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Leben im Kurschatten

Das kunsthaus muerz widmet sich in einer von Studio Magic kuratierten Ausstellung dem Phänomen von Arbeit, Wohnen und Urlaub in zeitlicher und räumlicher Koexistenz.

Text: Wolfgang Pauker

Es ist ein bemerkenswertes Phänomen, welches es in einigen Regionen Österreichs gegeben zu haben scheint: das zeitliche und räumliche Nebeneinanderbestehen von wachsender industrieller Produktion, der damit einhergehenden steigenden Bevölkerungszahl sowie der Attraktivität, als Sommerfrische-Aufenthaltsort zu dienen. Insbesondere zu Beginn des 20. Jahrhunderts grenzten Arbeitsplatz, Lebensraum und Urlaubsdestination nah aneinander und überlagerten sich in vielen Bereichen des alltäglichen Lebens. Das führte aber auch zunehmend zu komplexen Interaktionen der verschiedenen Protagonisten der unterschiedlichen Lebensbereiche.

Eine Ausstellung im kunsthaus muerz, kuratiert und gestaltet von Studio Magic, geht nun den Fragen nach, was es bedeutet, in einem Ort zu leben, an dem im Sommer Gäste Teil eines sozialen Gefüges werden, oder wie jemand „wohnen“ definiert, der oder die immer wieder für längere Zeit von seinem Hauptwohnsitz entfernt verbringt. Wie gehen Arbeiter mit dem Müßiggang von Urlaubern um, und wie nehmen diese Sommerfrischler im Umkehrschluss die Geschäftigkeit um sie herum wahr? Und nicht zuletzt: Was geschieht, wenn eine dieser Komponenten wegfällt und es zu einem Bruch kommt? Für einige Orte, Städte oder Regionen, in denen eben erwähnte Überschneidungslinien verlaufen, ist eine solche Ausgangssituation auch eine Chance, sich von ihrer bisherigen Erzählung abweichend zu entwickeln. Denn die Bruchstücke, die nach dem teilweisen oder völligen Wegfall einer der beschriebenen Komponenten übrigbleiben, sind auch Räume, die wieder zur Disposition stehen und inhaltlich neu aufgeladen werden können. Begleitend vollzieht sich überdies auch eine Veränderung in der Gesellschaft, denn diese stellt sich unweigerlich auf die neuen Rahmenbedingungen ein. Die dabei auftretenden Bruchstellen könnten vielleicht Potenziale für soziale und architektonische Möglichkeitsräume aufzeigen, deren Gestaltung in den Händen der Akteurinnen und Akteure liegt, die sich ihrer annehmen. Ganz so, wie es in den 1970er Jahren der französische Soziologe Alain Touraine in seinem Buch The Post Industrial Society beschrieb: „A new type of society is now being formed.“   

Ausstellungsdauer: bis 15.11.2020, Öffnungszeiten: Do–Sa: 10–18 Uhr, So: 10–16 Uhr, Eintritt frei!

kunsthaus muerz, Wiener Straße 35, 8680 Mürzzuschlag

www.kunsthausmuerz.at