Für ihre traurige Liebesgeschichte NESSUN DORMA lassen die Regisseurin Elsa-Sophie Jach, Creative Technologist Markus Schubert und Thea Hoffmann-Axthelm zwei Roboter tanzen, flirten, lieben, leiden und die Bühne verwüsten. Mit Letzteren hat „Achtzig“ ein Interview geführt. Die erfolgreiche Bühnenbildnerin gibt Einblicke in den interdisziplinären Schaffensprozess und erklärt, warum die Geschichte mit Robotern über Roboter eine Geschichte über das Menschsein und den Umgang mit KI ist.
Text: Natalie Resch
Der Stoff, aus dem Dramen sind: unerreichbare Liebe, Leiden. In NESSUN DORMA steht die Liebe als urmenschliche Emotion und Motiv aller großen Erzählungen im Mittelpunkt. Wie kam es dazu?
Die Regisseurin Elsa-Sophie Jach und ich hatten Lust, ein Projekt zu machen, bei dem belebte Maschinen im Mittelpunkt stehen, weil uns aufgefallen ist, dass diese Objekte immer mehr Teil unseres Alltages werden. Will man sie aber in einer klassischen Theaterproduktion einbauen, fehlt oft das Know-how, die Geduld und schlicht die Zeit, sich wirklich damit zu beschäftigen und sie als gleichberechtigte Figuren einzusetzen. Auf der anderen Seite soll es ein Stück mit Robotern über Roboter, aber für Menschen sein, die Lust haben, sich mit den Möglichkeiten auseinanderzusetzen, die Maschinen uns bieten, um über das Menschsein nachzudenken. Da lag es nahe, das menschlichste Thema, das es gibt, aufzugreifen, und zwar Mithilfe der Gattung der Arie, die ja auch in der Oper die Funktion hat, die Handlung zu unterbrechen und der Emotion Raum zu geben und sie so in den Mittelpunkt stellt.
Inwieweit soll NESSUN DORMA mit einer Oper verglichen werden? Ist es „nur“ die Entlehnung von Puccinis Arie aus „Turandot“ oder geht es um das Hervorheben des dramatischen Elements der leidenden Liebe, die auf den ersten Blick im Widerspruch zur KI steht?
Genau um diesen scheinbaren Widerspruch geht es uns: Auch wenn wir unsere Geschichte mit Robotern erzählen, geht es immer um die Menschen, um Geschichten und was sie mit uns machen. Andererseits kann man unser Projekt wirklich nicht mit einer echten Oper vergleichen, da fehlt uns schlicht das Budget und vielleicht auch die Virtuosität, um mithalten zu können.
„NESSUN DORMA ist ein musikalischer Liebesdiskurs (…), der den zukünftigen Umgang der Menschen mit KI thematisiert und dabei das Theater als Experimentierfeld nutzt“. Was kann Kunst, was Wissenschaft und Technologie nicht kann – und umgekehrt?
Die Kunst-Ebene hilft uns dabei, aus den Maschinen Figuren zu machen. In der Wissenschaft kommt man mit solchen Behauptungen nicht so weit. Theater wiederum basiert auf der Behauptung, dass Schauspielende eine Bühnenfigur erfinden, die üblicherweise nicht ident mit ihnen ist, um uns wortwörtlich etwas vorzuführen. Wissenschaft und Technologie sind andererseits Felder, die unser zukünftiges Zusammenleben stark beeinflussen werden, und sie mithilfe von Maschinen und KI spielerisch und angstfrei zu untersuchen, scheint uns ein sinnvolles Vehikel zu sein, um Widersprüche, Vorurteile und eben Ängste zu überwinden und Verbindungen zu suchen, die sich möglicherweise weiter ausbauen lassen.
