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Im Lager der Kunstmusik

Peter Benstein, Bill Stewart, Larry Goldings (v. l.)

Der Jazz ist in Graz ein fixer Bestandteil des kulturellen Lebens. Was die Musikrichtung heute ausmacht, darüber sprach „Achtzig“ mit Jazzclub-Betreiber Otmar Klammer.

Text: Stefan Zavernik

Ist Graz eine Jazz-Stadt?

Ich besuche das ganze Jahr über sehr viele internationale Jazzfestivals und Clubs und darf deshalb ungeniert behaupten: Graz ist eine Jazzstadt! Verglichen mit seiner Größe hat Graz jazzmäßig mit allen Genres im Umfeld so viel zu bieten, wie es sonst kaum in Millionenstädten zu finden ist. Gerade etwa komme ich von einem Konzert in Neapel, wo jazzmäßig sonst tote Hose herrscht. Auf alle Fälle kenne ich keine europäische Stadt in der Größenordnung von Graz, die uns hier das Wasser reichen könnte. Wir haben zwar kein großes Jazzfestival in der Stadt, dafür mehrere kleine Spezialfestivals, die ein großes Spektrum repräsentieren.

Jazz ist als Musikrichtung überaus vielfältig. Wenn heute von Jazz in Graz die Rede ist, welche Art von Jazz wird dann in der Regel aufgeführt?

Genau das lässt sich für Graz nicht festmachen. Das ist in Graz gewissermaßen systemimmanent und hat mit der Tradition als ehemalige Avantgarde-Stadt zu tun. Stichworte: früher steirischer herbst, Free Jazz im Forum Stadtpark, Impro-Szene im Jazz und im elektronischen und experimentellen Bereich.

Otmar Klammer

Wie populär ist Jazz beim Grazer Kunst- und Kulturpublikum? Kann Jazz massentauglich sein?

Der massentaugliche Jazz nannte sich vor vielen Jahrzehnten Swing. Heute sind es nur noch die großen Sängerinnen und Sänger oder einige Soft-Jazzer wie Till Brönner, die die Massen anlocken. Selbst Leute wie Pat ­Metheny oder Brad Mehldau füllen bestenfalls nur Konzerthäuser um die 1.000 Besucher. Denn der Jazz ist längst in der Kunstmusik angekommen oder hat sich sonst auf andere, kleinere Lager verteilt. Aber wie überall in der Kunst – besonders in der Klassik – spielt die museale Verwertbarkeit auch im Jazz noch eine allgegenwärtige Rolle. Die Klassik leidet heute aber unter der Erschöpfung des Repertoires, der Jazz nur unter der Verallgemeinerung des Begriffs.

Was macht für Sie zeitgenössischen Jazz aus?

Grundsätzlich die Bereitschaft zur uneingeschränkten Offenheit. Der Spannungsverlauf muss über harmonische Kühnheit, rhythmische Komplexität und den Eindruck des Unerwarteten führen.

Jazzclubs haben in Graz eine lange Tradition. Wie viele Jazzclubs gibt es aktuell in Graz, die kontinuierlich Konzerte veranstalten?

Aktuell kann man von 5 bis 7 Clubs sprechen, so genau lässt sich das gar nicht sagen, weil manche ja auch spartenübergreifend arbeiten. Es gibt aber mehr Jazzveranstalter, auch solche ohne Club oder eigene Heimstätte. 

Martin Iaies

Sie selbst betreiben den Jazzclub Stockwerk Jazz. Was wird gespielt? Wie viele Konzerte finden im Jahr statt? Wer zählt zu Ihrem Publikum?

Wir versuchen, uns mit kreativem zeitgenössischen Jazz und innovativer Improvisationsmusik zu profilieren. Die Trendsetter Berlin, London und Brooklyn spielen dabei nach wie vor eine tragende Rolle. Im laufenden Jahr werden wir etwa 55 Konzerte veranstalten, wir hatten aber auch schon um einige mehr. Wir haben sehr viele Stammgäste, erfreuen uns aber seit einigen Jahren auch an einer völlig neuen Publikumsschicht.  

Wie erleben Sie den Jazz-Nachwuchs der Stadt? Gehen junge Musiker anders an den Jazz heran?

In den vielen Jahren habe ich viele Bands in dieser Stadt kommen und gehen gesehen. In manchen Jahren hatten wir extrem viele Bands in der Stadt, dann wieder weniger, je nach Jahrgang. Irgendwann gehen die meisten dann nach Wien oder Berlin, einige nach New York. Ihre Herangehensweise an den Jazz ist in den meisten Fällen doch recht traditionsgebunden, vielfach auch ein wenig akademisch. Erst wenn sie nach Jahren mit eigenen Projekten von auswärts wieder zurückkommen, zeigen viele die Reife, Entschlossenheit und Originalität, die man sich als Veranstalter wünscht. 

Hank Roberts

Seit mehreren Jahren gibt es die Vereinigung grazjazz, hinter der sieben Grazer Jazz-Veranstalter stehen. Was ist das Ziel der Initiative?

Zusammen mit Gerhard Kosel, Berndt Luef und Burschi Wachsmann haben wir im Herbst 1998 das Jazzkartell Graz als Reaktion auf das Gratisspektakel des Grazer Jazzsommer ins Leben gerufen. Daraus wurde schließlich die Plattform grazjazz mit heute acht Veranstaltern als Mitglieder (einschließlich LeibnitzKult als Expositur), die sich mit vielen verschiedenen Maßnahmen gemeinsam für die Jazzstadt Graz stark machen will. Die Terminkoordination scheitert manchmal allerdings noch immer daran, dass eine Woche nur sieben Tage hat.

Am 24. März findet in Graz wieder die Jazz-Nacht statt. Was wird hier geboten?

Jeder der teilnehmenden Clubs bzw. Jazzveranstalter bringt sich mit mindestens einem solchen Konzert in diese lange Jazz-Nacht ein, das sein jeweiliges Jahresprogramm explizit repräsentieren soll. Wir wollen ja vor allem ein neues Publikum gewinnen bzw. uns diesem vorstellen. Heuer werden das 16 Konzerte sein, die man alle mit einem Ticket zum Preis eines Konzertes besuchen kann. Zwischen brasilianischer Musik, Hardbop und Freejazz ist alles drin.

Harry Sokal

Jazz Highlights der kommenden Wochen

Groove – Sokal, Wressnig, Deutsch
16., 17. und 18.2., jeweils 20 Uhr
Tube’s, Grieskai 74a, 8020 Graz
Tickets und weitere Infos: www.tubes-music.at

Larry Goldings, Peter Benstein, Bill Stewart
21.2., 20 Uhr
Stockwerk, Jakominiplatz 18, 8010 Graz
Tickets und weitere Infos: www.stockwerkjazz.mur.at

grazJAZZnacht2023
24.3., ab 19.30 Uhr
Unterschiedliche Veranstaltungsorte
Tickets und Infos: www.grazjazz.at

Hank Roberts Trio, open music
28.3., 20 Uhr
Tube’s, Grieskai 74a, 8020 Graz
Tickets und weitere Infos: www.openmusic.at

Martin Iaies 10tet
28.3., 20 Uhr
WIST, Moserhofgasse 34, 8010 Graz
Tickets und Infos: www.grazzjazz.at