Im Rahmen des ORF musikprotokoll im steirischen herbst erlebt am 11. Oktober 2020 die Oper POPULUS von Peter Jakober ihre Uraufführung im MUMUTH. Das Preisträgerwerk des 7. Johann-Joseph-Fux-Opernkompositionswettbewerbs des Landes Steiermark entführt in einen dystopischen Zirkus: das „Forum Populus“.
Das Publikum befindet sich im dystopischen Zirkus „Forum Populus“, einer dynamischen Kreuzung aus Manege und offenem Forum, auf dem gesprochen, gesungen und gehandelt wird. Vorgesprochenes wird vollzogen, aber vor allem gebrochen. Hier erscheinen die Ichs, formieren sich zum Wir, die ins Ich zurückbrechen – innerlich hoffend und schweigend, äußerlich schreiend und Veränderungen fordernd, um selbstbestimmt einen Wechsel nicht nur im Alltag einzuläuten. Die politischen Inhalte wachsen aus einer kompositorischen Umstrukturierung der Welt und ihrer Diskurse, die das Zusammenleben neu zu verorten und auszudrücken versucht. Die Musik bewegt sich zwischen klanglicher Entfremdung durch Vervielfältigung, akusmatischen Prozessen und der Überlagerung mehrerer scheinbar unabhängiger und doch aufeinander bezogener Klang- und Temposchichten. Das Werk hofft, vorgegebene, festgefahrene Kommunikations- und Handlungsweisen aufzulösen und neue Perspektiven zu erzeugen.
Thema Populismus
„Ich wollte zum Thema Populismus arbeiten, aber nicht mit dem Zeigefinger, das hat eh keinen Sinn. Alle, die zu dieser Oper kommen, gehören wohl eh nicht zu dieser Klientel, die offensichtlich populistische Parteien wählt. Und genau deswegen soll die Oper nicht fassbar sein, was gar nicht so leicht ist und mich ziemlich in Verzug gebracht hat“, gesteht Komponist Peter Jakober im mica-Interview mit Sylvia Wendrock. „Gesprochen werden Texte von Ferdinand Schmatz, die sich teilweise auf politische Parteiprogramme beziehen. Es soll nie fassbar sein, was da eigentlich überhaupt los ist. Ein Zirkus mit dem Populismus, mit dem Thema Volk.“ Als wesentliches Kompositionsprinzip bringt Jakober die Akusmatik ins Spiel: „Klangerzeuger und Klang werden hier nicht gleichzeitig wahrgenommen“, erklärt er. „Als Hitchcock-Fan weiß ich zum Beispiel von der Mutter in Psycho, die man nie sieht, sondern immer nur hört, dass Ursache und Wirkung voneinander getrennt werden. Das erzeugt eine Art von Entfremdung. Passend zum Thema Populismus: Die Ursache weiß man nicht mehr, aber man spürt immer noch eine Wirkung.“ Die Jury überzeugte Peter Jakobers POPULUS „durch eine klare Gesamtkonzeption und musikalisch/klanglich ausgereifte Kompositionsarbeit auf Basis eines ausgezeichneten Librettos von Ferdinand Schmatz, das eine interessante Vorlage für eine Inszenierung ist. Das Sprechende, Singende, Musizierende und Darstellende ist in diesem Werk hervorragend ausbalanciert.“
Der Librettist
Dass auch das Libretto von der Jury hervorgehoben wird, überrascht Literaturkenner nicht. Denn mit Ferdinand Schmatz konnte Jakober einen prominenten Partner für seine Musiktheaterarbeit gewinnen. Der 1953 in Niederösterreich geborene Sprachkünstler, Poesielehrende und -forscher ist ein vielfach prämierter Lyriker und Essayist, dessen Werk immer wieder nach den Schnitt- und Nahtstellen mit anderen Künsten sucht. Er hat in Tokyo, Linz und Wien unterrichtet, war Bachmannpreis-Juror und -Tutor. Seit 2012 wirkt er als Leiter des Instituts für Sprachkunst an der „Angewandten“ in Wien. In seinen dortigen Ernst-Jandl-Vorlesungen zur Poetik widmet er sich zum Beispiel der „Konzeption der Wirklichkeit in der Poesie“.
