Das Skulpturenhaus der Bildhauerin Hortensia in Bad Gams bietet nicht nur eine sehr sinnliche und intime Art, ihre Kunst zu erleben – es ist auch eine Auffrischung im Sehen und Wahrnehmen von Form und Raum.
Text: Lydia Bißmann
Die Bildhauerin Hortensia hat in Deutschlandsberg ihre Spuren hinterlassen. Ihre Figuren stehen vor und bald auch im Rathaus, eine Venus-Karyatide ziert die Burg Deutschlandsberg. Bis 2012 unterhielt sie eine Schule für Aktzeichnen in Bad Gams, wo sie seit etwa sechs Jahren eine permanente Ausstellungsstätte für ihr Werk etabliert hat: das „Skulpturenhaus Hortensia“ wurde 2015 vom damaligen Landtagspräsidenten Franz Majcen („Hortensia gehört für mich zu den ganz großen Bildhauern der Gegenwart in Österreich“) in Bad Gams eröffnet. In diesem liebevoll renovierten ehemaligen Winzerhaus und im Gelände herum gibt sie einen umfassenden Eindruck über ihr figürliches Werk und ihre Zeichnungen, ein Ort nur für die Kunst. Angrenzend ein lichtdurchflutetes Atelier zum Zeichnen und Entwerfen. Getrennt davon, in einer kleinen Werksscheune, entstehen ihre Plastiken: Hier kann sie ungestört arbeiten. Die drei Ebenen im Skulpturenhaus zeigen Werke aus ganz früher Zeit bis hin zu den neuen Arbeiten und bieten Blickpunkte von verschiedenen Seiten, von oben und unten.
Die Poesie der Statik
Hortensia ist Einzelgängerin und schwer in den heutigen Kunstbetrieb einzuordnen. Sie studierte bei Josef Pillhofer in Graz und danach bei Fritz Wotruba an der Akademie der bildenden Künste in Wien und ist seit Mitte der 70er-Jahre als selbstständige Bildhauerin und Zeichnerin tätig. Sie setzt einen vitalen Neubeginn der Übersetzung der menschlichen Figur in die Plastik: Die Individualität der Figur tritt in den Hintergrund, Konzentration liegt auf ihrer inneren Kraft und einer maximalen Verdichtung der Form: „Form ist die Kraft in der Kunst, Figur ihr Ausdruck“, ist ein wichtiger Leitsatz von Hortensia. Damit ist jede Skulptur von Hortensia ein schöpferisches Ereignis: Je länger der Blick des Betrachters sich in eine Skulptur vertieft, desto mehr fließt aus dem plastischen Zentrum dieser Figur an energetischer Substanz zum Betrachter zurück. „Jedes meiner Werke ist ein eigenständiges Resultat meiner intensiven Auseinandersetzung mit dem Werk und all meiner künstlerischen Erfahrungen“, so Hortensia. Ihre Werke stehen in der Tradition der Moderne, einer neuen realistischen Sehweise. Es sind Linien, Punkte, Bewegung und Rhythmus, durch deren bewusste Setzung die Qualität der Skulptur letztlich entschieden wird. Der Grazer Kunsthistoriker Werner Fenz geht sogar so weit, dass er ihr wichtige abstrakte Momente in ihren Figuren zuschreibt. „Momente der Umsetzung, Momente der Beobachtung und der Gestaltung dieser Beobachtung sind Schritte der Abstraktion“, betonte er in seiner Eröffnungsrede zu einer Ausstellung 2002 im Feuerwehrmuseum Groß-St. Florian. Hortensia arbeitet zielgerichtet, strukturiert und überlegt. Der Aufbau der stehenden Figur, ihr Schwerpunkt und ihre Bewegung müssen klar ablesbar und lebendig sein. Dreidimensionales Sehen und Denken und nicht zuletzt Bilden funktioniert nach bestimmten Gesetzen. Zusammengefasst hat sie einige davon in ihrem eigenen Winkelalphabet, das aus 24 Kombinationen von senkrechten, waagrechten und schrägen Linien gebildet wird. Was streng klingt und bei Gravitation und Statik auch so praktiziert wird, ist aber trotzdem poetisch und sinnlich. Für diesen Prozess steht etwa die Große Form Daria. Die weibliche Figur lebt von den reduzierten, kristallinen Formen. Dominant in Bronze im Freien aufgestellt, genügt sie sich selbst. Sie ist frei von allen gedanklichen und inhaltlichen Resten, von Raum und Zeit, aller Verpflichtungen entledigt, mit Ausnahme der Gesetzlichkeit der Form: eine Weltsprache der Kunst! Gleich daneben steht ein weiteres Hauptwerk von Hortensia: der Bronzeguss Hommage à Courbet. Das Original aus rumänischem Kalkstein steht am Rathausplatz von Deutschlandsberg und zeigt die Muse der Wahrheit aus Gustav Courbets Ölgemälde Das Atelier des Künstlers (1885). Hortensia löste diese Figur aus der Fläche und übersetzte sie monumental in die dritte Dimension.
Charakterköpfe im Spannungsfeld
Einen weiteren Anziehungspunkt des Skulpturenhauses bildet die in einem eigenen Raum gezeigte neunteilige Gruppe von Köpfen: Hortensias Kopf-Raum-Gruppe entstand zwischen 2009 und 2013. Die einzelnen Exponate – Hortensia nennt sie „beseelte Urbilder“ – tragen Namen wie Der Philosoph, Der steirische Don Quijote, Der Schalk, Die Gütige oder Die Tugendhafte. Ihre interessante Gruppierung mit verschiedenen Ebenen und Diagonalen bestimmt den Raum, dadurch entsteht Lebendigkeit und ein „Zueinander“ – als könnten sie sprechen.
Skulpturenhaus Hortensia
Müllegg 15, 8524 Bad Gams
Geöffnet nach Voranmeldung, Tel. 0650 505 45 50
skulpturenhaus.at