Edith Risse, neue Geschäftsführerin der Steirischen Kulturinitiative, über ihre Programmschwerpunkte, den Bogen zu unseren Nachbarn und Kunst mit „realem Sinn“.
Text: Wolfgang Pauker
Nach einem Jahr als Doppelspitze gemeinsam mit Herbert Nichols-Schweiger übernahmen Sie heuer als alleinige Geschäftsführerin. Wie gestaltete sich die Übergabe?
Wir haben uns sehr gut abgesprochen, und schon im vergangenen Herbst, als die Entscheidungen für die mittelfristigen Planungen von 2023 bis 2025 anstanden, hatte ich bei der Programmgestaltung freie Hand. Das war mir sehr wichtig und dahingehend hat die Übergabe reibungslos funktioniert.
Wie möchten Sie die Steirische Kulturinitiative, die sich seit 1977 als Crossover für neue Kunstformen und Vermittlung in den Bereichen Theater, Tanz, bildende Kunst und Diskurs versteht, positionieren?
Als Bindeglied zwischen dem urbanen und dem ländlichen Raum. Deshalb möchte ich mit meinem Team im Raum Steiermark zusammen mit örtlichen Veranstalter*innen auf Augenhöhe zusammenarbeiten und gemeinsam Projekte entwickeln. Weiters möchte ich Künstlerinnen und Künstlern ermöglichen, neue Produktionen zu gestalten und dadurch neue Räume zu erschließen – vor allem im öffentlichen Raum und in der Stadtentwicklung. Dafür werden wir auch Leerstände erschließen und diese mit Kunst befüllen.
Sie sind durch Ihre Kuratorentätigkeit bestens nach Südosteuropa vernetzt. Wird sich die Ki nun noch internationaler orientieren?
Wir werden nach Slowenien gehen, wo wir heuer bereits in zwei Projekten mit unterschiedlichen Partnern wie einem alternativen Kulturzentrum und mit einer Kunsthochschule kooperieren und es auch zu einem Austausch mit Präsentationen vor Ort kommen wird. 2024 werden wir unseren Fokus auf Kroatien legen, wo es einen Austausch mit dem Museum für zeitgenössische Kunst in Osijek geben wird. Wir werden mit Ungarn zusammenarbeiten, wobei es um eine Verschränkung von Kunst im ländlichen öffentlichen Raum gehen und die Präsentation in der Südoststeiermark stattfinden wird. Auch werden wir uns wieder in Richtung Russland orientieren und 2023 „nonkonformistische“ Kunst aus Wladiwostok zeigen, die im Westen in dieser Form noch nie zu sehen war. Und wir planen im Gefolge und als Abrundung des Liberation-Projektes, in dessen Rahmen Bücher, Kataloge, Editionen, CDs und DVDs gesammelt wurden, die in den Herkunftsländern der alliierten Gefallenen des 2. Weltkrieges einen Einblick in das zeitgenössische Schaffen österreichischer Kunst und in den aktuellen wissenschaftlichen Diskurs bieten sollen, die feierliche Übergabe dieses Materials in Russland stattfinden zu lassen. Was bisher aufgrund der Pandemie nicht möglich gewesen ist. Mir ist aber nicht nur Internationalität ein Anliegen, sondern auch der Bogen zu den angrenzenden Bundesländern Kärnten und Burgenland. Ich möchte unsere unmittelbare Nachbarschaft beleuchten und auch in der Steiermark besser bekannt machen.
Folgt Ihr Programm einem inhaltlichen Leitfaden?
Ich möchte meine Programmschwerpunkte im Bereich Kunst und Gesellschaft legen, insbesondere in Zeiten, in denen die Spaltung der Gesellschaft zusehends voranschreitet und Perspektiven der Jugend ein immer wichtigeres Thema werden. Ich würde meine Grundintention mit „Auf der Suche nach der kommenden Zeit“ betiteln. Es geht mir darum, die Zukunft mithilfe der Kunst positiv zu gestalten und Kunst „mit realem Sinn“ zu machen. Das soll auch stark mit partizipativen Elementen passieren. Auch das Thema Umwelt und Klima wird eine große Rolle spielen. Weiters plane ich unter dem Titel „Der Steiermark verloren gegangen“ Künstlerinnen und Künstler in den Fokus zu rücken, die von hier weggezogen sind sowie unter dem Arbeitstitel „Dem Vergessen entrissen“ Künstler*innen vor den Vorhang zu holen, die zu wenig Anerkennung erfahren haben oder zu Unrecht vergessen worden sind.
