Am 12. September eröffnet ein neues Museum mitten am Schloßberg. Wir haben mit Museumsdirektor Otto Hochreiter, Chefkuratorin Martina Zerovnik und Kuratorin Ingrid Holzschuh über das neue „Museum für alle“ am wohl erhabensten Platz der Stadt gesprochen.
Text: Lydia Bißmann
Seit etwa einem Jahr wird am Schloßberg gebaut, im September wird das neue, aber sehr geschichtsträchtige Museum eröffnet. Was dürfen sich die Grazer von ihrem nagelneuen Museumsstandort erwarten?
Otto Hochreiter: Genau genommen ist das Museum eine Expositur des Graz Museum in der Sackstraße. Beide Häuser verklammern die Stadt mit dem Berg. Das Besondere daran ist aber, dass es doppelt so viele Besucher erwarten darf als das Haupthaus. Das liegt daran, dass es an einem absolut perfekten Standort liegt, den im Jahr 1,5 Millionen Menschen ohnehin besuchen. Die sind bereits im Freizeitmodus und wollen sowieso etwas entdecken. Hier unten eilen die Menschen mit Einkaufssackerln und Alltagssorgen am Museum vorbei. Das „Graz Museum Schlossberg“ hat eine Doppelfunktion: Es ist ein klassisches Museum, aber auch ein guter Ort zum „Ankommen“ – es ist der Eingang zum Schloßberg und hat den Charakter eines Besucherzentrums. Wer sich auf sinnliche Art in die Geschichte des Schloßbergs vertiefen möchte, muss einfach hierhin.
Ein charmantes Highlight ist der Wundergarten, der die Geschichte der Stadt und ihrer Bewohner anhand von Mythen, Märchen und Fabeln erzählt. Wer kommt hier zum Beispiel vor?
Martina Zerovnik: Der Sage nach ist der Schloßberg Teufelswerk, deswegen kommt natürlich der Teufel vor, der aus Afrika einen Felsen eingeflogen und über dem Murtal abgeworfen hat. So sind der Schloßberg und auch der Kalvarienberg entstanden. Ein Löwe bezieht sich auf die historische Figur des Major Hackher. Im Wundergarten begegnet man ihm in Form einer Sandkiste, wo die Spuren des Löwen ergraben werden können. Dann gibt es natürlich den steirischen Panther als Wappentier, einen Hund und auch einen Elefanten. Am Schloßberg wurde ein Fragment eines Elefantenschädels gefunden, der auch im alten Schloßbergmuseum zu sehen war. Der Legende nach soll das Tier von der osmanischen Armee erbeutet worden sein und dann bei den Bauarbeiten der Festung mitgeholfen haben. Eine andere Version besagt, dass er zu einem Schausteller gehört hat und dann in Graz verendet ist.
Ingrid Holzschuh: Man darf sich das nicht als figurenhafte Märchenstationen vorstellen. Die Erzählungen im Wundergarten drängen sich nicht auf. Es sind Einbauten, die auch als Sitzmöbel dienen und die subtil zum Aktiv-Sein animieren, Das richtet sich vor allem an Kinder, die in der Sandkiste zum Beispiel selbst herumgraben dürfen. Beim Elefanten gibt es etwas zum Reinhören und der steinerne Hund kann ebenfalls angefasst und gedreht werden.
Wie hat sich das ehemalige Garnisonsmuseum nun verändert?
Otto Hochreiter: Als modernes Museum bieten wir einen spielerischen, offenen Zugang. Der Wundergarten ist hauptsächlich an Kinder adressiert, steht aber als eines von vier Formaten völlig gleichberechtigt neben den anderen. Dazu kommt, dass wir das Museum unter einer europäischen Friedensperspektive gestaltet haben. Wir wollen ein populäres Museum machen, aber kein populistisches.
Martina Zerovnik: Vor allem diese alten Feindbilder, die der Schloßberg bislang oft reflektiert hat, die der Magyaren, der Osmanen oder der Franzosen wollen wir nicht bedienen. Rund um die Festung rankt sich ein verklärter Mythos. Die Schlossbergfestung konnte von der französischen Armee nicht eingenommen werden. Trotzdem musste sie nach der Niederlage Österreichs gegen Napoleon geschleift werden. Ist nun das Schlüsseljahr 1809 ein Triumph oder ein Verlust?