Der Komponist
Mit dem 1977 in der Steiermark geborenen Peter Jakober wurde zum ersten Mal in der Geschichte des Wettbewerbs ein heimischer Künstler ausgezeichnet. Und noch dazu einer, der auch hier gelernt hat: Jakober studierte von 1998 bis 2006 Komposition bei Georg Friedrich Haas und Gerd Kühr an der KUG. Inzwischen lebt Jakober, nach Auslandsaufenthalten in Rotterdam und Köln, derzeit in Wien. Und er kann auf eine ansehnliche internationale Karriere verweisen – mit Aufführungen im ZKM Karlsruhe, Kunstverein Köln, dem Austrian Cultural Forum New York, im Konzerthaus Berlin, bei den Klangspuren in Schwaz, beim Avantgarde Festival in Schiphorst, der Ars Nova des SWR Deutschland, bei März Musik Berlin, beim musikprotokoll im steirischen herbst, bei wien modern, dem Ultima Festival in Norwegen u. v. a. Zu den Interpreten seiner Werke zählt er u. a. das Freiburger ensemble recherche, das Klangforum Wien, das Phace Ensemble, das Arditti Quartett oder das Thürmchen Ensemble Köln. Sein Preis beim Johann-Joseph-Fux-Opernkompositionswettbewerb ist nicht die erste Auszeichnung Jakobers (u. a. erhielt er das Andrzej-Dobrowolski-Kompositionsstipendium des Landes Steiermark, den mit 12.000 Euro dotierten SKE Publicity Preis oder den Erste Bank Kompositionspreis), aber wahrscheinlich die bislang wichtigste.
Ein einzigartiger Musikpreis
Denn der Opernkompositionswettbewerb des Landes Steiermark ist auch international eine Ausnahmeerscheinung unter den Musikpreisen. Das gesamte Procedere erstreckt sich über mehrere Jahre, immerhin geht es am Ende um die Entstehung einer gänzlich neuen Opernproduktion. 44 junge Komponistinnen und Komponisten aus diversen Ländern Europas wurden für die 7. Ausgabe eingeladen, 21 davon nahmen an dem Wettbewerb teil und reichten neben kompositorischen Arbeitsproben ihre Ideen zu einem Musiktheaterwerk ein. Sechs Finalisten erhielten 2018 in der Folge die Chance, ein Konzept für einen ca. einstündigen Einakter auszuarbeiten. Verbunden mit dem Preis erging ein Kompositionsauftrag an Peter Jakober und Sehyung Kim, dessen Kurzoper Consumnia ihre Premiere bereits im Rahmen des ORF musikprotokoll 2019 feierte. Am 11. Oktober 2020 ist es dann für Peter Jakobers POPULUS so weit.
POPULUS
Musiktheater von Peter Jakober nach einem Libretto von Ferdinand Schmatz
11.10.2020, 19.30 Uhr
György-Ligeti-Saal, MUMUTH
Weitere Aufführungen: 12. & 14.10.2020
Musikalische Leitung: Klangforum Wien, Dimitrios Polisoidis
Musikalische Einstudierung: PPCM-Lehrende vom Klangforum Wien
Regie: Christoph Zauner
Ausstattung: Andrea Meschik, KUG-Studierende des Instituts für Bühnengestaltung
Video: Chris Ziegler
Instrumentalist*innen: KUG-/PPCM-Studierende
Solist*innen der KUG:
Christoph Gerhardus (Sprecher)
Camille Primeau (Sopran)
Christine Rainer (Alt)
Felix Heuser (Tenor)
Gao Yichen (Bass)
Eine Produktion der Kunstuniversität Graz in Kooperation mit dem ORF musikprotokoll
www.kug.ac.at