Marko Mele ist seit dem 1. Jänner 2023 neuer wissenschaftlicher Leiter des Universalmuseums Joanneum. Im „Achtzig“-Interview spricht er über sein Konzept, mit dem er das Museum in die Zukunft führen will.
Text: Stefan Zavernik
Wie gut hat die Einarbeitung funktioniert?
Die ersten Wochen waren bereits intensiv. Ich wollte so schnell wie möglich mit allen Kolleginnen und Kollegen ins Gespräch kommen. Ich besuche alle Abteilungen, um mein Konzept zu diskutieren, damit ich es weiterentwickeln kann.
Was sind die zentralen Punkte Ihres Konzeptes, mit dem Sie das UMJ nun in die Zukunft führen werden?
Vieles in meinem Konzept habe ich in den letzten Jahren im Kleinen als Chefkurator für Ur- und Frühgeschichte bereits ausprobiert. Ganz wesentlich sind für mich Innovationen. Man wacht nicht auf und hat plötzlich die neue große Idee, die alles verändern kann. Für Innovationen braucht es das richtige Umfeld, in dem getestet werden kann und in dem es auch die Möglichkeit gibt, Experimente machen zu können. Werden Fehler richtig aufgearbeitet, können sie ein Unternehmen weiterbringen.
Hätten Sie ein konkretes Beispiel für uns, wie Innovationen im Museumsbereich aussehen könnten?
Ich kann ein Projekt aus der Archäologie anführen, das unter meiner Leitung verwirklicht wurde. Mit dem Projekt „Iron-Age-Danube“ wurden wir als eines der innovativsten Projekte Europas ausgezeichnet. Warum? Weil wir unter Einbindung von neuen Technologien den Blickwinkel verändert haben. Wir haben uns nicht nur auf einzelne Objekte und Fundstellen konzentriert, sondern auf ganze Landschaften und Bereiche, die man in der Forschung bisher so nicht im Fokus hatte.
Welche Bereiche neben der Innovation sind noch wesentlich für Ihr Konzept?
Die Partizipation ist mir ganz besonders wichtig. Wir wollen die Menschen in die Ideenentwicklung des Museums einbinden. Die Öffentlichkeit soll sich eingeladen fühlen, Ideen mitzuentwickeln. Der dritte wichtige Bereich ist das „Rausgehen“. Wir müssen die Menschen außerhalb unserer Museen abholen.
Wo sehen Sie für das UMJ die größten Chancen? Wo braucht es Veränderung?
Wenn es um Innovation geht, sehe ich in allen Bereichen Chancen. Nicht nur in den Ausstellungen und in der Vermittlung, auch in den Arbeitsfeldern, die für die Öffentlichkeit nicht so sichtbar sein können. Was ich aber ganz bestimmt nicht vorhabe, ist, den einzelnen Häusern vorzuschreiben, wie sie geführt werden sollen. Das ist nicht meine Aufgabe. Ich denke auch nicht, dass ein so komplexes Unternehmen wie das Universalmuseum Joanneum von einer oder zwei Personen an der Spitze „regiert“ werden sollte. Eine meiner zentralen Aufgaben wird es aber sein, mehr Vernetzung unter den einzelnen Häusern zu realisieren. Es wird auch nicht alles anders werden. Das ist mir hier sehr wichtig anzusprechen. Es wird Dinge geben, die sich in bestimmten Häusern besser umsetzen lassen als in anderen.
2022 erreichte das UMJ einen Besucherrekord. Welche Ziele setzen Sie sich in Hinblick auf Besucherzahlen?
Die Besucherzahlen werden sicherlich ein wichtiger Bestandteil der Bewertung unserer Leistung bleiben. Es gibt aber auch noch viele weitere Kennzahlen. Was mich speziell interessiert, ist, wie unser Museum öffentlich wahrgenommen wird. Woran liegt es, dass bestimmte Ausstellungen besser besucht werden als andere? Am eingesetzten Marketingbudget? Allein am Inhalt der jeweiligen Ausstellung? Hier möchte ich Erkenntnisse sammeln. Dadurch können wir das Museum maßgeblich weiterentwickeln.
