In seiner 55. Ausgabe befasst sich der Steirische Herbst in einem dichten Programm an Ausstellungen, Performances und Diskussionen mit dem Thema Krieg. Die Eröffnung am 22.9.2022 im Überblick.
Kriege haben das Festival schon immer beschäftigt. Aktuell ist der Krieg in der Ukraine Anlass und Ausgangspunkt für den diesjährigen Festivaltitel. Gezeigt werden Kunstproduktionen, die den Krieg aus unterschiedlichsten Perspektiven zum Ausdruck bringen.
Das Soft Opening im Forum Stadtpark
Ab den späten 1960er-Jahren realisierte Harun Farocki mehr als 120 Filme und Installationen, deren Hauptziel es war, die Macht der Bilder in einer Konsumgesellschaft zu analysieren und ihr kritisches Potenzial zu erschließen. Ein zentrales Thema in seinem Werk ist der Krieg, den er aus prinzipiellen Gründen in jeder Form ablehnte. Beginnend mit dem Vietnamkrieg und der Iranischen Revolution, dann mit den Kriegen am Persischen Golf und auf dem Balkan, suchte Farocki nach einer filmischen Sprache, um den Kriegsbildern entgegenzuwirken, die auf den Fernsehbildschirmen erscheinen, eine Politik der Angst verbreiten und dabei das Publikum lähmen. Farocki, der im Juli 2014 verstarb, hat den Krieg in der Ukraine nicht mehr miterlebt. Doch seine Werke gegen die Kriege in der Ferne nehmen den russischen Angriffskrieg vorweg, in dem all die Schrecken früherer Kriege implodieren. Im Rahmen des Steirischen Herbst ’22 zeigt die Ausstellung im Forum Stadtpark einen Querschnitt durch Harun Farockis Arbeiten gegen den Krieg, darunter auch selten gezeigte. Ergänzt wird sie durch Fotografien von Armin Linke aus Farockis Bibliothek mit ihren zahlreichen Titeln, die die Dynamik von Krieg und Kapital analysieren.
Forum Stadtpark, 10–18 Uhr
Eröffnungsrede und Performance
Das Festival startet in diesem Jahr mit einer Eröffnungsrede von Ekaterina Degot am Grazer Hauptplatz. Im Anschluss findet die Performance The Theatricality of a Postponed Death des Künstlers Raed Yassin statt. Yassin macht künstlerischen Widerstand gegen alle Hindernisse, auch gegen die des Krieges, zum Gegenstand seiner Performance, die eigens für das diesjährige Festival produziert wurde. Seine Inszenierung eines Trauerzugs mit Blaskapelle erinnert an einen theatralen Puppenumzug, der in den 1980ern in Beirut stattfand, als im Libanon der Bürgerkrieg tobte. Der von Regisseur Raif Karam organisierte Umzug protestierte nicht nur gegen die verheerende Kriegssituation, sondern hinterfragte auch die Beschränkungen des Theaters selbst.
Hauptplatz Graz, 17 Uhr
Ausstellungseröffnung in der Neuen Galerie
Im Anschluss an die Performance, die im Joanneumsviertel ihr Ende findet, kommt es zur Ausstellungseröffnung von Ein Krieg in der Ferne in der Neuen Galerie. Sie kann als Mittelpunkt des diesjährigen Festivals interpretiert werden und kann am Eröffnungstag kostenfrei besucht werden. Historische Werke aus der Sammlung der Galerie treffen auf Projekte zeitgenössischer Künstlerinnen und Künstler, die eine neue Lesart der Sammlung durch das Prisma unbeachteter Kriege, verborgener Geschichte und verdrängter Konflikte bieten.
Die Ausstellung ist in Kapitel gegliedert und basiert auf subjektiven kuratorischen Entscheidungen, auf freien Assoziationen und Kontrapunkten. Im Mittelpunkt steht der politische Umgang mit der Malerei; den roten Faden bildet ein wachsendes Gefühl der Bedrohung, verbunden mit den offenen und verschleierten Konfliktzonen der österreichischen Geschichte. Dazu gehören das historische Ressentiment angesichts des verlorenen Imperiums, die lange Geschichte des Kolonialismus, der Exotisierung und des Othering in Mittel- und Osteuropa sowie das Drama der Klassenkämpfe, die sich feierlich und spielerisch in Kunstwerken widerspiegeln.
Neue Galerie, 18.30–21 Uhr
Performance und Aftershowparty
In einer Zeit wachsender Spannungen zwischen den USA und China erzählt Ming Wong in seiner musikalischen Lecture-Performance von der sogenannten chinesisch-amerikanischen Ping-Pong-Diplomatie, beginnend mit Richard Nixons historischem Staatsbesuch im kommunistischen China und seinem Treffen mit Mao Zedong vor fünfzig Jahren. In Anlehnung an einen internationalen Klavierwettbewerb und ein Tischtennismatch improvisieren zwei Pianisten gemeinsam eine performative Verschmelzung der amerikanischen und chinesischen Klangregime. In einem Ping-Pong-Doppelkonzert, untermalt von archivarischen Film- und Tonaufnahmen, untersuchen sie die Rolle der europäischen klassischen Musik, der Moderne und der Mythenbildung beim Aufstieg beider Nationen im 20. Jahrhundert. Von Tischtennis und Fernsehen zu Panzern und Handelskriegen zeichnet Rhapsody in Yellow das unbeständige politische Gleichgewicht zwischen den Vereinigten Staaten und China nach, in einem Duett aus Zwietracht und Harmonie, Chaos und Glück, Humor und Pathos. Nach der Lecture-Performance sind die Gäste zur After-Show-Party eingeladen.
Rhapsody in Yellow: A Lecture-Performance with Two Pianos
21 Uhr, in englischer Sprache
Helmut List Halle
Waagner-Biro-Straße 98a, 8020 Graz