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Über den Tellerrand der Klassik hinaus

Riccardo Muti wird am 25. April 2023 die Wiener Philharmoniker im Grazer Stefaniensaal dirigieren Foto: Dieter Nagl The Vienna Philharmonic under the baton of Riccardo Muti at the New Year's Concert 2021 in the Golden Hall of the Vienna Musikverein. Due to Corona, the concert took place without an audience.

Weltbekannte Stars und heimischer Nachwuchs: Die neue Spielzeit des Musikvereins für Steiermark garantiert eine musikalische Reise vom Barock bis zur Moderne. Ein Gespräch mit Generalsekretär Michael Nemeth.

Text: Stefan Zavernik

Der Musikverein steht in der Besetzung seiner Konzertzyklen für allerhöchste Qualität. Was braucht es darüber hinaus, um das Publikum zu begeistern?

Spontan fällt mir als Erstes das Live-Erlebnis ein, das wir zwei Jahre lang nicht hatten. Weiters braucht es eine große Bandbreite des Programms und ein leistbares Angebot. Seit der Gründung des Musikvereins möchten wir „barrierefreien“ Musikgenuss ermöglichen, und hier schließt sich der Kreis mit unserem erweiterten Angebot der Flexibilität im Ticketing. Wir haben uns dahingehend verändert, als wir flexible Abos anbieten, um uns auf die Kurzfristigkeit des Kaufverhaltens einzustellen. Wir müssen als Veranstalter alle an einem Strang ziehen und die Menschen davon überzeugen, dass ein analoger Besuch in den Konzertsälen immer das Schönste ist.

Der Musikverein ist über die Jahrzehnte zu einer Marke geworden. Was zeichnet ihn aus?

Sicher die Repertoire-Vielfalt, denn unsere internationale Ausrichtung mit weltweit tätigen Künstler*innen und die Tatsache, dass wir von der alten bis zur neuen Musik im Wochentakt höchste Qualität anbieten, zeichnet uns aus. Wenn ich mir die letzten 15 Jahre ansehe, dann ist es, denke ich, auch sehr gut gelungen, den Musikverein behutsam zu erneuern, weiter zu internationalisieren und durch zusätzliche Programmschienen zu verjüngen. Wir möchten unserem Publikum die Hand reichen und in all unseren Konzertzyklen höchste Qualität anbieten. Ich denke, dass es uns auch in der kommenden Saison wieder gelungen ist, eine entsprechende Bandbreite vorzulegen.

Michael Nemeth, Generalsekretär des Musikvereins Graz
Foto: Thomas Luef

Was sind Ihre persönlichen Highlights der kommenden Spielzeit?

Ich denke hier an Igor Levit oder Daniil Trifonov, die in Salzburg das Festspielhaus füllen und bei uns im Abo zu erleben sind. Im Festkonzertzyklus sind es sicher die Wiener Philharmoniker, die mit Riccardo Muti, einem der legendärsten Dirigenten, in Graz konzertieren werden. Nach Christian Thielemann und Daniel Barenboim, die ebenfalls schon bei uns im Musikverein dirigiert haben, ist das für mich persönlich sicherlich eines der ganz großen Highlights. Es geht uns aber keineswegs nur um die großen Stars, sondern ganz stark auch um die Jugend. Hierfür gibt es etwa die Sommerakademie mit den Wiener Philharmonikern und zum Abschluss der Saison die konzertante Operette Die Fledermaus von Johann Strauss, wo u. a. Emmanuel Tjeknavorian, Mauro Peter, Christiane Karg, Michael Schade oder Max Müller als Frosch zu erleben sein werden. Darauf freue ich mich sehr, denn wir wollen damit ganz einfach Lust auf neue musikalische Begegnungen machen. Sowohl für die Musiker als auch das Publikum.

Im Gegensatz zu den Orchesterkonzerten steht die Kammermusik, sie gilt als intimste Form des Musizierens und kommt ohne Dirigenten aus. Was werden die großen Momente dieser Reihe sein?

