Wie der Film in die Steiermark gekommen ist, wie es weitergegangen ist und welche Rolle Personen, Orte und Erfindungen bis heute dabei spielen, zeigt die Ausstellung „Film und Kino in der Steiermark”.
Text: Lydia Bißmann
Gemeinsam mit dem Filmarchiv Austria rollt das Museum für Geschichte in seiner Hauptausstellung heuer über zwölf Jahrzehnte steirische Kulturgeschichte auf. Mit an Bord sind das Filmfestival Diagonale und das eumigMuseum. Mit Filmpostern, Fotos, Drehbüchern, Filmskizzen, historischem Kinoinventar und technischen Artefakten wird hier in zwölf Räumen die spannende und bewegende Geschichte des steirischen Films samt Höhen und Tiefen, Licht- und Schattenseiten erzählt. Die Firma Eumig, die über viele Jahre auch im steirischen Fürstenfeld Filmprojektoren herstellte, zählte in der Blüte des Schmalfilms zu den weltweit größten Produzenten. Das eumigMuseum steuert auch historische Apparate seiner unglaublich großen Sammlung bei. Der Amateurfilm selbst spielt aber nicht nur als Teil der Schau eine tragende Rolle. „Die Idee zur Ausstellung wurde im Rahmen der Amateurfilm-Sammelaktion Steiermark Privat geboren. Rund 30.000 Schmalfilme wurden dabei seit Sommer 2020 von Privatpersonen eingereicht“, wie Maria Froihofer, die Film und Kino in der Steiermark gemeinsam mit Karl Wratschko kuratiert hat, erzählt. „Die Fülle an Material wird mehrere Jahre für die Bearbeitung brauchen. Für uns war klar, dass wir eine Filmausstellung machen wollten. Wir haben hier die Chance gesehen, das Thema viel umfangreicher anzugehen und uns mit mehr als 125 Jahren steirischer Film- und Kinogeschichte zu befassen.“ Entstanden ist daraus eine umfangreiche, bunte Reise in ein funkelndes Universum, das nicht nur für Cineasten und Technikfans unzählige Überraschungen bietet.
Lichtspiele über der Mur
Das Phänomen Film hat die Steiermark verblüffend schnell erreicht. Knapp neun Monate nach der allerersten öffentlichen Filmvorführung der Gebrüder Lumière in Paris führte der Physiker Crasse im September 1896 im Hotel Post in Leoben einen Cinematographen unter dem Titel Im Fluge durch die Welt vor. Wohlgemerkt – nicht in Graz, sondern in der steirischen Provinz. Bis 1906 war das Kino hauptsächlich Sache von Schaustellern, die mit Wanderkinos durch die steirischen Regionen tourten. Dann eröffnete Oskar Gierke das erste ortsgebundene Kino „Bioskop“ in der heutigen Conrad-von-Hötzendorf-Straße. Ab 1918 gab es mit der Gründung der „Alpin Film- und Kinematographenwerke Graz – Wien“ erste Versuche, eine Filmproduktion in der Steiermark zu etablieren. Schillernde Figur war dabei der steirische Filmpionier Fritz Muchitsch. Sein „größtes Freiluftkino der Welt“ projizierte vom Dach des Hotel Wiesler Werbefilme quer über die Mur. Diese Spektakel im öffentlichen Raum sorgten für wahre Massenansammlungen auf der Murbrücke, wie die Kuratorin berichtet. Muchitsch hinterließ auch einen wundervollen Film über die Aufbauarbeiten der Stadt Graz in den 20er-Jahren. Für den leicht entzündlichen Nitrofilm gab es sogar einen sicheren Lagerungsort in einem Stollen im Schloßberg.
Steirische Filmfabrik Thaliwood
Nach dem 2. Weltkrieg blühte die Filmproduktion AFA im Filmstudio am ehemaligen Flugzeughangar am Thalerhof auf, das liebevoll „Thaliwood“ genannt wurde. Günstige Mieten lockten in den sechs Jahren Aktivität auch internationale Produzenten an. Zwischen 1947 und 1953 wurden hier 17 größere Spielfilme gedreht. Darunter auch der Curd-Jürgens-Film Hexen, der bei der Kritik, nach seiner Uraufführung im Grazer Annenhofkino aber eher als „dem steirischen Film nicht würdig“ befunden wurde. Unter dem Schwerpunkt „Thaliwood“ werden bei der Diagonale 2022 Filme laufen, die hier gedreht worden sind. Auch die Steiermark selbst wurde gerne als Filmkulisse genutzt. Einer der erfolgreichsten Heimatfilme überhaupt trägt etwa einen regionalen Stempel. Der Förster vom Silberwald mit Anita Gutweil und Erni Mangold wurde in den Jagdrevieren in Frohnleiten von Franz von Mayr-Melnhof aufgenommen und von über 28 Millionen Zusehern gesehen. „Dieser klassische Heimatfilm, der auch unter dem Zweitnamen Das Echo der Berge lief, trat die Heimatfilm-Welle damals los und fand danach unzählige Nachahmer“, so Froihofer.
Ein kleines steirisches „Filmwunder“
In den „goldenen Jahren“ des Kinos gab es in den 50er-Jahren rund 200 steirische Lichtspielhäuser. Fernsehen und der Rückzug ins private Heimkino verdrängte die Kinos aber mehr und mehr und minimierte ihre Anzahl auf weniger als 20. Ein sehr schönes, aber auch etwas wehmütiges Glanzstück in der Ausstellung ist etwa die ehemalige Kasse aus dem Annenhofkino im 30er-Jahre Design, wo bis zur Übernahme durch eine große Multiplex-Kette noch Tickets verkauft wurden. Der Film selbst ist in der Steiermark aber alles andere als tot, wie ein eigenes Kapitel der Ausstellung zeigt. Mit Beginn der 2000er Jahre entwickelte sich eine Reihe von Filmen (Nacktschnecken, Contact High, Hotel Rock’n’Roll, Kotsch oder Die unabsichtliche Entführung der Elfriede Ott) zu wahren Kassenschlagern. Treibende Kräfte hinter dem „kleinen steirischen Filmwunder“ sind und waren dabei der Schauspieler Michael Ostrowski und der 2014 verstorbene Grazer Regisseur Michael Glawogger. „Scheinbar haben sich zu Beginn des Millenniums einfach die richtigen Personen unter den richtigen Umständen am richtigen Ort getroffen – in dieser Zeit wurden sehr viele steirische Filme oder Filme mit steirischer Beteiligung gedreht.“ Was nach wie vor der Fall ist: Die Ausstellung zum steirischen Filmgeschehen endet in der Gegenwart. Die Geschichte geht aber durch die Arbeit von vielen steirischen Filmschaffenden in Echtzeit sehr lebendig auf den Leinwänden der Diagonale weiter.
Film und Kino in der Steiermark
Museum für Geschichte
Sackstraße 16, 8010 Graz
Eröffnung: 10.3.2022
Laufzeit: 11.3.2022 – 8.1.2023, Öffnungszeiten: Di–So, Feiertag 10–18 Uhr, Tel: 0316 8017-9800
www.museumfuergeschichte.at