Wenn es um Besucherzahlen geht, ist vor allem das Kunsthaus Graz immer wieder im Mittelpunkt von Diskussionen. Was erwarten Sie sich von diesem Haus?
Ich denke, unsere neue Geschäftsführerin Andreja Hribernik bringt alle Voraussetzungen mit, um das Haus in den nächsten Jahren erfolgreich weiterzuentwickeln. Ich habe auch Vertrauen in das Team, das ihr zur Seite steht. Vorgaben möchte ich keine geben.
Spartenübergreifend gefragt: Was macht für Sie eine gute Ausstellung aus?
Einer guten Ausstellung gelingt es, mich zu überraschen. Und es sollten Themen behandelt werden, die gesellschaftlich relevant sind.
Immer wieder werden „Mega-Ausstellungen“ angeführt, wenn es darum geht, mehr Publikum zu erreichen. Hätte das UMJ die finanziellen Möglichkeiten dazu?
Ob man das Universalmuseum Joanneum wirklich in eine Richtung entwickeln sollte, in der es nur solche großen Ausstellungsprojekte am laufenden Band gibt, bezweifle ich. Ein großes Potenzial sehe ich bei breit aufgestellten internationalen Kooperationen. Unsere Sammlungen können in solchen Projekten auch tragende Rollen übernehmen.
Der größte Schatz des Museums sei seine Sammlung, heißt es. Was sind die wertvollsten Objekte, die im Besitz des UMJ sind?
Den Wert eines Museumsobjekts ist eigentlich sehr schwer zu bestimmen. Viele Objekte sind für mich als Wissenschaftler sogar unbezahlbar. Aus der Sicht der Versicherung ist der „Kultwagen von Strettweg“ mit rund 60 Millionen Euro Bewertung außerordentlich wertvoll. Aus der Sicht der Identifikation der Steirer*innen ist es vielleicht der „Steirische Herzogshut“. Die Positionen, die in der Ausstellung Kunstraum Steiermark gezeigt werden, haben für mich einen großen Wert für die Darstellung des Potenzials und der Kreativität der regionalen Kunstszene.
Welche Zielgruppen sollten in Zukunft noch besser erschlossen werden?
Mit dem freien Eintritt für unter 19-Jährige wurde ein wichtiger Schritt gesetzt, junge Menschen einzuladen. Es gilt jetzt, weiterhin Programme zu schaffen, die diese Generation begeistern. Ich denke, großes Potenzial gibt es auch bei den Menschen, die mitten im Leben stehen. Die sogenannten Middle Ager. Sie arbeiten viel, haben Familie und bringen einen Museumsbesuch nicht so einfach unter. Diese sollten wir versuchen abzuholen.
Wie stehen Sie zur Idee, dass öffentliche Museen für die Bevölkerung kostenlos zugänglich sein sollen?
Diese Idee kommt aus dem britischen Raum, obwohl auch dort nur ausgewählte Bereiche in einzelnen Museen kostenlos zugänglich sind. Auch beim British Museum müssen Besucher*innen für bestimmte Ausstellungsbereiche Eintritt bezahlen. Ich denke, Museen bieten großartige Angebote, die weiterhin ihren Preis haben sollten.
Welche Kulturangebote nutzen Sie privat? Haben Sie ein Lieblingsmuseum in Europa?
In Wien und Ljubljana gibt es einige Museen, die mich faszinieren. Für mich persönlich sind Museumbesuche Erlebnisse, die ich mit der gesamten Familie unternehme. Ich suche die Häuser auch danach aus, wie familientauglich sie sind. Wie etwa das Naturhistorische Museum und das Technische Museum in Wien oder das Zentrum der Weltraumtechnologien von Herman Potočnik Noordung in Vitanje.