Aufgrund ständig wechselnder Corona-Vorschriften wie auch politischer Ereignisse später als vorgesehen gestartet, brachte das Programm der Steirischen Kulturinitiative bewährte und neue künstlerische Ansätze nach Graz und die Regionen. Ein Höhepunkt ist die Ausstellung „Wo ist Tito? TITO IN SITU“, die noch bis 14. Juli in der Annenstraße 20 zu sehen ist.
Den Anfang machte Ende April die Präsentation Hafis – Hammer-Purgstall – Goethe, eine Veranstaltung, deren Konzeption und letzte Fassung noch vom 2020 verstorbenen Gerhard Dienes stammt. Parallel zu seinen historischen und kuratorischen Leistungen verfasste er eine große Zahl von dialogisch-musikalisch präsentierten Essays über gravierende Zeitphänomene – quasi eine eigene künstlerische Gattung von Aufklärung mit literarischen und musikalischen Mitteln. Seine nunmehr letzte Arbeit, die sich mit der um Verständnis ringenden Kette großer Denker im heutigen Iran befasst, wurde im Gedenken an den allzu früh Verstorbenen vom Publikum im ausverkauften Grazer Heimatsaal begeistert aufgenommen.
Eine Konstellation von Kurt Stadler
Der Weg der Steirischen Kulturinitiative führt zukünftig noch stärker in die steirischen Regionen, wie Geschäftsführerin Edith Risse erklärt: „So diesmal nach Deutschlandsberg, wo Kurt Stadler auf der Burg eine Ausstellung von Kunstwerken, von Pionieren der Moderne sowie von befreundeten zeitgenössischen Künstler*innen, Meteoriten und historischen Artefakten inszenierte“. Die Dokumentation, angereichert durch weitere Recherchen und Fundstücke sowie neue illustre Gäste, ist unter dem Titel Rendez-vous des amis – Eine Konstellation von Kurt Stadler als bibliophiles Buch erschienen. Abgerundet wurde die Präsentation durch ein Gespräch mit dem bekannten Sammler Christof Schell.
Ein Leben für Kunst und Architektur
In Graz wurde in der Galerie Blazek das wenig bekannte malerische Schaffen von Eilfried Huth, einer herausragenden Persönlichkeit der steirischen Architektur- und Kulturszene, gewürdigt. Denn die Wenigsten wissen, dass Huth seit Anbeginn seiner Befassung mit Architektur malt: Auch hier wird Raum vermessen und Bezug hergestellt, werden innere Welten materialisiert. Diese „Malereien“ schmückten bisher fast ausschließlich seine Wohnung, wurden kaum präsentiert. Deshalb war die Ausstellung „lebenslang malen“ explizit seinen Bildern mit einer Vielzahl von Schlüsselwerken aus seinem umfangreichen Œuvre gewidmet, samt der schon längst fälligen Publikation. Viele Besucher*innen sahen seine Arbeiten bei und nach der Vernissage und wohnten der Finissage mit der Präsentation des reich bebilderten Katalogs und dem Künstlergespräch, das Beate Engelhorn und Edith Risse mit dem immer noch von der Malerei beseelten Eilfried Huth führten, bei.
Literatur-Fest in der Obersteiermark
Innovative Wege der Literatur-Vermittlung hat Hannes Pointner vom KULTurVIECH Rottenmann mit seinem Literarischen Salon Extended eingeschlagen. Die Zeiten des frontalen Vortragens von Literatur sind vorbei – Literatur kann mehr, so die Intention dieses Lese-Fests, das vom 18. bis 21. Mai stattfand und mit der „Literarischen Sparkasse“ immer noch seine Kreise zieht. „Entscheidend sind persönliche Begegnungen zwischen Menschen, die Bücher schreiben und Menschen, die Bücher lesen: mit literarischen Speeddatings wie auch Literatur im Betrieb, zum Beispiel in der Fleischbank, im Garnelenzuchtbetrieb oder in der Werkstatt eines Holzverarbeitungsbetriebs“, so Edith Risse. Wichtig war auch das große Engagement von Ferdinand Schmalz. Hochkarätig besetzt war das abschließende Lesefest im Alten Kino in Liezen: Einbegleitet von Florian Köhler (Schauspielhaus Graz) und musikalisch umrahmt von seiner Band Köhder kamen Leander Fischer, Marie Gamillscheg, Barbara Zemann wie auch Schmalz selbst zu Wort. Und dazwischen haben Lesungen prominenter Autor*innen wie Dirk Stermann und Nava Ebrahimi in Rottenmann ebenfalls viele Interessierte angelockt.
Nostalgie und Globalisierungskritik
Weiter im Südwesten, im slowenischen Nova Gorica, wurde Mitte Mai das Projekt Wo ist Tito? TITO IN SITU erstmals gezeigt. Als Helene Thümmel hier studierte, war einer ihrer ersten Orientierungspunkte der Berg Sabotin, auf dem in riesigen Lettern der Name TITO in die Natur eingeschrieben ist. Sie recherchierte in der Folge in ganz Ex-Jugoslawien, um weitere derartige Geoglyphen aufzuspüren. „Der Hauptfokus des Projektes liegt darauf, zu hinterfragen, wieso diese Einschreibungen in die Landschaft immer noch (oder wieder) existieren, wer sie instand hält und was sie für die lokale Bevölkerung bedeuten. Es geht um Transformationsprozesse und Grenzziehungen, kollektives Gedächtnis und Nostalgie, aber auch um zeitgenössische Kapitalismus- und Globalisierungskritik“, so Edith Risse. Aus welchen Beweggründen reparieren lokale Communities diese Geoglyphen heutzutage, malen sie weiß an, befreien sie von Gras und Gestrüpp? Und sind diese in die Landschaft eingeschriebenen Zeichen quasi als Antipoden zur Schnelllebigkeit der digitalen Kommunikation zu verstehen? In der Galerija Gong in Nova Gorica wurden ihre Arbeiten vor großem Publikum gemeinsam mit der Alpe Adria Allianz und dem Österreichischen Kulturforum Ljubljana präsentiert. In Graz wird die Schau im Rahmen des Young Artist-Schwerpunktes ab 24. Juni gezeigt, aber nicht in einem Kunstraum, sondern in einem Leerstand in einer Gegend, in der Menschen mit Migrationshintergrund leben: In der Grazer Annenstraße. Zusätzlich zum einheimischen Kunstpublikum soll auch die aus dem ehemaligen Jugoslawien stammende Grazer Bevölkerung angesprochen werden. Im Rahmen des Round Table wird über immer noch existierende Manifestationen der Tito-Nostalgie und ihre Symbolik im Hinblick auf die Arbeit von Helene Thümmel gesprochen.
Ausstellungsdauer: bis 14.7.2022
Annenstraße 20, 8020 Graz