Mit 13 Konzerten an einem Tag wird die grazJazznacht wieder zu einer nächtlichen Prozession durch die Jazzwelt.
Text: Wolfgang Pauker
Graz gilt als Jazzhauptstadt Österreichs. Bereits vor dem Zweiten Weltkrieg bildeten sich hier lokale Jazzensembles, während des NS-Regimes war die als „entartet“ diffamierte Musik ein Zeichen des Widerstandes und nach Kriegsende erlebte sie mit den britischen Besatzern neuen Aufschwung. Doch damit genug der Historie, denn der Jazz treibt auch heute noch wilde Blüten in der Stadt an der Mur. Dafür in großem Maße mitverantwortlich ist das Jazzkartell Graz, in welchem sich 1998 – gegründet von Gerhard Kosel und Otmar Klammer – die Grazer Jazzveranstalter zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammenschlossen, die heute unter der schlichten Bezeichnung grazjazz firmiert. „An den hehren Absichten der Gründerzeit hat sich freilich nichts geändert“, so Otmar Klammer, Obmann von grazzjazz und Betreiber des Café Stockwerk.
Längst zum Aushängeschild geworden ist die jährlich einmal durchgeführte lange Jazznacht, eine gemeinsame Großoffensive, die auch heuer wieder am 11. März mit repräsentativen Beiträgen der jeweiligen Jazzbetreiber zum Gipfeltreffen des guten Geschmacks wird. „Die nächtliche Prozession beginnt diesmal mit zwei Kinderkonzerten noch bei Tageslicht und endet nach mehreren Stationen, die alle garantiert nicht mit der U-Bahn erreichbar sind, irgendwo dazwischen“, so Klammer.
One For All Ticket Ob das wie immer weit nach Mitternacht sein wird, wissen die Veranstalter selbst noch nicht. Falls die Corona-Sperrstunde bis dahin nicht aufgehoben ist, wollen die einzelnen Impresari ihren jeweiligen Beitrag als zeitlich nebeneinanderliegende Einzelkonzerte über die Bühnen bringen. Das hochkarätige Programm changiert zwischen Hard Bop, Latin Jazz, Contemporary Jazz und Improvisationsmusik, je nach Programmlinie der einzelnen grazzjazz-Mitglieder. Highlights: Das Instrumental-Trio /kry, dessen Sound bei „open music“ im Forum Stadtpark eine Offenbarung der Einfachheit und Intuition sein wird, oder das Théo Ceccaldi Trio, das im Stockwerk mit kaltschnäuziger Chuzpe Jazztraditionen der späten 20er und 30er Jahre zerlegen wird.
Im Royal Garden Jazz Club widmen sich die jungen Musiker von The Meretrio, 2004 in São Paolo gegründet, der Vielschichtigkeit von Populärmusik und im Tube’s wird Aly Keïta, einer der großen Virtuosen des Balafons, dem west-afrikanischen Xylophon, das traditionell afrikanische Repertoire mit westlichem Jazz und zartem Pop verschmelzen. Zu erleben ist der Musik-Marathon natürlich wieder mit einem einzigen One For All Ticket. Nur der normalerweise ebenso in diesem Ticket inbegriffene beliebte Shuttlebus, der Jahr für Jahr die Pilgerschaft zwischen den einzelnen Schauplätzen bediente, muss diesmal coronabedingt ausfallen. Es soll der Jazzhauptstadt nichts Schlimmeres passieren.