Das nagelneue Museum am Schlossberg als Erweiterung des Graz Museum verspricht seit seiner Eröffnung Anfang September ein wahrer Publikumsmagnet zu werden. Und das keineswegs nur wegen seiner traumhaften Lage.
Text: Lydia Bißmann
Das Graz Museum Schlossberg am Platz des ehemaligen Garnisonsmuseums liegt nur wenige Schritte von der Schlossbergbahn-Station entfernt und hat alles, was ein zeitgemäßes Museum braucht. Es ist für Kinderwägen, kleine Kinderbeine, Rollstühle, Menschen mit Gehhilfen oder Sehbeeinträchtigungen leicht zu erreichen und bequem zu entdecken. Ökologisch durchdacht ist es durch den sickerfähigen Bodenbelag und die Tatsache, dass mehr Bäume beim Bau gepflanzt als gefällt wurden. Der Eintrittspreis mit zwei Euro ist familienfreundlich und auch sonst für wirklich jeden erschwinglich. Mit dem Einheben der „Schutzgebühr” lassen sich die Besucher leichter an- und umleiten und sie bekommen gleichzeitig kurz erklärt, wo sie was auf dem Areal finden können. Geschätzt passieren um die 1,5 Millionen Menschen im Jahr den Grazer Schlossberg. Zu den 40.000 Besucherinnen und Besuchern im Haupthaus in der Sackstraße sollen geschätzt an die 80.000 Museumsgäste jährlich in die neue Expositur folgen. Bereits am Eröffnungswochenende kamen über 2.000 Menschen in beide Standorte.
Ein Museum für alle
Die Barrierefreiheit der neuen Anlage endet aber nicht beim Lift in die Kasematte, der extra dafür gebaut wurde, oder an dem 3D-Tastmodell. Es ist vor allem die Art der Vermittlung, die bei den Besuchern viele Schranken im Kopf und viele alte Muster auf sehr feine und diffizile Art löst. In völlig unterschiedlichen Bereichen wird die Geschichte des Berges mitten in der zweitgrößten Stadt Österreichs erzählt. Nach dem Freiluftbereich im Wundergarten und dem grandiosen Blick über Graz wartet ein dicht gespickter, abwechslungsreicher Geschichts-Parcours bevor es zum gläsernen Berg samt animierter Präsentation in die Kasematten geht. Auf sehr fesselnde, aber angenehm klare Art und Weise wird hier die Entstehung der Burg und Festung, der wohlbekannten Sehenswürdigkeiten und Monumente auf dem Berg erzählt. Im Mittelpunkt stehen dabei die Menschen, die hier ihren Alltag und ihre Freizeit verbracht haben und das immer noch tun. Hier versickern sogenannte alte „Feindbilder“, wie die der Magyaren, der Franzosen oder der Türken, wie das Regenwasser im Boden zwischen den frisch gepflanzten Hainbuchen nach dem Empfang. Kriegsgeräte wie die alten Kanonen verwandeln sich in sehr wichtige Feuermelder, die mit der Anzahl ihrer Schüsse genau meldeten, in welchem Bezirk es gerade brennt.
Ganzkörpermassage für die Phantasie
Der Flaneur ist der Archetyp des modernen Menschen und genau diese Zielgruppe wird auch angesprochen. Die von Otto Hochreiter konzipierte und von Martina Zerovnik und Ingrid Holzschuh kuratierte Graz-Museum-Expositur am Schlossberg geht auf die Bedürfnisse eines Publikums im Freizeitmodus mit offenen Augen und Herzen ein. Es sollte laut Entwurf des Architekturbüros studio WG3 eine Art „Empfang“ für den Berg und auch die ganz Stadt werden, was nicht nur architektonisch mehr als nur gelungen ist. Von hier aus kann jeder, egal mit welchem Wissensvorsprung, egal wie alt oder fit, den Berg und seine Umgebung erforschen. Im Wundergarten nach dem Eingang wird an fünf Station ganz ungezwungen die Geschichte von Fabelwesen und Tieren erzählt, die mit dem Berg zu tun haben. Hier begegnet man dem Teufel, der der Sage nach den Schlossberg als Felsen aus Afrika angeschleppt hat, hier wird das steirische Wappentier, der Panther, in seiner Erscheinungsform und seinem Verhalten erklärt, aber hier trötet auch ein Elefant aus einem Rohr und in einem Sandkasten finden sich die Spuren des Hackher-Löwen als Reminiszenz an den mutigen Major. Es sind aber keine Märchenfiguren, die hier aufgestellt sind, sondern subtile Anregungen wie die drehbaren Büschel, die an eine Autowaschanlage erinnern. Sie gehören zum steinernen Hund, der vor der Tür auf seine Besitzerin Prinzessin Kunigunde, Tochter von Kaiser Friedrich III., gewartet hat. Wie ein kleines Warm-up für die Phantasie. Nach dem ausladenden Blick auf die Dächer der Stadt geht es in die Räumlichkeiten des Geschichts-Parcours.
