Der Grazer Concertchor feiert in diesem Jahr sein 50-jähriges Bestehen. Wir sprachen mit dessen Gründer, Chefdirigent Alois J. Hochstrasser, über das Programm der Jubiläumssaison und elementare Aufführungen der letzten Jahrzehnte.
Text: Yasmin Al-Yazdi / Stefan Zavernik
Heute ist der Grazer Concertchor aus dem steirischen Kulturbetrieb nicht mehr wegzudenken. Mit welcher Vision sind Sie vor 50 Jahren an seine Gründung herangetreten?
Zu jener Zeit war ich bereits einige Jahre in Graz künstlerisch tätig, unter anderem als Kapellmeister im Grazer Dom. Es reifte in mir damals die Idee, in Graz eine Institution ins Leben zu rufen, wie es sie in Wien mit dem Singverein der Gesellschaft der Musikfreunde oder mit dem Wiener Akademie Chor bereits gab. Mir ging es hier nicht einfach darum, einen weiteren beliebigen Chor zu gründen, sondern ich wollte große chorsinfonische Werke auf die Bühne bringen. In den ersten Jahren habe ich mit unterschiedlichen Orchestern zusammengearbeitet, wie beispielsweise mit dem Grazer Philharmonischen Orchester, dem Savaria Symphonie Orchester, dem Tonkünstlerorchester Niederösterreich, dem Grazer Symphonischen Orchester, der Philharmonia Hungarica oder auch dem Budapester Jugendsinfonie-Orchester.
Heute sind die Chor-Orchester Konzerte des Grazer Concertchors auch für ihre Internationalität bekannt.
Wo immer ich tätig war, hat es mich interessiert, über die Landesgrenzen hinaus künstlerisch zu wirken, so auch in Graz. Nach verschiedenen Bemühungen, für diese regelmäßigen Chor-Orchester Konzerte in Zusammenarbeit mit interessierten befreundeten Persönlichkeiten einen gemeinnützigen Kulturverein als Veranstalter zu gründen, war das „Jahr der Wende“ 1990. Das Jahr, in dem sich die Grenzen nach Osten und nach Süden öffneten, war für die internationalen Absichten die Gründung des „Interpannonischen Concertvereines“ als organisatorische Heimat für den Grazer Concertchor und für das neugegründete Orchester der Pannonischen Philharmonie ein geeigneter Zeitpunkt. Diese Vereinigung signalisiert die historisch verwurzelte Zusammengehörigkeit des großpannonischen Raumes und baut auf grenzüberschreitendes, zwischenmenschliches Verständnis. So hat sie sich dem kulturellen Gedankenaustausch benachbarter, unterschiedlicher Völker und Nationen in einem gemeinsamen Europa zum Ziel gesetzt.
Wie viele Konzerte veranstaltet der Interpannonische Concertverein jährlich?
Der Interpannonische Concertverein setzt sich aus mehr als 250 aktiven Mitgliedern aus Österreich, Ungarn, Kroatien und Slowenien zusammen. In dieser Konstellation bestreiten die Vereins-Ensembles gemeinsam und auch getrennt seit der Gründung bis zu 10 Konzerte pro Jahr allein in Österreich. Das gemeinsame Musizieren ermöglicht sowohl künstlerisch-kreativ als auch sozial eine intensive Symbiose unterschiedlicher Kulturen, Sprachen und Lebenseinstellungen.
2020 war aufgrund der Pandemie das erste Jahr seit der Gründung, in dem der Concertverein keine Konzerte geben konnte. Wie hat sich diese Pause für Sie angefühlt?
Furchtbar! Wir können schließlich ohne Eintrittsertrag, also ohne Publikum oder mit nur wenigen Zuhörern, so große Konzerte nicht durchführen. Von April bis in die Sommermonate und im Herbst haben wir versucht, mit ganz kleinen Gruppen zu proben, was dann im strengen Lockdown auch nicht mehr möglich war. Die Situation ist nach wie vor wahnsinnig schwierig, da wir durch die ausgefallenen Konzerte 2020 keine Einnahmen haben, aber die Miete und andere anfallenden Kosten trotzdem tragen müssen. Deshalb hoffe ich, dass wir die ab Mai geplanten Konzerte zum heurigen 50-jährigen Jubiläum durchführen und dafür ab Ende Februar wieder mit den Proben starten können und unsere Mitglieder aus Slowenien und Ungarn auch wieder einreisen und mitwirken dürfen.
