Erstmals seit ihrer Gründung verließ die kleinste Galerie der Stadt im März ihr Nest und präsentierte in einer Gruppenausstellung im Forum Stadtpark alle Beiträge eines Jahres.
Text: Lydia Bißmann
Vom Kultur-Lockdown fast völlig unberührt blieb the smallest gallery am Grieskai. Hier muss man keinen Eintritt bezahlen, hier können die Besucher sicher im Freien verweilen und sich ansehen, was die junge Kunstszene in Graz und Österreich zu bieten hat. Möglich ist das auch während des Anstehens im Selbstbedienungscafé gleich daneben. the smallest gallery ist nicht nur für Rollstühle, Gehhilfen und Kinderwägen bequem erreichbar – sie serviert auch Kunst für jene, die gar nicht absichtlich in eine Ausstellung gehen wollten. Barrierefreiheit auf mehreren Ebenen.
Zurück zum Ursprung
Der Minimalismus bezieht sich hier aber nur auf die zwei mal drei Meter Ausstellungsfläche. Dahinter steckt ein aktives Netzwerk von jungen Grazer Kunstschaffenden und vor allem viel Denkarbeit. Eine Arbeit, die durch die Übernahme 2019 auch einen neuen Spin bekommen hat. Ins Leben gerufen hat die Schaufenstergalerie der Netzwerk-Tausendsassa und Kommunikationsprofi Milo Tesselaar. 2003 startete er mit dem Ausstellen von Fotokunst, die alle sechs Wochen bis drei Monate wechselte. Finanziert wird die Galerie seit Beginn durch Förderungen von Stadt, Land und Tribeka. Nach einem Ausflug in die bildende Kunst wurde mit dem Kuratorenwechsel 2019 der Fokus wieder auf die Fotografie gelegt. In den letzten 18 Jahren hat sich vieles geändert. Im Viertel und auch sonst. Galerien und Kultureinrichtungen wie das Kunsthaus, die Camera Austria oder das Joanneumsviertel sind nur wenige Gehminuten von der Microgalerie entfernt. Schicke Cafés, Restaurants und Bars siedelten sich an. Smartphones machten Fotos zum extremen Massenprodukt, erschlossen aber auch viele neue Möglichkeiten der Präsentation, wie auf dem sorgfältig gestalteten Instagram-Profil der Galerie zu sehen ist. Mit dem neuen Team werden die Bilder auch öfter als zuvor getauscht. Jeden ersten Montag im Monat wird nun seit April 2019 ein neues Werk präsentiert – zehn über das ganze Jahr. Wichtig ist dabei der Leitung der smallest gallery vor allem, dass mehr Künstlerinnen und Künstler zum Zug kommen und dabei eine größere Vielfalt und Bandbreite in der Galerie abgebildet wird. Das Team besteht aus Theresa Lipp, Michael Zahnschirm, Miriam Raneburger und Katharina Sieghartsleitner. Theresa Lipp und Michael Zahnschirm absolvierten die HTBLVA Ortweinschule Graz, Fotografie und Multimedia Arts, und sind als das Duo LippZahnschirm aktiv. Miriam Raneburger hat die Meisterschule für Fotografie und audiovisuelle Medien an der Grafischen in Wien abgeschlossen. Katharina Sieghartsleitner studiert in Wien an der Akademie der bildenden Künste in der Klasse von Dorit Margreiter.
Verdichtung von Zusammenarbeit
2020 hat sich das Konzept der Dominio-Fotografie – jedes neue Bild soll auf das vorher gezeigte referieren – zu einem öffentlichen Call entwickelt. Ein gemeinsam angefertigtes Bild gibt dafür den visuellen und emotionalen Impuls für alle. Aus den eingesendeten Arbeiten werden dann die künftigen Exponate für das ganze Jahr ausgesucht. Die thematische Klammer macht die Auswahl schon logistisch einfacher. Eine Aufgabe, die alles andere als leicht ist – viel Diskussion, Entscheidungsfreude und Demokratie verlangt. Eben miteinander arbeiten und gemeinsam denken. Seit genau zehn Jahren ist the smallest gallery auch collaboration space – ein Aspekt, der durch ein erweitertes Konzept beflügelt wurde. In Form einer Gruppenausstellung werden jährlich alle zehn extra für die smallest gallery aufgenommenen und aufwendig produzierten Werke gemeinsam im Forum Stadtpark gezeigt. Begleitet werden sie dabei von Arbeiten der Lyrik-Formation „mischen – Zeitschrift und Verein für Literatur”. Jedes einzelne Foto bekam ein eigenes Gedicht geschrieben. Die Texte selbst wurden auf die Glaswände des Forums platziert. Poesie und Fotografie begegneten sich hier in einer sehr sinnlichen Form. Im wunderschön gestalteten Begleitheft finden sich aber auch Textbeiträge der Künstlerinnen und Künstler selbst wieder. Wegen Corona musste die Premiere der jährlichen Gruppenausstellung verschoben werden, weshalb sie leider auch nur für drei Tage zu sehen war. Die große Krise hat auch sonst ihre Spuren hinterlassen. Der Zwang zum Rückzug im Lockdown schenkte mehr Zeit zum Reflektieren und Schreiben. Auch am Ausgangsbild für den Call 2021 ist die Corona-Krise abzulesen. 2020 ist am Aufrufbild eine stilisierte Landschaft aus Plastik zu sehen. Wenn man so will eine Referenz auf die Öko- und Klimakrise, die damals den Diskurs dominierte. Ein Jahr später haben sich die vier für eine sehr intime Szene mit viel Haut entschieden. Begriffe, die seit wenigen Monaten völlig neu gedacht werden müssen.
Am 8. März wurde das neue Ausstellungsjahr 2021 mit einem Bild von Leyla Dehring begonnen. Zwei Fotografien, angefertigt von einer weiblichen Künstlerin zum Thema Körper, ist gleichzeitig ein Beitrag zum Bündnis 0803, das Aktivitäten rund um den internationalen Frauentag in der Steiermark vernetzt, unterstützt und bewirbt.
the smallest gallery – Ort für Fotografie
Grieskai 2, 8020 Graz
Ausstellungen: 5. April, 3. Mai, 7. Juni. 5. Juli, 2. August, 6. September, 4. Oktober, 1. November, 6. Dezember
Eintritt frei, 0–24 Uhr