Schauspielerin Julia Faßhuber und THEO-Leiter Peter Faßhuber im Gespräch mit „Achtzig“ über familiäre Nähe zum Publikum, das Erzählen von Geschichten ohne erhobenen Zeigefinger und den aktuellen Spielplan.
Text: Sigrun Karre / Stefan Zavernik
„Neue Stücke, neue Erfahrungen“ lautet der aktuelle THEO-Slogan. Nach welchen Kriterien werden die Stücke ausgewählt?
Peter Faßhuber: Wir arbeiten seit 1991 in einer kleinen Gemeinde am Land und sind schon länger ein professionelles Haus mit professionellen Schauspieler*innen. Würden wir in Wien oder Graz Theater machen, ginge es darum, eine Nische zu finden. Das THEO hingegen hat sich als eine Art „Stadttheater am Land“ positioniert. Wir haben jedes Jahr sechs neue Stücke, darunter ein Kinderstück, sowie mehrere Wiederaufnahmen. Der Slogan steht also für eine Bandbreite, wir können und wollen uns nicht inhaltlich festlegen.
Aber es gibt eine formale Klammer: das Sprechtheater, die Theaterliteratur.
Peter Faßhuber: Ja. Wir sind ein zeitgenössisches Theater, wir interessieren uns für zeitgenössische Theaterliteratur, entwickeln pro Jahr auch ein bis zwei Uraufführungen und führen zumindest einen Klassiker pro Jahr auf. Goethe, Tschechow, Büchner, Horvath etc. kommen also immer mit Bezug zum Heute auf die Bühne.
Sie waren ursprünglich Gendarm, was war damals die Motivation das THEO zu gründen und was hat sich retrospektiv aus der damaligen Idee entwickelt?
Peter Faßhuber: Am Anfang war das THEO eine Amateur*innengruppe, wir haben alle leidenschaftlich gerne Theater gespielt. Ernsthaft was verstanden vom Theater habe ich damals noch nicht, deswegen habe ich über viele Jahre neben Beruf und Familie viele Workshops und Kurse besucht, den Austausch mit anderen Theatermacher*innen in Form von Theaterfesten und den Theaterbegegnungen organisiert. In den frühen 1990ern hat sich die freie Szene in der Steiermark langsam entwickelt, der erste Vorreiter war Willi Bernhard in Graz in den 80ern, dann kamen das Theater im Bahnhof, Kürbis Wies, das Theaterzentrum Deutschlandsberg usw. dazu. Das TiB und wir sind dann den Weg der Professionalisierung gegangen, das ist aber passiert, es war nicht geplant.
Das THEO als ein Theater im ländlichen Raum ist mittlerweile eine Institution in der Steiermark. Wer ist „euer“ Publikum?
Peter Faßhuber: Die Menschen kommen aus einem Umkreis von 70 Km und darüber hinaus, deswegen passt die Bezeichnung „Schauspielhaus der Obersteiermark“ nicht schlecht. Wir haben mittlerweile überregionale Strahlkraft bis nach Graz. Das ist gut so, denn wir könnten nicht 100 bis 120 Vorstellungen à 100 Leute für 900 Einwohner*innen spielen.
Mit „Der Zauberberg“ startet im Februar das Theaterjahr gleich mit einer Uraufführung. Was ist interessant an diesem „alten Stoff“ und wie adaptiert man einen 1000-Seiten-Roman für die Bühne?
Peter Faßhuber: Die Vorgeschichte ist die, dass Oberzeiring eine Kuranstalt mit Heilstollen für Atemwegserkrankungen hat und auf 930 Meter Seehöhe liegt. Das hat unseren Regisseur Holger Schober dazu inspiriert lange Zeit davon zu träumen bei uns „am Berg“ den Zauberberg zu machen. Jetzt ist es so weit.
Julia Faßhuber: Der Plot wurde reduziert auf vier Schauspieler*innen. Wenn man jetzt den Roman nicht kennt, würde man beim Lesen der Stückbearbeitung nicht auf die Idee kommen, dass das nicht von vorneherein ein Stück gewesen ist. Es wird viel im Chor gesprochen und charakteristisch ist bei aller Tragik, eine große Komik des Stücks, das macht es für mich als Schauspielerin interessant.
Mit „Toulouse“ bringt das THEO im April einen Beziehungs-Thriller von David Schalko auf die Bühne. Um was geht’s?