Traditionsgemäß bieten wir acht Termine in der Saison. Was neu ist, ist der Ort, an dem sie stattfinden: Im Kammermusiksaal. Das ist aber keineswegs eine „Kammer“, sondern bietet Platz für über 400 Gäste. Es wird in diesem Rahmen beispielsweise die letzte Tournee des Emerson String Quartet geben, dem wahrscheinlich legendärsten Streichquartett. Oder Jevgēnijs Čepoveckis, der längst in aller Munde ist. Er wird zweimal bei uns zu Gast sein, einmal mit seinem Oberton String Octet und einmal im Trio. Herausragend wird sicherlich auch das Simply Tango Projekt werden, das der Kunstuni Graz entstammt: Gemeinsam werden wir im Juni eine „Sommernacht in Buenos Aires“ mit lateinamerikanischer Musik zur Aufführung bringen.

Sopranistin Christiane Karg (Bild) wird am 12. April 2023 gemeinsam mit Anneleen Lenaerts an der Harfe im Musikverein konzertieren
Foto: Gisela Schenker

Ein großer Erfolg war in der vergangenen Saison das Konzert von Hubert von Goisern. Möchte man hinkünftig wieder Interpret*innen auf die Bühne der Hochkultur holen, die eigentlich wo anders zu Hause sind?

Die Zusammenarbeit mit Hubert von Goisern war sehr befruchtend, und wir werden auch weiterhin im Jazz- oder Popbereich aktiv werden. Dadurch holen wir neues Publikum ins Haus und bereichern natürlich auch unser Stammpublikum. Ganz grundsätzlich glaube ich aber, dass man nicht den Fehler begehen sollte, das Publikum in Schubladen zu stecken. Wichtig ist bei allen Stilen, höchste Qualität zu bieten.

Sie möchten verstärkt jüngeres Publikum ansprechen. Welche Angebote gibt es für unter 30-jährige?

Wir haben einerseits die 5-Euro-Tickets für Studierende und werden andererseits unter 30-Jährige mit speziellen Angeboten versorgen. Vor allem auch die Konzeption diverser Zyklen, die teilweise moderiert sind und wo es im Anschluss eine Jazz-Lounge bei uns gibt, sollen den Konzertgenuss entstauben.

Mit „Musikverein plus“ soll das Hauptprogramm noch facettenreicher werden. Was erwartet das Publikum in diesem Zyklus?

„Musikverein plus“ ist ein sehr interessantes Programm, in dem wir Tages- statt Abendkonzerte bieten. Hierfür haben wir Montagvormittag öffentliche Generalproben der Grazer Philharmoniker sowie drei Nachmittagskonzerte, in denen wir Studierende der Musikuni Graz fördern. Weiters die Kurzkonzerte im Rahmen der Soiréen. Schlussendlich auch die vier Kinder- und Familienkonzerte „Amabile“. All diese Konzerte schauen über den Tellerrand der Klassik hinaus, öffnen damit Fenster zu anderen Musikstilen und erweitern unser Kernprogramm.

Igor Levit wird am 9. Mai 2023 in einem Solistenkonzert im Musikverein zu erleben sein
Foto: Felix Broede

Sehen Sie Kunst und Kultur generell in der Verantwortung einer humanistisch orientierten Gesellschaft?

Ich denke, Kunst und Kultur kann zu einer besseren Welt beitragen. Speziell Musik, wo wir seit Jahrhunderten dieselbe, faszinierende Konstellation einer grenzenlosen Begegnung von Menschen haben. Dieses Erlebnis, wenn eine Gruppe für eine andere musiziert, ist nicht in Worte zu fassen. Musik verbindet und baut Brücken, insofern ist die Musik eine Botschafterin für den Frieden.

Wie wichtig sind Sponsoren und Förderer für den Musikverein?

Wir haben das Glück, dass wir seit über 15 Jahren schon eine große Bandbreite an befreundeten Institutionen an unserer Seite wissen. Zuallererst natürlich Stadt und Land, und hier gebührt insbesondere Kulturreferent LH Mag. Christopher Drexler großer Dank, das uns das Budget im Rahmen des dreijährigen Fördervertrages erhöht hat. Was auch eine große Anerkennung unserer Arbeit ist. Weiters ist natürlich die Steiermärkische Sparkasse als unsere Hauptsponsorin nicht wegzudenken und bildet eine unglaublich wichtige Brücke für uns, die über Jahrhunderte besteht. Sie alle tragen gemeinsam mit weiteren Unterstützern wie der GRAWE oder der Energie Steiermark dazu bei, dass der Musikverein das tun kann, was er ist: Nämlich das erste Institut für klassische Musik in der Steiermark zu sein.

www.musikverein-graz.at