Weiß Graz eigentlich, dass hier an der Kunstuni die besten Schauspielerinnen und Schauspieler des deutschen Sprachraums ausgebildet werden?
Jahr für Jahr findet an wechselnden Orten der Bundeswettbewerb deutschsprachiger Schauspielstudierender (bekannt auch als „Schauspielschultreffen“) statt, bei dem sämtliche Schauspiel-Institute aus Deutschland, Österreich und der Schweiz teilnehmen, an denen ein offizieller Abschluss erworben werden kann. Keine andere Institution hat hier in den letzten 10 Jahren so viele und so wichtige Preise abgeräumt wie das Grazer Schauspielinstitut. Und die jungen Künstlerinnen und Künstler reüssieren auch am Markt, denn ihre Erfolge reißen nach dem Studium nicht ab.
Ausgezeichnete Schauspielerinnen und Schauspieler
So waren beim Nestroypreis 2022 gleich zwei junge KUG-Absolventen als „Bester Nachwuchs männlich“ nominiert und eine – ebenso junge – ehemalige KUG-Studentin sogar in der begehrten Kategorie „Beste Schauspielerin“: Frieder Langenberger, inzwischen Ensemble-Mitglied des Schauspielhaus Graz, war für seine Rolle als Salvatore Brandt in Garland auf der Shortlist, Lukas David Schmidt für seinen Part in Leicht von Esther Muschol und Benjamin Rufin (Uraufführung, Theater Drachengasse). Julia Franz Richter wiederum hätte die Auszeichnung für ihre Rolle in Karoline und Kasimir – Noli me tangere des Nature Theater of Oklahoma nach Ödön von Horváth (Uraufführung, Volkstheater) erhalten.
Zum ersten Mal treten die KUG-Schauspielstudierenden am Ende ihres zweiten Studienjahres prominent in Erscheinung: Da ist eine Sommertheaterproduktion zu erleben, die immer wieder dazu einlädt, spannende Orte unter freiem Himmel als „Bühne“ zu entdecken. 2022 war es das Areal des LKH-Universitätsklinikums, das mit einer sehr frei nach Shakespeare gestalteten Sommernachtstraum-Inszenierung von KUG-Professorin Ute Rauwald bespielt wurde. Die Arbeit war in der Folge auch am ClassFest, dem einzigen Festival für Film- und Theaterschulen in Moldawien, zu sehen – und brachte von dort prompt eine weitere Auszeichnung mit nach Hause.
So richtig los geht es dann aber mit dem jeweils dritten KUG-Schauspiel-Jahrgang. Dieser ist sowohl mit einer großen Produktion an der KUG zu erleben als auch am Schauspielhaus. Dort geben die Studierenden aktuell eine Dramatisierung von Herman Melvilles Monumentalroman Moby Dick (Regie: Lorenz Nolting)
Moby Dick am Schauspielhaus Graz
Herman Melvilles 900-seitiger Roman ist ein ebenso großartiger wie rätselhafter Monolith über die Jagd nach dem titelgebenden weißen Wal, der Generationen von Forschenden Nächte voller Inspiration und Schlaflosigkeit gekostet hat. Regisseur Lorenz Nolting macht sich mit den Schauspielstudierenden ebenfalls auf die Jagd. „Das Deck der Pequod knistert elektrisch, ein fünf Meter großer Ahab schreitet in den Marianengraben und siebzig Barrel Öl schießen aus dem Rückenmark eines T-Rex in den sternenblauen Nachthimmel Minnesotas, nur um von den gierigen Lefzen raubtierartiger Ford Fiestas aufgesogen zu werden. Es ist Winter in Graz, Sommer auf dem Pazifik und Herbst im Herzen derjenigen, die das suchen, was schon einmal war. Der Maschinenraum kocht und die Harpunen sind so scharf, dass sie Fenster in andere Dimensionen schneiden könnten, wenn sie nicht auf dieses wunderschöne Tier gerichtet wären: Moby Dick.“ (Lorenz Nolting)
Getragen von den Geschichten des industriellen Zeitalters und eigenen Texten rast das Ensemble durch Melvilles Roman, vorbei an Bitcoin-Gebirgen, explodierenden Ozeanen und einem flirtenden weißen Wal, der mit tiefer Stimme neckisch sagt: „Wer bin ich? Fangt mich – wenn ihr könnt.“ Vielleicht fragt er aber auch „Wer seid ihr?“ Und das ist in dem Zusammenhang vielleicht die viel wichtigere Frage. (Nächste Termine: 18. Februar sowie 21. und 25. März)
Stückentwicklung TEMP:EST an der KUG
Auf die KUG-Schauspiel-Bühne im Theater im Palais kommt heuer eine Stückentwicklung, die der dritte Jahrgang gemeinsam mit Regisseur Ed Hauswirth (Theater im Bahnhof) erarbeitet. Mit im Ensemble ist auch eine ukrainische Kollegin. Mein Leben im kommenden Sturm lautet der Untertitel des Stücks, das unter anderem vom US-amerikanischen Dokumentarfilm Paris Is Burning inspiriert ist. (Paris brennt zeigt die New Yorker Ballroom Culture der 1980er-Jahre, eine queere Ausdrucksform der afroamerikanischen und Latino-Community.) Die Studierenden bewegen sich im Rahmen der vielsprachigen Arbeit bewusst weg vom künstlerischen Kontext, für den sie ausgebildet werden, und spüren der Frage nach, wo sie als Arbeitsuchende sonst stehen könnten: in der Tourismus- und Hotelbranche, im Speditionswesen, beim AMS … oder als Model am Laufsteg. Schon einmal hat Ed Hauswirth mit KUG-Schauspiel-Studierenden gearbeitet – mit Erfolg: Die damals, 2015, entstandene Arbeit räumte beim Schauspielschultreffen die meisten und wichtigsten Preise ab. Mit dabei war auch die Schauspielerin Julia Franz Richter. (Premiere TEMP:EST am 4. März)
Moby Dick
Schauspielhaus Graz, Haus Zwei
21.&25.3.2023, jeweils 20 Uhr
TEMP:EST
Mein Leben im kommenden Sturm
Kunstuniversität Graz, Theater im Palais
4.3., 6.–11.3.2023, jeweils 19.30 Uhr