Der Schauspieler August Schmölzer ist Initiator des Stieglerhaus in seinem Heimatort St. Stefan ob Stainz. Mit „Achtzig“ sprach er über Kulturvermittlung auf Augenhöhe in menschlich herausfordernden Zeiten.
Text: Sigrun Karre / Stefan Zavernik
Sie sind Initiator des Stieglerhaus in St. Stefan ob Stainz, das heuer sein 5-jähriges Jubiläum feiert. Wie kam es zur Gründung des Kulturhauses?
Ich bin damals aus Deutschland zurückgekommen nach St. Stefan und es hat sich dadurch ergeben, dass dieses sanierungsbedürftige Haus, ursprünglich ein Kaufhaus, da war und es eine Mäzenatin gegeben hat, die das ermöglicht hat. In der Folge wurde eine gemeinnützige Privatstiftung gegründet. Das Haus hat 600 Quadratmeter Innenfläche und 2.500 Quadratmeter Gartenfläche, die wir für verschiedenste Veranstaltungen nützen. Es ist eine Kultureinrichtung, die sich mit Begegnung, mit Kunst, Kultur und durchaus einer gewissen Form der Bildung beschäftigt. Hauptsächlich soll es ein Haus der Begegnung sein.
Was war die Erwartungshaltung, wie zeitgenössischer Kunst in der Region begegnet werden würde?
Meine Vorstandskollegen Daniela Majer, Lukas Zeinler und ich haben überlegt: Was will und was braucht man dort? Zeitgenössische Kunst am Land zu vermitteln ist sehr, sehr schwierig, weil der Zugang zu Kunst grundsätzlich für viele eine Hemmschwelle ist. Deshalb haben wir mit Dingen begonnen, die für viele zum Teil neu, aber relativ niederschwellig waren. So wollten wir etwa gutes Kabarett bieten, das auch etwas mitgibt und für den einen oder anderen den Zugang zu anderen Kunstprojekten eröffnet, die bei uns stattfinden. Wichtig ist mir, Menschen nicht liebedienerisch mit irgendetwas „hereinzulocken“ oder mit Besserwisserei etwas von oben herab erwirken zu wollen, sondern den Menschen auf Augenhöhe zu begegnen. Naheliegend ist es, Akteure vor Ort einzubinden, wie z. B. die Musikschule, diverse Vereine, Schulen und insbesondere die Jugend. Es braucht aus meiner Sicht Qualität, Kontinuität und viel, viel Geduld von beiden Seiten. Man könnte ruck-zuck ein großes Programm aufstellen, es ist aber wichtig, dass das Projekt einen gewissen Geist, ein Herz entwickelt, das lebendig ist und mit dem Haus, der Region, den Menschen verschmilzt. Das Persönliche ist mir auch sehr wichtig, deswegen bin ich auch wenn möglich vor Ort, begrüße die Menschen, das ist bei einem Haus in dieser Größenordnung möglich.
Früher war es die Kirche und der Dorfwirt, wo sich die Leute am Land getroffen haben. Die Dorfkultur existiert in dieser Form nicht mehr. Muss man sich neue Orte ermöglichen?
Solche Überlegungen waren sicher ein Grund, weshalb wir uns das angetan haben, denn es ist wahnsinnig viel Arbeit, die wir wirklich sehr gerne machen. Andererseits muss man natürlich aufpassen, nicht den Oberlehrer zu spielen, der alles weiß, oder sich einzubilden, man macht das für die Bevölkerung dort, weil die ein Defizit hätten. Die Menschen brauchen uns nicht, ihnen fehlt nichts. Sondern wir bieten ihnen etwas an, was sie in Anspruch nehmen können oder eben nicht, wo sie sich einbringen können oder eben nicht. Alles, was man anbieten kann, im Sinne dessen, was man unter Frieden summiert, halte ich für gut. Und wenn völlig unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Meinungen sich etwas gemeinsam anhören, ob das Musik ist, Theater, ein Vortrag, dann verbindet das. Es eint trotz Verschiedenheit. Und das ist etwas, was uns, glaube ich, in der Gesellschaft abhanden gekommen ist.
Sollte man eigentlich als Künstler*in das Land verlassen um erfolgreich zu werden? Sie selbst haben es getan.
Um das Bewusstsein zu erweitern, ist es unbedingt ratsam, den Platz, wo man sich auskennt, zu verlassen und wohin zu gehen, wo einen völlig neue Eindrücke erwarten. Es erweitert einen im Denken und Fühlen. Das sage ich auch den Jungen immer. Zurückkehren, so wie ich, kann man immer noch.
Welches Resümee ziehen Sie nach fünf Jahren Stieglerhaus, wohin könnte es in Zukunft gehen?
Bei den fünf Jahren waren durch Corona zweieinhalb verlorene Jahre dabei. Wir sind meiner Ansicht nach auf einem sehr guten Weg und unternehmen derzeit gerade eine Supervision über das, was wir machen und wie wir es machen, und darüber, welche Ziele wir haben. Es gibt eine Reihe spannender Ideen, die noch sortiert und besprochen werden, dazu werden wir uns auch fachliche Beratung holen. Unser Ziel ist, dass dieses Haus irgendwann unabdingbar wird, dass die Menschen und auch natürlich die Politiker irgendwann sagen, „dieses Haus ist nicht mehr wegzudenken“, wie z. B. das Greith-Haus im Sulmtal. Wir bieten ein breit aufgestelltes Programm, ein wunderschönes Projekt war z. B. Augenschein, wo ein Riesenauge auf der Gebäude-Außenwand abends leuchtend in den Ort schaut. Oder ORTART, ein Ausstellungsprojekt bildender Kunst, kuratiert von der Künstlerin Veronika Erhart. Es gibt im Garten viele Möglichkeiten für bildende Künstler*innen, die aber zu einem Gesamtkonzept passen sollten. Meine Aufgabe sehe ich darin, dass ich das, was ich an den Menschen dort kenne, weil ich ja selbst von dort bin, behutsam zu bergen versuche.
Das Literaturfestival „worte bewegen“ fand mitten in der Pandemie im Herbst 2020 erstmals im Stieglerhaus statt. Wir leben in einer Zeit, die gefühlt zwischen Sprachlosigkeit und einem Kommunikations-Overflow pendelt. Angesichts von Krieg und Krisen, was können Worte tatsächlich bewegen?
Den Titel habe ich mir überlegt. Es geht grundsätzlich darum, dass Lesen etwas Wichtiges ist, um Kultur und Leben zu erfahren. Sich selbst, aber auch die Fantasie weiterzubilden. Diese Faszination, durch Lesen seine Fantasie anzuregen, sein individuelles Denken erweitern zu können, das war das, was uns gefallen hat, und das wollten wir befördern. „Worte bewegen“ bedeutet ja im eigentlichen Sinn auch, ich bewege Worte, wenn ich Worte gebrauche, wenn ich schreibe, wenn ich lese, dann bewegen Worte ja auch mich.
Infos und Programm: www.stieglerhaus.at