Sie bezeichnen NESSUN DORMA als emotionsphilosophisches Nachdenken. Meinen Sie damit die uralte Frage, wem oder was Gefühle (Emotionen) zugesprochen werden? (Stichwort: Natur, Tier, KI)
Ja, genau, diese Frage wird ja auch am Theater immer wieder gestellt: Wer erlebt da etwas stellvertretend für wen? Wie kommt es, dass Geschichten uns berühren, die jemand anderer durchlebt, mit einem offensichtlich auswendig gelernten Text, dessen Ende wir meistens sogar schon kennen? Gewissermaßen überhöhen wir diese Fragen, indem wir humorvoll behaupten, den Maschinen dasselbe zuzutrauen wie Schauspielenden.
Sie formen mit Elsa-Sophie Jach und Markus Schubert das Kernteam. Ist es Ihre erste gemeinsame Arbeit?
Mit Markus Schubert habe ich schon seit 2014 in immersiven Projekten gemeinsam mit dem Regie-Kollektiv Prinzip Gonzo zusammengearbeitet, bei denen die Zuschauenden in Theater-Games in eine Handlung hineingezogen werden und diese auch mitgestalten. Hierfür hat er die technische Infrastruktur und Apps gebaut. Ich habe schätzen gelernt, einen kreativen Techniker im Team zu haben. Elsa und ich sind befreundet und arbeiten für dieses Projekt zum ersten Mal zusammen, eine wahre Freude!
Das Kernteam wird um die KI-Experten und Musiker Antoine Daurat und Robert Fausti, Creative Engineer Sebastian Arnd und den Physiker Robert Bücker ergänzt. Wie verlief die Rollenverteilung dieser ungewöhnlichen Zusammensetzung?
Bei solch „neuen“ Formaten muss man sich auf die Suche nach einem Team begeben, mit dem sie umsetzbar sind, da gibt es noch kein Rezept. Wir hatten uns vorgenommen, die Musik von einer KI-Engine generieren zu lassen, also brauchten wir Musiker, die wissen, was der aktuelle Stand der Forschung ist, wo die Grenzen des technisch Machbaren sind und wie man aus den computergenerierten Sounds brauchbare Musik macht. Gleichzeitig sollten sie firm im traditionellen Feld der Oper sein: Was macht diese Musik aus? Da sind wir bei Antoine und Robert fündig geworden, die mit ihrer Expertise und ihrem dramaturgischen Denken das Projekt stark vorangebracht haben. Sebastian kam hinzu, weil wir für den Bau des Putzroboters jemanden gebraucht haben, der sich noch stärker mit der experimentellen Hardware unseres Projekts auskennt. Er hat Elektrotechnik studiert und vorher Rennautos gebaut. Robert versteht als kunstbegeisterter Wissenschaftler beide Seiten, das Theater und die Hardware- und Codingprobleme, und übersetzt zwischen den zwei Welten. Mit seiner Erfahrung als Experimentalforscher half er dabei, die verschiedenen Komponenten dieser Arbeit miteinander zu verknüpfen.
Sie sind erfolgreiche Kostüm- und Bühnenbildnerin und haben unter anderem am Schauspielhaus Graz gearbeitet. Wie haben Sie die Grazer Kulturszene wahrgenommen?
Ich war in den letzten zehn Jahren an vier Stücken als Bühnenbildnerin am Schauspielhaus beteiligt – und konnte dank des sehr kreativen Technischen Leiters dort immer technisch aufwendige und für mich sehr beglückende Projekte umsetzen! Graz ist eine für seine Größe unheimlich lebendige Kulturstadt, und eine vielfältige und stolze Kultur gehört hier zum Selbstverständnis.
NESSUN DORMA
Ausstellungseröffnung und Performance: 5.8.2021, 20 Uhr, Forum Stadtpark, Eintritt frei
Ausstellungsdauer: 6.–12.8.2021
„Hacking Hour“: täglich 17–18 Uhr, Interessierte können mit den kreativen Technikern ihre eigenen Ideen
besprechen und vor Ort an den Maschinen ausprobieren.