groß, sie brauchen auch viel Raum zum Betrachten. Platz gibt es genügend in den gut beleuchteten und großzügigen Räumlichkeiten des Greith-Hauses, das seit 20 Jahren nationale und internationale zeitgenössische Künstler zeigt. Neben großen Gemäldereihen und den Zeichnungen, die thematisch gruppiert sind, gibt es in der Sommerausstellung einen eigenen Raum für die schwarzen Phantasiegestalten. Sie sind mit Tusche auf Pappe gezeichnet, deren Oberfläche der Künstler in mühevoller Kleinarbeit aus dem Papier mit einem Messer bearbeitet hat. Der Betrachter muss ganz nahe an das Bild herangehen, um zu entdecken, wie die wellenförmigen Linien am Untergrund zustande gekommen sind. Verletzlich und doch vertraut, wie Wesen, die vor dem Einschlafen in der Dunkelheit auftauchen und trösten oder ängstigen können. Trost und Beklemmung – eine Klammer, die sich durch das ganze Werk von Adel Dauood zieht.
Die Sommerausstellung läuft noch bis 6. September. Bis dahin gibt es noch vier Termine, an denen Greith-Haus-Leiterin Isabella Holzmann oder Günther Holler-Schuster durch die Ausstellung führen. Alle Abendführungen werden von einer Weinverkostung der Laubdorfbauern St. Ulrich in Greith begleitet.
Adel Dauood: „Flut”
bis 6. September 2020, Mi–So, 10–18 Uhr
Greith-Haus, Kopreinigg 90, 8544 St. Ulrich in Greith, Tel. 03465 20200
www.greith-haus.at
Abendführungen durch die Ausstellung mit Kurator Günther Holler-Schuster: Fr, 7.8. und 4.9., jeweils 18 Uhr
Führungen mit Isabella Holzmann, Leiterin Greith-Haus: Fr, 31.7. und 28.8., jeweils 18 Uhr sowie auf Anfrage