Zu einem Gespräch über das kommende ARSONORE Musikfest vom 8. bis 12. September 2021 traf Harald Haslmayr, Professor an der Kunstuniversität Graz, dessen künstlerischen Leiter Markus Schirmer.
Haslmayr: Das heurige Festivalmotto lautet „Rebellion & Revolution“. Zum allerersten Mal in der Menschheitsgeschichte taucht das Wort „Revolution“ als Titel der so epochalen wie weltverändernden Schrift „De revolutionibus orbium coelestium“ von Nikolaus Kopernikus (1543) auf – übersetzt: „Über die Umlaufbahnen der Himmelssphären“. Kein passenderer Ort als der Planetensaal im Schloss Eggenberg ließe sich also für dieses „Revolutionsfestival“ denken!
Schirmer: Natürlich! Wir sind glücklich, nun schon zum sechsten Mal in diesem prachtvollen Ambiente unser Festival veranstalten zu können, das ja nicht nur durch das heurige Motto mit Revolutionen verbunden ist, sondern gerade in seiner Grundkonzeption seit jeher einen gewissermaßen revolutionären Ansatz verfolgt. Damit meine ich etwas, das wir in der österreichischen Festspiellandschaft sonst nicht finden, nämlich die Zusammenführung preisgekrönter junger Künstlerinnen und Künstler mit bereits arrivierten „Stars“. Dies ist nur durch die enge Kooperation mit der Kunstuniversität hier in Graz möglich, und dieser Ansatz wird vom Publikum begeistert angenommen. So werden am 10. September alle Ausführenden im Konzert „Sei frech, wild und wunderbar. Die ARSONORE Stars von morgen“ junge Ausnahmetalente sein, und es freut mich besonders, dass wir unsere gemeinsame Schulkameradin vom Akademischen Gymnasium, Aglaia Szyszkowitz, gewinnen konnten, aus Pippi Langstrumpf zu lesen. Oder denken wir an meinen, nunmehr freilich erwachsen gewordenen Schüler Philipp Scheucher, der die spektakuläre Franz-Liszt-Klavierfassung von Ludwig van Beethovens Eroica interpretieren wird.
Hatten die ersten Ausgaben von ARSONORE die musikalischen Schwebstoffe einzelner Regionen zum Thema – ich erinnere mich an Frankreich, Russland, Österreich und die Magie des „Südens“ –, gibt es heuer wieder einen inhaltlich-ästhetischen Fokus, nämlich die revolutionären Elemente in der Musik.
Eine große Rolle bei der jeweiligen Themenfindung spielt der stetige Dialog von uns Musikern untereinander, da kommen sehr viele spannende Vorschläge, die ich dann quasi nur noch zu „bündeln“ brauche. Aber selbstverständlich hat dieses Thema mit der aktuellen pandemischen Lage auf unserer Erde zu tun, denn wer von uns wäre nicht revolutionär und rebellisch eingestellt angesichts dessen, was wir gerade erleben müssen. Darüber hinaus gibt es aber auch über die Jahre hinweg auffällige Verbindungen zwischen den einzelnen Festivals, ich erinnere etwa an das Sextett des Teenagers Felix Mendelssohn im Vorjahr, das ja wirklich einen revolutionären Wurf darstellt. Und auch heuer wird es einen direkten Vorgeschmack auf die inhaltliche Ausrichtung von ARSONORE 2022 geben!
Die da wäre?
Wird noch nicht verraten … Interessant finde ich in diesem Zusammenhang übrigens, dass ja nicht alle rebellische Energie in eine offene Revolution münden muss, sondern sich in eine innere Rebellion verwandeln kann. Das zeigt sich etwa besonders ergreifend am elegischen Thema aus Schindlers Liste von John Williams, das wir deshalb bewusst am Eröffnungsabend platziert haben.
Das erinnert mich an das 2006 erschienene Buch „Zorn und Zeit“ von Peter Sloterdijk, in dem er analysiert, dass Revolutionen nur dann gelingen können bzw. gelungen sind, wenn es eine Art synchronisierendes Management von Wut, Zorn, Protest und Rebellion einzelner Gruppen gibt. Gelingt es nicht, diese Affekte gleichzuschalten und auf eine gemeinsame Schiene zu bringen, gibt es eben keine Revolution, sondern so eine Art kollektive „Implosion“.
Ganz genau, ja, auf dem Hintergrund dieser Matrix lässt sich etwa die Entstehung des Tango erzählen, den wir mit ins Zentrum des vorletzten Abends stellen: Durch das jähe Abblasen der versprochenen Landreform in Argentinien um 1920 saßen die emigrierten, arbeitslosen Europäer in Buenos Aires fest und schufen sich mit dem Tango ein emotionales Ventil für ihren hoffnungslosen Frust fern der Heimat, da sie als Randgruppe natürlich politisch völlig einflusslos blieben. Das wollen wir mit den oft so maliziösen Abgründen der österreichischen Seele konfrontieren – hierzulande gab es ja im Lauf der Geschichte höchstens eine halbe Revolution und nicht vier „erfolgreiche“ wie etwa in Frankreich.
Und das Finale im Opernhaus?
Seit jeher bin ich ein großer Fan von „Black Music“ und möchte deshalb an diesem Abend einen Querschnitt durch die Geschichte der afro-amerikanischen Musik präsentieren. Überflüssig zu betonen, welchen politischen Charakter ein solches Programm nicht nur seit der Inauguration von Joe Biden und den sich daran anschließenden Debatten um „schwarze“ Identität heutzutage notwendig annehmen muss. Aus der Schar höchstkarätiger Mitwirkender möchte ich stellvertretend nur unseren KUG-Posaunenkollegen Luis Bonilla mit dem eigens gegründeten fulminanten „ARSONORE SPIRIT ORCHESTRA“, Joseph Bowie, einen der schillerndsten Funk-Musiker weltweit, sowie den durch Starmania 21 jüngst zum Publikumsliebling avancierten Fred Owusu (er ist ja gebürtiger Grazer!) erwähnen. Das wird ein berührender und großartiger Abend!
ARSONORE 2021
Mittwoch, 8. September 2021, 19.30 Uhr, Schloss Eggenberg, Planetensaal
„Aufbruch zur Freiheit“
Das ARSONORE Opening 2021
Donnerstag, 9. September 2021, 19.30 Uhr, Schloss Eggenberg, Planetensaal
„Eroica“
Von Helden und Grenzgängern
Freitag, 10. September 2021
Schloss Eggenberg, Planetensaal
11 Uhr: „Mit dem g’scheiten Professor durch die Wunderwelt der Musik“
Öffentliche Probe für Familien
19.30 Uhr: „Sei frech, wild und wunderbar“ Die ARSONORE Stars von morgen
Samstag, 11. September 2021, 19.30 Uhr, Schloss Eggenberg, Planetensaal
„Viva la revolución“
Ein musikalisch-literarisches Feuerwerk
Sonntag, 12. September 2021, 19 Uhr, Oper Graz
Abendkonzert „Black arts matter“
Das glühende ARSONORE (Mani-)Fest zum Ausklang
Informationen & Ticketvorverkauf: Tel. 0316 269 749, ticket@arsonore.at