Was sind Ihre konkreten Pläne für das erste Halbjahr 2022?
Wir wollen mit einer Präsentation im Rahmen unserer Young Artist-Schiene mit Helene Thümmel starten, einer jungen, aufstrebenden Künstlerin, von der wir eine Ausstellung mit dem Titel Wo ist Tito? zeigen. Mittels Videos, Texten und Fotografie dokumentiert sie ihre Suche im ehemaligen Jugoslawien nach immer noch bestehenden Geoglyphen mit den Lettern TITO und zeigt eine Heldenverehrung, die auch in der heutigen Zeit noch gepflegt wird. Wir wollen zusätzlich zum einheimischen Kunstpublikum auch die aus dem ehemaligen Jugoslawien stammende Grazer Bevölkerung ansprechen und zeigen die Schau deshalb im April nicht in einer Galerie, sondern in einem Leerstand in einer Gegend, wo Menschen mit Migrationshintergrund leben. Ende Mai präsentieren wir die Schau auch in Nova Gorica, wo Helene Thümmel zu diesem Projekt inspiriert worden ist, gemeinsam mit der Alpe Adria Allianz und dem Österreichischen Kulturforum Ljubljana.
Der zweite Schwerpunkt, Hafis – Hammer-Purgstall – Goethe, ist eine Präsentation, deren letzte Fassung noch von Gerhard Dienes stammt, der 2020 verstorben ist. Parallel zu seinen historischen und kuratorischen Leistungen verfasste er eine große Zahl von dialogisch-musikalisch präsentierten Essays über gravierende Zeitphänomene – quasi eine eigene künstlerische Gattung von Aufklärung mit literarischen und musikalischen Mitteln. Seiner nunmehr letzten Arbeit, die sich mit der um Verständnis ringenden Kette großer Denker im heutigen Iran befasst, werden wir mit seinen langjährigen Weggefährten knapp nach Ostern einen Abend widmen.
Das dritte Projekt, das noch vor dem Sommer stattfinden wird, ist dem Medium (Experimental-)Film zuzurechnen, um das ich das Spektrum der Steirischen Kulturinitiative erweitern möchte. So wird voraussichtlich im Frühsommer im Museumszentrum Leoben eine Ausstellung mit den Arbeiten der jungen obersteirischen Filmemacherin Stefanie Weberhofer unter dem Titel Expanded Cinema gezeigt werden. Die Installation Cine-Pano-Ram ist eine Reflexion von Raum und Zeit inhaltlich und formal zum Thema Panoramaaufnahme. Gleichzeitig zeigen wir ihren neuen Film Walderfahrung, der auch auf der Diagonale laufen wird und in dem sie den Wald als lebendigen, haptischen und geheimnisvollen Ort mittels innovativer und experimenteller Formen des Kinos zeigt.
Sie sind bekannt für das Fördern von emanzipatorischen Bestrebungen in der Kunst. Wird das Programm der Ki „weiblicher“ und wird sich auch der Vorstand dahingehend verändern?
Es wird einige spezifisch „weibliche“ Programmpunkte geben. Schon jetzt planen wir für 2024 eine Ausstellung feministischer Kunst die Steiermark und Kärnten betreffend, von Eva Ursprung über Veronika Dreier sowie Kiki Kogelnik und Maria Lassnig ausgehend, mittels der wir anhand eines historischen Blickes die heutige Zeit und die Situation der Künstlerinnen betrachten. Diese Ausstellung werden wir in Kooperation mit einer namhaften Kärntner Kuratorin gestalten. Und viele Künstlerinnen werden die Möglichkeit erhalten, Teil unseres Programms zu werden. Auch was den Vorstand betrifft, setzen wir verstärkt auf Frauen-Power: Mit Susanne Leitner-Böchzelt aus Leoben und Evelyne Oswald aus Voitsberg kommen zwei Frauen aus den steirischen Regionen hinzu und mit Anna Robosch eine Vertreterin der ganz jungen Generation, die deren Wünsche und Anliegen einbringen wird.