Otto Hochreiter: Die Mythen bleiben wirklich im Wundergarten, sonst versuchen wir, am letzten Stand der Geschichtsforschung die Dinge so darzustellen, wie sie tatsächlich gewesen sind. Wir sehen uns aber nicht nur als Lehranstalt, es soll auch ein Museum sein, wo man einfach sehr überraschende und unglaublich faszinierende Objekte sieht. Menschen gehen ja in ein Museum, weil sie etwas sehen möchten, von dem sie bislang noch nichts gehört haben. Wir haben eine Medienproduktion, aber wir haben auch das klassische Museum und wir haben die vielfach geforderte Interaktivität, nicht nur im Garten.
Ingrid Holzschuh: Es gibt eine Medienstation, wo ich mit einem Video in die Vergangenheit reisen kann. All die Monumente, die mir beim Spaziergang über den Schloßberg begegnen, werden hier erklärt und beschrieben. Mit diesem zeitgemäßen Format bekomme ich mehr Information als durch den reinen Blick über Graz, den der Standort bietet.
Ein Museum für alle, barrierefrei, aber dennoch auf einem Berg – wie darf man sich das vorstellen?
Martina Zerovnik: Uns war es wichtig, das ganze Museum barrierefrei zu halten, das sollte nicht an der Schwelle aufhören. Dafür wurde sehr viel Fläche extra umgebaut. Ein eigener Lift führt in die Kasematte – im und am Berg ist mit Rollator, Rollstuhl und Kinderwagen alles ganz leicht zu erreichen. Neben der architektonischen Barrierefreiheit gibt es auch viele taktile Elemente für sehbeeinträchtige und blinde Menschen.
Ingrid Holzschuh: Es gibt ein Tastmodell des gesamten Areals und eine europaweite Besonderheit mit dem Panoramarelief. Man findet in Museen immer wieder Silhouettenmodelle, wo man mit dem Finger die Linien nachziehen kann. Unseres ist aber eines, das die dritte Dimension noch mit einbezieht – der Blick vom Schloßberg bis zum Horizont kann so ertastet und wirklich allen vermittelt werden. Der Garten ist auch außerhalb der Öffnungszeiten zugänglich. Wenn jemand nur im Wundergarten herumgehen oder die Aussicht genießen möchte, geht das auch ohne Eintritt vor zehn Uhr und nach 17 Uhr.
Otto Hochreiter: Für uns war klar, dass man nicht ein Museum machen kann, das dann für ein Drittel der Bevölkerung nicht zugänglich ist. Das ist auch gesetzlich gar nicht möglich. Auch die Größe des 3D-Modells macht schon deutlich, dass hier niemand zurückgelassen werden soll. Von Anfang an war uns auch wichtig, dass hier der Beginn ist, ein Besucherzentrum, von dem man sich topografisch und historisch in der Stadt orientieren kann. Das wollten wir mit dem geringen Eintrittspreis von zwei Euro, der bei so vielen Besuchern mehr eine Art Schutzgebühr ist, so niederschwellig wie möglich halten.
Wie wird das Jahresprogramm im Museum aussehen?
Otto Hochreiter: Diese Ausstellung ist dauerhaft und wird sich nicht ändern. Zurzeit gibt es keine Möglichkeiten, Sonderausstellungen zu zeigen, was aber kein Problem ist, da wir ja nach unten ins Haupthaus ausweichen können.
Martina Zerovnik: Das Graz Museum Schlossberg befindet sich in einem Gebäude, das Geschichte atmet. Es ist Museum, hat Aufenthaltsqualität und ist ein Ort für Aktivität. Unser Programm besteht aus einer Vielzahl an wechselnden Angeboten – Workshops, Führungen, Veranstaltungen – rund um den Schlossberg und seine Geschichte.
Graz Museum Schlossberg
Schloßberg 5, 8010 Graz,
Eröffnungswochenende: 12. und 13 September 2020, Tel.: 0316 872-7630
grazmuseum.at