Amuse-Gueule der Stadtgeschichte
Auf recht kleinem Raum ist hier ein wahrer Schatz an Geschichten zu finden. Neben den wichtigen Eckdaten zu Uhrturm, Glockenturm, dem Kerker und der Zahnradbahn warten auch eine Vielzahl an optisch und inhaltlich faszinierenden Exponaten. Etwa das „Lumpenglöckchen“, das neben den Viertelstunden im Uhrturm auch die Sperrstunden der Lokale läutete. Hier ist ein Helm der Bürgerwehr, die es immer noch gibt, ausgestellt, hier liegen eherne Fesseln als Symbol für den schärfsten Kerker des Landes in der josephinischen Zeit und hier warten auch die zum Glück nie umgesetzten Nazi-Pläne für die „Schlossbergfestung“ der Faschisten. In kleinen Schubladen finden sich neben verschiedenen Steinarten Käfer, Insekten und Schmetterlinge oder Pflanzen, die am Schlossberg heimisch sind oder es im Laufe der Zeit wurden. Angepflanzt hat sie das Militär, das aus dem nackten Felsen einen Erholungsraum für die Bürger geplant und umgesetzt hat. Verantwortlich für die Verwandlung in einen romantischen Landschaftsgarten nach englischem Vorbild war der k.u.k. Feldzeugmeister und Gartenplaner Ludwig Freiherr von Welden, dessen versteckt gelegenes Denkmal auf der Ostseite nun viel mehr Aufmerksamkeit bekommt. Welden ließ von seinen Soldaten den Schutt der Festung wegräumen, Wege anlegen und Tausende Bäume und Sträucher pflanzen.
Es entstanden Alleen, ein Wegenetz, Plateaus mit Ausblick und Pavillons. Hinter dem Denkmal stand bis zum zweiten Weltkrieg das Schweizerhaus, ein Café und Billardsalon. Das Museum überwindet damit auch die eigenen örtlichen Grenzen und weckt in den Besuchern großes Verlangen, all die Sehenswürdigkeiten selbst zu erforschen oder nachzusehen, wie sie jetzt und heute denn aussehen. Es juckt einem als Besucher förmlich in den Beinen, sich auf die Suche nach dem Platz mit der Statue des friedlichen Soldaten mit dem grünen Daumen und dem verflossenen Kaffeehaus zu machen. Im vierten Teil der Anlage bekommt die inspirierte Phantasie schlussendlich umgeben von sechs Meter dicken Mauern die nötige Orientierung. Eine Projektion fasst die Schlossberg-Geschichte in der Kasematte, dem einstigen Gefängnis, noch einmal zusammen und zeigt am gläsernen Bergmodell, wo sich die besprochenen Objekte befinden oder befunden haben.
Das Graz Museum Schlossberg ist ein wundervolles, sinnliches und sinnvolles Ganzkörpererlebnis, das bei jedem Wetter und in jeder Gesellschaft funktioniert. Hier werden nicht nur auf sehr luftige und angenehm zeitgenössische Weise Inhalte vermittelt, die nie zu anstrengend sind oder zu wenig Tiefgang haben – es macht vor allem „Lust“ auf Wissen.
Graz Museum Schlossberg, Schlossberg 5, 8010 Graz, täglich 10–18 Uhr, Tel. 0316 872 -7630, grazmuseum.at