Auch heuer bleibt Markus Schirmers ARSONORE dem bewährten Erfolgsrezept treu, arrivierte Stars der Klassikszene mit hoffnungsvollen jungen Talenten und beliebten Schauspielern zu kombinieren.
Text: Harald Haslmayr
Wer kennt ihn nicht, jenen magischen Moment, den wir als spontane Eingebung empfinden und der uns aus heiterem Himmel Einsichten, Erkenntnisse oder Lösungen beschert, an denen wir möglicherweise über lange Zeit hinweg geknobelt haben? – Mit einem lateinischen Fremdwort wird dieser gefühlte innere Befreiungsschlag als „Inspiration“ bezeichnet, also als eine Art „Ein-Hauchung“. Von wem und wann diese nun genau kommt, wie sie abläuft und was die jeweils konkreten Inhalte sind, lässt sich naturgemäß nicht exakt definieren. Tatsache bleibt, dass sich die Spuren einer solchen Inspiration ganz besonders in der Kunstform Musik entdecken lassen. Seit den Epen Homers, die ja gesungen vorgetragen wurden, werden stets die Musen als die Quelle ersehnt sprudelnder Inspiration angerufen, denn sie unterstehen dem Sonnengott und Schirmherrn der Künste Apollon. Genau dieser prangende Gott zieht seinen rasselnden Wagen an der Decke des Planetensaals des Schlosses Eggenberg zum leuchtenden Tagesanbruch empor, und so ist garantiert, dass es an diesem exklusiven Ort zu einer idealen Verschmelzung von klingenden Inspirationen und gemalter Architektur kommen kann!
Schirmherr des ersten Abends „Have fun tonight!“ ist jedoch Merkur, der listig-verschmitzte Gott der Händler und der Diebe, denn wahre Inspiration lässt sich eben nicht festnageln, sondern sie schaukelt schwerelos zwischen Eigenem und Fremdem: So wären das Septett von Camille Saint-Saëns oder die Passacaglia von Johan Halvorsen ohne unverhohlene Raubzüge in der Welt des musikalischen Barock gar nicht denkbar. Besonders spannend zu werden, verspricht die Begegnung mit dem Streichquartett von Fritz Kreisler, sonst ja bekannt als epochaler Geigenvirtuose genuin Wiener Prägung und Meistergestalter musikalischer Kleinformen und brillanter Encores. Die heitere Seite von Inspiration repräsentieren das burleske Morgenständchen eines spanischen Gauklers von Maurice Ravel und das umwerfend witzige Küchenballett von Bohuslav Martinů – zuvor entführt uns die Marimba im Quartett von Thomas Gansch, in dem er selbst die Trompete bläst, in tänzerisch-karibische Sphären.
Ein veritables Kontrastprogramm bietet der folgende Abend unter dem Motto „Herzschläge und Wunderwelten“, an dem die so oft divergierenden Rhythmen von Natur und Menschheit thematisiert werden. Im ersten Teil bildet die Erfahrung der mitteleuropäischen Natur die direkte Inspirationsquelle der Kompositionen von Antonín Dvořák und Alexander von Zemlinsky, wahrgenommen und gestaltet durch das Prisma ihres kontinental-slawischen, trauerfreudig erdigen Timbres. Dazu ein greller Affektkontrast nach der Pause: Publikumsliebling Erwin Steinhauer und sieben Ausführende werden Igor Strawinskys bis zum heutigen Tag bestürzend abgründig oszillierende Geschichte vom Soldaten zu heutigem Leben erwecken.
Der dritte Abend „Träum weiter“ wird den Beweis erbringen, dass Inspiration nicht an Alter, Reife oder taghelles Wachbewusstsein geknüpft ist. Die ARSONORE-Stars von morgen – jugendliche musikalische Hochbegabungen allesamt – laden zu einer Reise durch klingende Epochen, Welten und Träume, und sogar eines der kanonischen „Heiligtümer“ der europäischen Musik, die epochale Chaconne von J. S. Bach, wird in diesem Rahmen gleich zwei Mal erklingen, nämlich in der originalen Fassung für Violine und der von Busoni hergestellten Bearbeitung für Klavier. Aus seinem angestammten Kommissariat in Rosenheim ist Max Müller herbeigeeilt, um mit funkelnden Textminiaturen und heiteren Gesängen diesen jugendlichen Abend zu bereichern. Schon am Vormittag gibt es im Rahmen eines Familien-Gesprächskonzertes die Möglichkeit, bereits im Voraus spannende Einblicke in die Genese und das Gestaltwerden dieses Abends zu bekommen.
Um nicht weniger als einen neuen Blick auf ein musikalisches Himalayagebirge, nämlich die Goldberg-Variationen, geht es im letzten Abend unter Eggenbergs Göttern und Planeten: Eine schlichte Aria inspirierte J. S. Bach zu einem atemberaubenden Feuerwerk von nicht weniger als 30 Variationen. Im ersten Teil wird die international gefeierte kanadische Bach-Interpretin Angela Hewitt ihre Sicht auf dieses unauslotbar-überreiche Variationswerk präsentieren, während im zweiten Teil das Akkordeon, die Violine, die Gitarre und der Kontrabass Facetten dieses Summum opus auffächern werden, die uns bis heute möglicherweise verborgen geblieben sind – der Geist weht eben, wo er will, und so kann man auf blitzartige Überraschungen gespannt sein.
Schauplatzwechsel am Sonntagabend! „Janoska on fire!“ – unterstützt von Luis Bonilla, Thomas Gansch und Benjamin Schmid wird das nicht nur in unseren Breiten so akklamierte Janoska-Ensemble im Grazer Opernhaus für ein furioses Finale des heurigen Festivals sorgen, denn eigens für diesen Abend hat das musikalische Familienunternehmen bereits ein eigenes Programm konzipiert, das freilich auch dem Publikum einiges an spontan ausgekostetem, inspiriertem Zuhören abverlangen dürfte.
ARSONORE – Internationales Musikfest Schloss Eggenberg Graz
7. – 11. September 2022