Welche Konzerte werden Sie in diesem speziellen Jahr für das Publikum auf die Bühne bringen?
Zum Jubiläumsjahr haben wir im Grazer Stefaniensaal vier große Chor-Orchester Konzerte geplant. Beginnend am 9. Mai mit Joseph Haydns Die Jahreszeiten, am 23. und 24. Mai folgen die Aufführungen der Sinfonie Nr. 9 mit Te Deum von Anton Bruckner im Kunsthaus Weiz und in Graz. Am 2. November spielen wir Johannes Brahms Ein deutsches Requiem, um dann am 31. Dezember mit der 9. Sinfonie von Beethoven das Konzertjahr abzuschließen. Das sind große Werke aus unserem Repertoire der letzten Jahrzehnte. Dazu kommen wieder einige Orchesterkonzerte in Graz und in steirischen Städten.
Auch 2021 wird durch die Pandemie in seiner Planbarkeit schwierig bleiben, gibt es bereits einen Plan B, sollten Konzerte nicht wie geplant realisiert werden können?
Sollten wir nicht mit dem 9. Mai starten dürfen, dann werden wir die ersten Konzerte in den Juni oder auf Anfang Herbst verschieben und dann eine Festwoche veranstalten.
Gibt es neben den Konzerten weitere Vorhaben, um das Jubiläum zu würdigen?
Ja, da zahlreiche CD-Konzertmitschnitte in den vergangenen Jahrzehnten gemacht wurden, werden wir eine CD-Box auflegen, die einen Einblick in unser Schaffen der letzten 50 Jahre geben wird. In ihr finden Musikliebhaber an die 20 CDs, die eine Auswahl an Konzertausschnitten und ausgewählten Aufnahmen beinhalten.
Das Konzertjahr 2021 wird, wie von Ihnen angesprochen, mit Josef Haydns „Die Jahreszeiten“ eröffnet werden. Weshalb fiel die Wahl genau auf dieses Werk?
Haydn war für seine künstlerische Nachwelt ein beispielgebender Komponist, was die Elementarität und die großartige Qualität seiner Werke betrifft. Ich selbst bin ein großer Verehrer Haydns. Darüber hinaus gedenken wir auch der Uraufführung des Werkes vor 220 Jahren in Wien. Joseph Haydn war der Gründer des Streichquartetts, er hat das sinfonische Instrumentarium zu dem entwickelt, auf dessen Basis schließlich Mozart, Beethoven und Schubert und die sinfonischen Musiker der Romantik aufbauen konnten. Ich denke, nach der langen „Corona Zwangspause“, die nun hinter uns liegt, ist dieses große Werk genau das Richtige, um unsere Sängerinnen und Sänger, und die Musiker des Orchesters wieder in Gang zu bringen.
Verbindet Sie mit Anton Bruckner ein ähnlicher Hintergrund?
Die 9. Sinfonie von Anton Bruckner liegt mir sehr am Herzen, da sie die Krönung seiner sinfonischen Entwicklung darstellt. Für den vierten Satz dieser Sinfonie hatte er viele Skizzen, doch als er vor 125 Jahren verstarb, verschafften sich Unbefugte Zutritt zu seiner Wohnung im Belvedere und entwendeten eine Reihe von Skizzen, was dazu führte, dass alle späteren Bemühungen, den vierten Satz zu rekonstruieren, Machwerk blieben. Bruckner hat noch am Sterbetag bestimmt, er muss die Sinfonie wohl unvollendet lassen und er wünscht sich bei Aufführungen an Stelle des 4. Satzes sein Te Deum.
Sie blicken auf einen erstaunlichen Lebenslauf zurück: Ein Studium an der Wiener Akademie für Musik bei Hans Gillesberger und Hans Swarowsky, danach eine Ausbildung unter Sergiu Celibidache und später gründeten und leiteten Sie zahlreiche Festspiele. Treten Sie heute gleich an die Konzerte heran, wie zu Beginn Ihrer Karriere?
