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Oper als Avatar

AVATARA by Yunnai Zhang

Als erste Veranstaltung der 40. KUG-Abo-Saison ist die Uraufführung von „Avatara“ zu erleben: einer Kammeroper über zwei Schicksale zwischen realer und virtueller Welt. Christof Ressis Oper ist Preisträgerwerk des 8. Internationalen Johann-Joseph-Fux-Opernkompositionswettbewerbs des Landes Steiermark an der Kunstuniversität Graz. Die Uraufführung findet am 9. Oktober im Rahmen des ORF-Musikprotokoll während des Steirischen Herbst statt, im KUG-Abo folgen weitere Aufführungen am 10. und 12. Oktober.

Text: Heimo Götz

Der Wunsch, den eigenen Körper zu verlassen und eine andere physische Form anzunehmen, ist ein Archetyp, der sich durch alle Epochen und Kulturen zieht. Er spiegelt sich in den Legenden von Göttern, Geistern und anderen Wesen, die ihre Gestalt beliebig ändern können, und erstreckt sich von der griechischen Mythologie bis zur zeitgenössischen Fantasy-Literatur. Mit der Entwicklung interaktiver digitaler Medien wurde diese Utopie zur (virtuellen) Realität: User*innen gestalten ihre Avatare oft nicht anhand ihres realen Aussehens, sondern schlüpfen lieber in die Körper von Superhelden, Fabelwesen, Tieren, Pflanzen oder Maschinen. Dies erlaubt den Menschen, die Beschränkungen des eigenen Körpers, Alters und biologischen Geschlechts – zumindest vorübergehend – zu überwinden und eine Identität anzunehmen, die den ureigensten Wünschen und Fantasien entspricht. Gleichzeitig versuchen Großunternehmen, die Versprechungen der virtuellen Realität in lukrative Geschäftsmodelle umzuwandeln und entwerfen das Metaverse als futuristisches Großraumbüro, eskapistische Wohnzimmerkulisse oder immersive Shoppingmall.

Im Zentrum der Oper Avatara steht die Frage nach dem Wesen der menschlichen Identität im Spannungsfeld zwischen physischer und virtueller Realität. Zwei namen-, alters- und geschlechtslose Personen befinden sich in unterschiedlichen virtuellen Welten, die auf merkwürdige Weise miteinander verbunden scheinen. Durch Zufall (oder Schicksal?) werden sie einander für kurze Zeit gewahr und verlassen ihre vertraute Umgebung, um in einer Irrfahrt durch Raum und Zeit zu ihrem Gegenüber – und damit zu sich selbst – zu finden.

Christoph Ressi
Foto: Wenzel

Für den Komponisten liegt das Thema, dem sich Avatara musikalisch und erzählerisch virtuos nähert, auf der Hand. Der aus dem Kärntnerischen Hermagor stammende Grazer Christof Ressi hat drei KUG-Studien abgeschlossen: Komposition, Jazzkomposition und Computermusik. Das verwundert nur jene, die sein Œuvre nicht kennen, in dem sich eben diese Bereiche als künstlerisch korrespondierende Parallelwelten behaupten: elektronische Musik und Softwareentwicklung, die Zusammenarbeit mit Jazzmusiker*innen und die Komposition von – zum Beispiel – dieser Oper, mit der er den Johann-Joseph-Fux Opernkompositionspreis des Landes Steiermark gewann. Das Libretto dazu hat er selbst verfasst bzw. zu guten Teilen per Computer generiert. Als gefragter Software-Entwickler ist Ressi an zahlreichen künstlerischen und Open-Source-Projekten beteiligt, wie zuletzt während des Corona-Lockdowns bei der Entwicklung eines virtuellen Proberaums an der KUG, für den er die Streaming-Software programmierte. Die aktuell womöglich beste Open-Source-App dieses Bereichs greift nun auf seine Software zurück. „Ich verdiene mein Geld mit der Musik, Programmieren ist mein Hobby“, so Ressi. Das sei natürlich ungewöhnlich, aber so lange es funktioniere, bleibe er dabei. Weil es so am meisten Freude macht. „Lebenszeit ist doch kostbar.“ Und es läuft: Unlängst gab es eine Ressi-Uraufführung im Wiener Musikverein, demnächst wird er mit einem künstlerisch motivierten Software-Projekt ­Iannis-Xenakis-Programmierungen zugänglich machen. Da wachsen dann die Welten wieder ineinander.      

Avatara
von Christof Ressi, Preisträger des 8. Johann-Joseph-Fux-Opernkompositions-Wettbewerbs des Landes Steiermark
PPCM Instrumentalstudierende, Einstudierung: Klangforum Wien unter Dimitrios Polisoidis
PPCM Vokal-Studierende, Einstudierung: Holger Falk
Musikalische Leitung: Wolfgang Hattinger
Regie: Krzysztof Garbaczewski
Ausstattung: Yunnai Zhang
Human Computer Interaction Design: Alisa Kobzar
Live Elektronik: Christof Ressi

Mo, 10. & Mi, 12.10.2022, 18 Uhr
MUMUTH, György-Ligeti-Saal

Uraufführung am 9.10.2022 im Rahmen des ORF-Musikprotokoll im Steirischen Herbst

www.kug.ac.at