Johann Baumgartner hat als Kulturreferent des Steiermarkhofs die hauseigene Hofgalerie als eigenständige Kulturinstitution etabliert. Im Interview spricht er über den Stellenwert der Hofgalerie, das Verhältnis zu öffentlichen Museen und über die Idee einer Stadtgalerie für Graz.
Text: Stefan Zavernik
Die Hofgalerie feiert ihr 50-jähriges Bestehen. Neben der Freude über das Jubiläum – welche Bedeutung hat dieser runde Geburtstag letzten Endes für Ihre Institution?
Ich denke, es geht hier um Vertrauen. Das Jubiläum bringt zum Ausdruck, dass wir mit der Hofgalerie in den letzten 50 Jahren eine verlässliche Institution etablieren konnten. Künstlerinnen und Künstler können schon seit vielen, vielen Jahren darauf vertrauen, dass Ausstellungen und Konzerte von uns professionell organisiert werden. Und unsere Besucher können darauf vertrauen, dass sie qualitativ hochwertig Kunst erleben, wenn sie unser Haus besuchen.
Sie leiten die Hofgalerie seit mittlerweile 18 Jahren – war es für Sie am Beginn Ihrer Tätigkeit bereits absehbar, was aus dieser Institution einmal werden würde?
Dass wir einmal mehr sein würden als ein engagiertes Format in einem Bildungshaus, war absolut nicht absehbar. Meine Vorgänger hatten zwar schon viele Ausstellungen und Konzerte umgesetzt, aber wir waren weit davon entfernt, als eine eigenständige Kunsteinrichtung wahrgenommen zu werden.
Was haben Sie damals verändert, um die Hofgalerie weiterzuentwickeln?
Als ich die Hofgalerie als zuständiger Kulturreferent vor 18 Jahren übernommen habe, habe ich zwei Dinge verfolgt. Wir haben seither eine lückenlose Dokumentation über das gesamte Ausstellungsgeschehen im Haus betrieben und damit unsere Arbeit als Kulturbetrieb weiter professionalisiert. Und wir haben mit unserem Programm gezielt einen „steirischen Mischsatz“ umgesetzt, der prominente Künstler ebenso zeigt wie junge Künstler.
Welchen Stellenwert in der steirischen Kulturszene schreiben Sie der Hofgalerie heute zu?
Ich hoffe, dass die Hofgalerie in ihrer jetzigen Form eine Art von Nahtstelle ist, die den urbanen mit dem ländlichen Raum verbinden kann. Für steirische Gegenwartskünstler ist die Hofgalerie allem Anschein nach zu einem attraktiven Ort geworden, um auszustellen. Ich sehe das auch an der Vielzahl an Anfragen, die wir Jahr für Jahr bekommen. Mittlerweile bekommen wir auch viele Anfragen aus dem Ausland. Nach unserer aktuell laufenden Ausstellung mit Herbert Soltys werden wir die Grazer Künstlerbünde zu Gast im Haus haben, die im ehemaligen Künstlerhaus keine Ausstellungsmöglichkeit mehr erhalten. Vor 20 Jahren hätten die Künstlerbünde wohl kaum Interesse gezeigt, hier auszustellen, heute ist das anderes. Der Standort hat sich sehr gut entwickelt und wir bieten neben der großen Hofgalerie auch noch die Tiefgalerie für junge Talente in Kooperation mit der Ortweinschule. Sowie die Hochgalerie, die für Personalen gut geeignet ist.
Neben unzähligen Künstlern aus Graz und der Steiermark wurden in den letzten Jahren auch viele Ausstellungen mit österreichweit bedeutenden Künstlern realisiert. Zum Beispiel mit Hermann Nitsch, Günter Brus oder Christian Ludwig Attersee. Wie schwierig war es, so große Namen für Ausstellungen zu gewinnen?
Mit Christian Ludwig Attersee hatten wir zu seinem 75. Geburtstag eine große Ausstellung, mit Günter Brus zu seinem 80er, Giselbert Hoke oder Günter Waldorf hatten ihre letzte große Ausstellung, das waren schon besondere Momente. Ich denke, das Fundament, um so große Namen wie diese für Ausstellungen zu gewinnen, haben wir zum einen mit unserer kontinuierlichen Kulturarbeit gelegt. Und zum anderen ist die Hofgalerie am Ende des Tages ein sehr spezielles Format, es erreicht ein viel breiteres Publikum als ein klassisches Museum.
Steht die Hofgalerie in Konkurrenz mit klassischen Museen? Macht sie Dinge besser?
Die Hofgalerie ist mittlerweile zu einer anerkannten Marke geworden. Es ist aber nicht meine Absicht, diese als „die beste Galerie von Graz“ zu etablieren. Ich habe auch nicht vor zu sagen: „Wir sind besser als ein öffentliches Museum.“ Das wäre völlig an unserem eigentlichen Auftrag vorbeifantasiert. Unser klarer Auftrag ist es, einen niederschwelligen Zugang zu hochkarätiger Kunst zu bieten – vor allem jenen Menschen, die im Steiermarkhof eine Weiterbildung besuchen. Das sind über 70.000 Menschen pro Jahr. Und der zweite Auftrag ist, unabhängig von der sozialen Stellung Kunst und Kultur zu ermöglichen.
Dennoch kommen auch sehr viele Interessierte extra wegen des Kulturangebots. Wie geht das?
Rund 7.000 Menschen besuchen unsere Ausstellungseröffnungen im Jahr. Eigentlich ist das komplett unlogisch, wenn man es sich genauer überlegt, denn wir haben alles andere als einen perfekten Standort im Zentrum von Graz, den man problemlos zu Fuß erreichen kann. Dafür bemühen wir uns, gute Qualität zu bieten. Eine Erkenntnis ist auch, dass Menschen bereit sind, sich für Kunst und Kultur auf den Weg zu machen, wenn sie sich von einer Institution wertgeschätzt fühlen.
Auch wenn die Hofgalerie nicht in einer Reihe mit öffentlichen Museen steht, hat sie dennoch eine ähnliche Rolle eingenommen. Für viele gilt sie mittlerweile als heimliche Stadtgalerie, die speziell lokale Künstler würdigt. Ist die Hofgalerie das neue Künstlerhaus von Graz?
Es ist weder mein Ziel noch scheint es mir machbar, ein öffentliches Künstlerhaus mit unserer Hofgalerie zu ersetzen.
Braucht es Ihrer Meinung nach dennoch ein öffentliches Haus, das diesem Auftrag nachkommt?
Aus meinen Augen braucht Graz eine Stadtgalerie. Früher ist dieser Funktion einmal das Künstlerhaus nachgekommen, das heute als Kunsthalle andere Ziele verfolgt. In einer solchen Stadtgalerie sollten steirische Künstler im Fokus stehen, genauso sollte es auch einen künstlerischen Austausch mit dem gesamten Alpe-Adria-Raum geben. Vieles wurde bereits erreicht, was aber sind die großen Ziele für die nächsten 10 Jahre? Wir planen gerade eine Literatur- und Jazzlounge. Wir werden hier eine Zusammenarbeit mit der Stadt Graz vorbereiten und auch versuchen, die freie Szene ins Haus zu holen. Sollte alles klappen, eröffnen wir die Lounge am 23. September 2023.