Mein ganzes Leben war und ist Musik und ich danke Gott für diese Möglichkeit. In dem Moment, in dem Klang zur Realität wird und ich den Chor-Orchesterklang live höre, erwacht das Bedürfnis, die Funktion der Klänge und ihre Beziehung zueinander entstehen zu lassen und zu gestalten und dem Bild nahezukommen, das hinter den Noten liegt. Darin bin ich auch sehr von meinem „Guru“ Sergiu Celibidache beeinflusst, von dem ich im inneren Hören gefestigt wurde. Das kann man nicht vorbereiten, das hört man im Moment des Geschehens in einer Probe. In jungen Jahren braucht man sehr viel Zeit, um sich diese kompositorische Komponente einzuverleiben. Im Laufe seines Lebens ist man dann ständig damit beschäftigt, kritischer und anspruchsvoller zu werden. Man möchte den Klang optimal im Moment des Geschehens umformen, noch bessere und willige Musiker und noch bessere Sänger haben. Man strebt also sein ganzes Leben einen hohen musikalischen Grenzwert an.
Sie selbst feiern in diesem Jahr Ihren 80. Geburtstag, wirken über die Maße fit und voller Tatendrang. Wie sehen Ihre weiteren Visionen aus?
Das Ziel meines Lebens ist weiterhin, eine Auswahl der großen Chor-Orchester-Werke und -Oratorien regelmäßig auf die Bühne zu bringen. In der zweitgrößten Stadt Österreichs mit einer großen musikalischen Tradition ist diese Absicht eine wünschenswerte Notwendigkeit.
interpannon.eu
Konzertvorschau Jubiläumsjahr 2021
Sonntag, 9. Mai 2021, Congress Graz, Stefaniensaal
Joseph Haydn – „Die Jahreszeiten“ für Soli, Chor, Orchester
Pfingstmontag, 24. Mai 2021, Kunsthaus Weiz
Anton Bruckner – 9. Sinfonie d-Moll „Te Deum“ für Soli, Chor, Orchester und Orgel
Dienstag, 25. Mai 2021, Congress Graz, Stefaniensaal
Anton Bruckner – 9. Sinfonie d-Moll „Te Deum“ für Soli, Chor, Orchester und Orgel
Sonntag, 30. Mai 2021, Großer Kammersaal Graz
Städtepartnerschaft Graz-Maribor Chorkonzert unter Mitwirkung von: Hugo-Wolf-Chor Maribor, Leitung: Ales Marcic, Ensamble Musica Congrazia, Leitung: Zuzana Ronck
Dienstag, 2. November 2021, Grazer Congress, Stefaniensaal
Johannes Brahms – „Ein deutsches Requiem“ für Soli, Chor und Orchester
Donnerstag, 25. November 2021, Großer Kammersaal Graz
nachgeholtes Beethoven-Konzert von 2020
Ludwig van Beethoven – „Fantasie“ für Klavier, Soli, Chor und Orchester Op. 56; „Ah, perfido“/„Per pieta, non dirmi addio“ Op. 65; Rezitativ und Arie für Sopran und Orchester; Musik zu „Die Geschöpfe des Prometheus“; Text von Peter Ustinow
Samstag, 27. November 2021, Feldbach (Kulturzentrum)
Benefizkonzert mit dem Rotary Club Feldbach
Werke von Wolfgang Amadeus Mozart und Ludwig van Beethoven
Sonntag, 28. November 2021, Deutschlandsberg (Bundesschulzentrum)
Benefizkonzert mit dem LC Deutschlandsberg
Programm wie am 27. November
Freitag, 31. Dezember 2021 Silvesterkonzert, Congress Graz, Stefaniensaal
Ludwig van Beethoven – Konzert für Klavier, Violine, Violoncello und Orchester C-Dur Op. 56; 9. Sinfonie d-Moll op. 125 mit Schillers Ode „An die Freude“ für Soli, Chor und Orchester
Ausführende Ensembles: Grazer Concertchor (seit 1971) / Pannonische Philharmonie
Musikalische Leitung: Alois J. Hochstrasser