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Eine Momentaufnahme – konserviert für die Ewigkeit

Foto: HNS

Bevor Gras über die metallene Zeitkapsel wächst, in der Werke von steirischen Künstlern in den Grazer Reininghausgründen vergraben wurden, wird noch einmal an das Projekt Styrian Power erinnert. Nach Ausstellung und Vergrabung arbeitet die Steirische Kulturinitiative an einer Publikation.

Text: Wolfgang Pauker

Es war eine aufsehenerregende Aktion, initiiert von der Steirischen Kulturinitiative und dem Künstler Erwin Stefanie Posarnig, in der Positionen zeitgenössischen steirischen Kunstschaffens, ergänzt mit Sekundärliteratur und einem identitätssichernden Zeugnis des Erzeugers, in einer eigens angefertigten metallenen „Urne“ vergraben wurden. Das Projekt zeichnete nicht nur aus, eine selten vorgenommene Momentaufnahme heimischer Bildkunst getroffen zu haben, sondern auch mit der Erwartung zu spielen, ob die Werke nach langjähriger Vergrabung wieder „entdeckt“ werden (sollen). Aufgebaut hat die Idee auf Posarnigs 2017 im Klagenfurter Künstlerhaus begonnenem Ausstellungsprojekt „Styrian Power“, das der Künstler und Aktivist nun drei Jahre später in Graz zugleich verändert und erweitert hat. Diesmal hat der in Kärnten geborene Kurator und 1994 Träger des steirischen Landeskunstpreises nicht nur markante Künstlerarbeiten in einer Schau in der Tennenmälzerei (wo Open.LAB ein kulturelles und soziales Zentrum des künftigen Stadtteils Reininghausgründe entwickelt) zusammengeführt, sondern setzt seine Auswahl in weiterer Folge der Frage aus: Was wird Erinnerung daraus machen? Noch mehr: Was ist Erinnerung in der Kunst? Was ist sie wert?

Vor der „Beerdigung“ wurden die Arbeiten in einer Ausstellung in der Tennenmälzerei gezeigt

Posarnigs „Bestenliste“ ohne Wertung

Viele Menschen haben Anthologien oder erfreuen sich an Kunstkalendern mit wie auch immer zusammengestellten Werken. Manche huldigen damit ihren persönlichen Vorlieben, andere wieder sehen darin olympische Hierarchien – und halten ihr Leben lang daran fest. Wieder andere suchen rastlos nach Neuem, wildern also in den Genres, Themen oder Moden, bilden gewissermaßen bei sich selbst lebenslange Veränderung. Und leider auch Gegnerschaft. Aber Posarnig hat nicht gelost oder ein philosophisches System vorgebaut, um etwa ein vermeintlich „gerechtes Urteil“ zur Grundlage seines Projekts zu machen. Von dieser Unmöglichkeit gingen er wie auch die Steirische Kulturinitiative aus. Aber auch er folgt mehr als einem persönlichen Sympathiepegel. So wenig ein wissenschaftstheoretisches Axiom uns helfen kann bei einer absoluten künstlerischen Rangordnung (übrigens auch nicht bei Preis- oder Förderungsentscheidungen), so wenig ist Mangel an Kriterien am Werk. Um dem zu entgehen, bemüht er nicht nur seine eigene künstlerische Praxis. Viel Erfahrung, Standhaftigkeit und Wissen sind weitere Stützen. „Den Vertreterinnen und Vertretern der bildenden Kunst wurde und wird in der Steiermark selten der Rang zugemessen, den sie sich erarbeitet hatten. Deshalb ist die Idee für Styrian Power an sich schon verfolgenswert. Erst recht in Verbindung mit der Absicht, Werke samt persönlichen und künstlerischen Identitätsmerkmalen dauerhaft zu vergraben“, so Herbert Nichols-Schweiger, Geschäftsführer der Steirischen Kulturinitiative.

Posarnig suchte Kunstschaffende mit künstlerischer Eigenständigkeit, Innovationslust und sozialer Empathie. Angewiesen war er, was sonst, auf die Freiwilligkeit der von ihm angesprochenen Künstlerinnen und Künstler. Die konnten weder mit großen Honoraren gelockt noch aus welchen Gründen immer gezwungen werden. Und ohne jede vorherige Absprache sind in seiner Phalanx Künstlerinnen und Künstler, die vorher auch den programmatischen Weg der Steirischen Kulturinitiative kreuzten.

Erinnerung in gedruckter Form

Er selbst stand schon in der Mitte der 1990er Jahre mit dem mehrteiligen Projekt „Time Exchange“ am Beginn der nach der Geschäftsführung von Dr. Helga Konrad 1994 neu formierten Kulturinitiative. Später erst waren Anita Fuchs, Sabina Hörtner, Doris Jauk-Hinz, Josef Schützenhöfer, Eva Ursprung und Markus Wilfling prägnante Highlights in der Steirischen Kulturinitiative. Dazu kam 2019 Posarnigs Idee der langanhaltenden Verbergung, Begrabung. Das alles wird, umfangreich bebildert und analysiert, in einem knapp 100-seitigen Katalog dokumentiert – so viel zum Vergessen oder Erinnern.            

Buchbestellungen an: steirische@kulturinitiative.at

Die Zeitkapsel verschwindet

Die 28 im Rahmen von Styrian Power „verwahrten“ steirischen Künstler*innen bzw. Gruppen sind: Max Frey, Wolfgang Becksteiner, Christian Eisenberger, Erwin Stefanie Posarnig, Anita Fuchs, Markus Wilfling, Josef Wurm, Zweintopf, Karl Karner, G.R.A.M., Bernhard Wolf, Renate Krammer, Eva Ursprung, Doris Jauk-Hinz, Ronald Kodritsch, Michael Gumhold, Hermann Glettler, Seppo Gründler, Sabina Hörtner, Jörg Auzinger, Wolfgang Temmel, Evamaria Schaller, Elisabeth Gschiel, Markus Jeschaunig, studio ASYNCHROME, Flora N. Galowitz, Edda Strobl, Josef Schützenhöfer.