Nach bewegten und aufregenden Ausflügen in die Werbung, die Musik und das Design hat sich der Grazer Künstler Georg Dinstl als freischaffender Maler etabliert. Ruhig geht es auf seinen Bildern deswegen aber noch lange nicht zu.
Text: Lydia Bißmann
Am Taggergelände, zwischen Schlachthof und Sturzplatz, in unmittelbarer Nachbarschaft zur Ateliergemeinschaft Schaumbad hat der aufstrebende Künstler Georg Dinstl seit diesem Jahr ein Atelier der Stadt Graz bezogen. Noch handelt es sich um einen Prekariumsvertrag, der jeden Moment gelöst werden kann. Das Bewerbungsverfahren für einen fixen Platz in dem hellen und freundlichen Haus, in dem Kunstschaffende zu einem günstigen Preis einen Arbeitsplatz von der Stadt mieten können, ist derzeit am Laufen. Georg Dinstl macht sich aber keine großen Sorgen. Zu sonnig ist sein Gemüt – zu entspannt seine Lebenshaltung. Der Musiker, Street-Artist und Grafikdesigner ist schon öfter mit seinem Atelier umgezogen, hat mehrmals die Branche gewechselt. Die Lust und Freude am Gestalten ist aber geblieben und treibt ihn an. „Es muss einfach raus. Früher habe ich die Zeitung gelesen und mich darüber geärgert, was in und mit der Welt passiert, und die Songtexte rausgeschleudert. Jetzt ist es halt nicht mehr die Stimme, sondern der Pinsel, mit dem ich das ausdrücke“.
Altruismus und Punk
Der punkige Hass auf die Gesellschaft und darauf, wie sie funktioniert, kommt bei Dinstl aber sehr freundlich daher. Seine teils großformatigen Bilder sind mit dick aufgetragenen Hintergründen versehen, die Tiefe und Raum liefern. In den Bildwelten, in eleganten Beige- und Grautönen, die an Sandstrände oder Mondlandschaften erinnern, tummeln sich freche, aber anmutige Wesen voller Power und Lebenswut, begleitet von gekritzelten Strichformationen oder Wirbeln. Kleine Regenwolken in Neonfarben wechseln sich mit Flächen in gedeckteren Farben ab, die in ihrem Auftritt an William Turners Himmel über dem englischen Meer ähneln. Vor einem gemütlichen Sofa mit Tischchen schwimmt ein dicker, blauer Geldhai. Der Künstler verarbeitet große Themen wie die Klimakrise, Kapitalismuskritik, aber auch persönliche Ereignisse, wie die Geburt seines Sohnes oder den Winzling selbst in seinen Bildern. Die Motive sind als solche nicht immer zu erkennen. Es ist aber weniger der Inhalt als das Spiel zwischen Leichtigkeit und Tiefgang, zwischen fröhlicher Nonchalance und Struktur, das die Augen der Betrachter auf die Leinwand zieht und Herz und Bauch berührt. Um Struktur in all ihren Erscheinungsformen geht es auch in seinem aktuellen Zyklus. „Ich bin ja ein alter Punk-Musiker. Strukturen und das Zerstören von Strukturen sind mein Ding. Auch mein Leben bekommt durch meine Jungfamilie jetzt eine neue Struktur.“ Der Begriff bezieht sich aber auch auf die Beschaffenheit der Bilder, die oft etliche Schichten Farbauftrag bekommen, bevor sie fertig sind. Fünf Quadratmeter Dinstl hieß der Titel seiner Schau, die im September im Alpengarten Rannach gezeigt wurde. Hierfür hat er schlicht die Fläche der gezeigten 13 Bilder zusammengerechnet. Weitere und etwas großformatige Werke werden in der Galerie GRILL in der Bürgergasse im November in einer Einzelausstellung zu sehen sein.
Angekommen in der Werkstatt
Georg Dinstl bezeichnet sich selbst als Autodidakt, der immer schon drauflos gemalt hat. Zuerst in der elterlichen Garage und später auf der Straße. „Skateboarden, Street-Art, Musik, das hat damals alles zusammengehört, wir haben es einfach gemacht.“ 2000 absolvierte er einen Lehrgang für Mediendesign. Für seine Band Antimaniax, mit der er bis 2005 durch ganz Europa tourte, schrieb er die Songtexte und entwarf Plattencover und T-Shirts für das Merchandising. Mit der Agentur Permanent Unit, die klassische Werbearbeit mit Kunst verbinden sollte, versah er mit Josef Wurm, Simon Lemmerer und Oliver Tomann Festivals und Events mit Street-Art. Später erledigte er Siebdruck, Posterproduktion und Raumgestaltung mit seinem Kollektiv „Das Voyeur“. Er gestaltete ein Wandgemälde für den steirischen herbst 2007, malte auf der Expo 2015 in Mailand, stellte am Kunstfestival Lendwirbel, dem Forum Stadtpark, dem Rostfest in Eisenerz und der Kombüse aus. Überall dort war er anzutreffen, wo es brodelt, sich bewegt und zischt, wo sich Subkultur, Aktivismus, Design und alternativer Lebensstil miteinander verbinden. Georg Dinstl ist nicht im Elfenbeinturm daheim, er verstand seine Kunst immer als Arbeit, bei der man sich auch schmutzig machen kann, bei der man schwitzt und mit der man nicht zuletzt Geld verdienen muss. Irgendwann machte sich aber der Wunsch nach mehr Ruhe und Zeit mit sich selbst in der Werkstatt bemerkbar. 2013 schrieb er sich in die Meisterklasse für Malerei in der Ortweinschule bei Erwin Talker ein, die er 2015 abschloss. Ausstellungen in Wien, Mexiko, Mailand und Budapest folgten. Seit 2017 kann er als freischaffender Künstler von seinen Arbeiten leben. „Es reicht für Butter, Brot und Bier“, lacht Dinstl.
Informationen zu Atelierhaus, Künstler:innenateliers der Stadt: Kulturamt der Stadt Graz, Stigergasse 2 (Mariahilfer Platz), 2. Stock; Tel. 0316 872-4905; kulturamt@stadt.graz.at; www.kultur.graz.at/kulturamt/109