Bunt, dynamisch und sehr spannend sind die Bilder von Guillaume Bruère, die die Frühlingsausstellung „Dead & Alive. Alte Meister.“ im Kultum gestalten. Die Werke sind das Resultat einer sehr intensiven Auseinandersetzung mit einer Epoche.
Text: Lydia Bißmann
Diesen Frühling zeigt das Kultum in der Fastenzeit die religiösen Werke von Guillaume Bruère. Es ist die erste Einzelausstellung, die diese Seite des Künstlers zeigt. Es ist aber nicht das erste Mal, dass der französische Maler, Bildhauer und Performancekünstler zu Gast im Kulturzentrum ist. 2015 fertigte er in einer öffentlichen Aktion Porträts von Flüchtlingen an, die später im Kultum, im Historischen Museum Berlin, in Brüssel und in Paris zu sehen waren. Er steuerte Beiträge zu reliqte, reloaded: Zum Erbe christlicher Bildwelten heute (2015/16) und VULGATA. 77 Zugriffe auf die Bibel (2017) bei. Für Glaube Liebe Hoffnung in Graz verbrachte er 2018 zur Anfertigung seiner Exponate vier Tage in der Mittelaltersammlung der Alten Galerie am Universalmuseum Joanneum. In dieser Zeit sind etwa 40 Arbeiten entstanden, von denen jetzt wieder drei in der Fastenausstellung gezeigt werden.
Malerei als Meditation
Religiöse Motive in der Fastenzeit sind per se nicht ungewöhnlich. Es wäre aber nicht das Kultum, das sich der Verbindung von zeitgenössischer Kunst und Kirche widmet, wenn es hier nicht einen speziellen Spin geben würde. Guillaume Bruère ist kein klassischer Maler von kirchlichen Motiven. Im streng laizistischen Frankreich aufgewachsen und erzogen, hatte er weder in Schule noch Studium Berührung zu Religion. Zur Darstellung von christlichen Motiven fand er über die Malerei. Der Künstler verbrachte viel Zeit in Museen und Galerien und ließ sich von den Alten Meistern beeinflussen, inspirieren oder besser gesagt anleiten. Bruère malte, ohne dabei richtig hinzusehen oder den Blick vom Originalbild zu lösen. Für manche Bilder brauchte er nur wenige Minuten. Seine Museumsbilder, die nicht alle religiöse Inhalte haben, werden inzwischen gerne gezeigt. Es scheint, als ob die alten Meister, Giorgione, Piero della Francesca, Dürer, El Greco, Caravaggio oder Rembrandt ihm das Malen neu beibringen würden. Der Akt selbst verlangt höchste Konzentration und auch körperlich viel von ihm ab. Als ihn der damalige und auch jetzige Kurator Johannes Rauchenberger vor drei Jahren in der Alten Galerie besuchte, schien es ihm sogar, als ob die hunderten Jahre, die Guillaume Bruère von seinen Vorbildern trennen, gar nicht mehr existieren würden. So intensiv war der Malprozess.
Reise ohne Gepäck
Der Künstler channelt quasi den Geist der mittelalterlichen Malphilosophie und bringt ihn so in die Gegenwart und in ein zeitgenössisches Gewand. Er verleiht den wohlbekannten Szenen und oft gesehenen Motiven einen neuen, modernen Auftritt, verliert dabei aber nie deren Charakter. Caravaggios und El Grecos Lichtzaubereien sind genauso zu spüren wie Dürers Kompositionswunder. Es war vor allem die Beschäftigung mit dem Mittelalter, die Bruère zum Malen religiöser Bilder brachte. Die Epoche faszinierte ihn und da hier eben sehr viele religiöse Motive gemalt wurden, fand auch der als Atheist erzogene Gefallen daran. „Ich konnte mich mit religiösen Motiven eigentlich unvoreingenommen auseinandersetzen. Mir ging es zunächst verstärkt um die Epoche, dadurch konnte ich mit diesen Motiven etwas anfangen, ich hatte einfach keine Scheu, weil ich sie ja nicht kannte.“
The Circle of Life
Genau diese Unbefangenheit macht den Zauber seiner Bilder aus. Er hat keine Berührungsangst, muss sich nicht vor der Verletzung von Tabus fürchten und kann so viel mehr Essenz transportieren. Bei einer Kreuzigungsszene deutete er eine nackte Marienfigur an, was mehr für Nähe und Verletzlichkeit sorgt als für Provokation. Er muss sich nicht auflehnen, er will nicht aufbegehren – seine Bilder sind frei von Ironie und Doppelbotschaften. Er spielt sich mit Motiven, Farben und Materialien, verwendet Jeansstoff und Neonfarben und schaffte es, immer das zu transportieren, was der Ursprungsgedanke der sakralen Kunst war: der Transport von menschlichen Gefühlen – von Hoffnung, Verzweiflung, Vergebung oder Mut. Manche der alten Meister waren sehr religiös, andere, wie etwa Caravaggio, nahmen es mit den Regeln des Zusammenlebens nicht ganz so genau. Allen gemeinsam ist aber die Auftraggeberin Kirche, die für Aufträge sorgte, aber auch die Motive vorgab. Bruère hat sich freiwillig für seine Zyklen mit religiösen Motiven entschieden und entdeckte damit auch seine eigene Spiritualität. „Ich getraue mich eigentlich zu sagen, dass ich es der Malerei verdanke, dass ich begonnen habe, die Frage nach Gott überhaupt stellen zu können. Malerei, so betrachtet, verstehe ich für mich auch als Werkzeug, ohne das ich auch spirituell verloren wäre.“
Es ist ein sehr schöner Bogen, der sich nicht nur durch die Fastenausstellung, sondern auch eine Klammer zwischen dem Mittelalter und der Gegenwart spannt. Guillaume Bruères Bilder berühren, sie verleihen beim Betrachten der gewohnten Szenen aber auch viel Sicherheit. Das befreit die Sinne und öffnet die Herzen – für religiöse Themen aber auch für moderne Kunst.
Guillaume Bruère: DEAD & ALIVE. Alte Meister.
Zu sehen bis 8.5.2021
Di–Sa, 11–17 Uhr, So, 15–18 Uhr
KULTUM Galerie, Mariahilferplatz 3/1, 8020 Graz
tickets@kultum.at, +43 316 711 133