Peter Faßhuber: Es ist ein „saugut“ gebautes Kammerspiel und radikal in jeder Form: 90 Minuten Echtzeit im Leben zweier Menschen radikal auf die Bühne gebracht, radikal in der sexuellen Anziehung zwischen den beiden Protagonist*innen, radikal in Bezug auf das Geschehen im Außen und radikal in seiner finalen Zuspitzung.
Im Mai feiert „Atmen“ des britischen Dramatikers Duncan Macmillan Premiere am THEO. Was hat Sie, Julia Faßhuber, als Regisseurin an diesem Stück gereizt?
Julia Faßhuber: Ich habe den Text bereits mehrmals in der Hand gehabt und letzten Sommer beschlossen, dass Stück auf die Bühne zu bringen, weil ich finde, dass die Frage „Ist es in Zeiten der Klimakrise verantwortungsvoll ein Kind in die Welt zu setzen?“ auch 10 Jahre nach Uraufführung des Stücks brandaktuell bleibt. Der Text ist irrsinnig knappes, rasantes Ping-Pong, dadurch ist es bei aller Dramatik kurzweilig. Spannend finde ich den langen zeitlichen Bogen vom Moment, wo das Paar an der Ikea-Kassa über Nachwuchs nachdenkt bis hin zum Moment, wo beide alt sind und am Ende ihres Lebens stehen.
Sozusagen der Gegenentwurf zum Schalko-Text.
Peter Faßhuber: Genau.
Im Juli inszeniert das THEO Stefan Vögels Komödie ‚Romys Pool‘. Der Titel klingt nach Sommer und französischem 1970er Kino. Worum geht’s?
Peter Faßhuber: Eine alte Frau, die lebenslang vom Mann betrogen wurde und nun von den Kindern ins Pflegeheim abgeschoben werden soll, erfüllt sich einen Wunsch: Einmal wie Romy Scheider in „Swimmingpool“ im Swimmingpool zu schwimmen. Zu diesem Zweck lässt sie sich einen Pool bauen, weil sie Nichtschwimmerin ist, braucht es auch einen Schwimmlehrer, daraus ergeben sich dann unzählige Verstrickungen… Es gibt die wunderbare These, dass jeder Komödie eine Tragödie zugrunde liegt, dieses Stück belegt diese These durchaus. Wir haben mit Petra Stock eine Schauspielerin, die wie geschaffen ist für diese Rolle, was zur Auswahl des Stücks beigetragen hat.
Viele Theater verzeichnen einen Publikumsrückgang im Vergleich zu den Jahren von vor der Pandemie. Sie sprechen von guter Auslastung, was bedeutet das konkret?
Julia Faßhuber: Wir haben zumindest 90 Prozent Auslastung, manchmal auch 100 Prozent. Das hat mehrere Gründe: Es ist nicht unbedingt die Ausnahme, dass ich einer Dame an der Abendkasse ihr Ticket verkaufe, dann als Schauspielerin auf der Bühne stehe und derselben Dame nach der Aufführung an der Bar ein Glas Wein einschenke. Dadurch entsteht eine familiäre Nähe zum Publikum. Außerdem haben wir ein fixes, mit Bedacht ausgewähltes Ensemble und das Publikum kommt, um diese Schauspielerin oder jenen Schauspieler auf der Bühne zu sehen. Und ich denke wir machen Theater, das die Menschen interessiert, wir erzählen Geschichten.
Peter Faßhuber: Wir nehmen das Publikum ernst. Ich glaube beobachtet zu haben in den vielen Jahren meiner Tätigkeit im Theaterbereich, dass es manchen Regisseur*innen und Intendant*innen wichtiger ist, in „Theater heute“ mit einer guten Nachrede zu stehen, als das Haus voll zu haben. Da wird mitunter bewusst am Publikum vorbeiproduziert. Parteipolitik oder Moralisieren ist nicht unser Verständnis von dem, was Theater tun soll und kann. Den Zeigefinger, der oft in Stadttheatern auf der Bühne in Richtung Publikum erhoben wird mit der Botschaft: „Weil du nicht so denkst, bist du rechtsradikal!“, halte ich für kontraproduktiv. Leute, die ins Theater gehen, sind in der Regel ja genau das nicht.
Premieren Im THEO 2023
15.2.2023, 20 Uhr: Der Zauberberg
5.4.2023, 20 Uhr: Toulouse
17.5.2023, 20 Uhr: Atmen
26.7.2023, 20 Uhr: Romys Pool