Künstlerin und Kuratorin Nicole Pruckermayr übernimmt die Leitung der Steirischen Kulturinitiative und möchte die Kunst zu den Menschen bringen. Aktuell in der Ausstellung „Wegbrechen Aufbrechen“ in der Kunsthalle Feldbach.
Text: Wolfgang Pauker
Die Steirische Kulturinitiative ist seit 1977 Produzentin und Vermittlerin in den Bereichen bildende und Medienkunst, Tanz, Theater und Literatur. Wie möchten Sie sie hinkünftig positionieren?
Zuerst möchte ich einen Blick zurückwerfen und von ganzem Herzen zum Ausdruck bringen, wie unglaublich es ist, was in der Steirischen Kulturinitiative über die Jahre geleistet wurde. Es wird im zweiten Halbjahr 2023 eine Publikation geben, die sich dem vorhandenen Archivmaterial und vor allem der umfassenden Arbeit von Herbert Nichols-Schweiger widmen und eine Aufarbeitung dieser Arbeit sein wird. Auch muss ich klar sagen, dass es ein Drei-Jahres-Programm gibt, das ich speziell in diesem Jahr von meiner Vorgängerin Edith Risse in weiten Teilen übernommen habe und das im Wesentlichen ihren Ideen folgt. Insofern fühle ich mich in erster Linie geehrt, die KI übernehmen zu dürfen, möchte aber gleichzeitig meine eigenen Spuren hinterlassen. Zentrales Anliegen ist mir die Förderung junger Kunst, weshalb ich nach wie vor in der Lehre – aktuell an der Akademie der bildenden Künste in Wien – tätig bin.
Sie sind, was Ausbildung und künstlerischen Background betrifft, stark in der Architektur verwurzelt. Fasziniert Sie das konkrete Bauwerk oder das Leben im urbanen Raum?
Während meines Architekturstudiums sowie später bei der Tätigkeit als Uni-Assistentin von Hans Kupelwieser am Institut für zeitgenössische Kunst der TU Graz oder freiberuflich habe ich stets den Fokus auf Kunst im öffentlichen Raum gelegt. Mehr als gebaute Einzelarchitektur, die schön sein kann oder nicht, interessiert mich das Dazwischen. Also die Räume, die sich zwischen Bauwerken auftun. Dieses Arbeiten im öffentlichen Raum, im besten Fall mit Menschen, fand ich immer spannend. Egal ob im urbanen oder im ländlichen Umfeld.
Wird sich die Kunst im öffentlichen Raum als zentrales Thema Ihres Kunstschaffens auch als roter Faden durch Ihr Programm der Kulturinitiative ziehen?
Ich beschäftige mich tatsächlich zeit meines Lebens mit Kunst im öffentlichen Raum. Weil ich der Meinung bin, dass die Kunst – und hier kommt sicherlich die KI verstärkt ins Spiel – auch zu den Menschen kommen kann. Nicht immer nur die Menschen zur Kunst. Mein Zugang ist, Kunst ihrem Publikum möglichst niederschwellig näherzubringen. Ob diese Kunst dann als gut oder schlecht empfunden wird, ob man dafür oder dagegen ist, ist meiner Meinung nach zweitrangig, solange man sich damit beschäftigen kann. Und das ist im öffentlichen Raum einfach viel leichter möglich als in einem Ausstellungsraum – wo man natürlich auch tolle Dinge realisieren kann, keine Frage. Aber was mich persönlich reizt, ist, konfrontiert zu werden mit Kunst an Orten, an denen man nicht damit gerechnet hat und damit die Möglichkeit bekommt, seinen Horizont zu erweitern. Quasi im Drüberstolpern.
Ist hier im Programm 2023 bereits etwas geplant?
Diese Thematik führt mich tatsächlich zum zweiten Programmpunkt des Jahres, der ein Symposium am 14. April im Haus der Architektur zum Thema „Teilhabe“ sein wird. Es wird um kulturelle Teilhabe, um partizipative Kunst und Möglichkeitsräume, die sich auch in der Stadt Graz zum Beispiel durch das Areal Reininghaus oder generell dem Grazer Westen manifestieren, gehen. Hierfür kommen Persönlichkeiten zusammen, die österreichweit mit künstlerischen Beteiligungsprozessen arbeiten. So wird etwa Elke Zobl aus Salzburg dabei sein, die mit verschiedenen Forschungsarbeiten Beteiligungsformate auslotet. Es wird auch Elke Rauth von „dérive – Verein für Stadtforschung“ teilnehmen, die mit dem urbanize!-Festival einiges auf den Weg gebracht hat. Auch Beispiele aus Linz kommen vor, vom Verein Schwemmland oder der Stadtwerkstatt oder etwa SOHO in Ottakring aus Wien. Und dazwischen sprechen immer wieder auch lokale Initiativen oder Befürworter, um das brennende Thema in Graz auch gut beleuchten und besprechen zu können. Gerade dieses sehr dichte, städtische Gefüge in Reininghaus oder auch die Smart City brauchen meines Erachtens unbedingt auch Kunst und Kultur.
Was ist Programmpunkt #1?
Das erste Projekt ist die Ausstellung „Wegbrechen Aufbrechen“ in der Kunsthalle Feldbach, hier werden Arbeiten von Josef Wurm ausgestellt. Aber auch von WeggefährtInnen von ihm, wie Maria Legat, Zsuzsanna Szula oder Gustav Troger, weil ich es sehr spannend finde, wenn es zu Durchmischungen, Verknüpfungen und auch zu Generationensprüngen kommt. Es geht in dieser Ausstellung um die verborgenen Welten. Um Erlebnisse, die auch manchmal unsagbar sind, die wegbrechen lassen. Um Tagebuchaufzeichnungen, um die Aufarbeitung erschütternder Erlebnisse, Krieg, Krankheit, usw. Um die Neuzusammensetzung nach Umbrüchen. Um Parallelwelten der Psyche. Um Aufbrüche. Um das Prinzip von Vertrauen, vielleicht auch Hoffnung beim Aufbruch.
Wie stehen Sie Kollaborationen im Kunstbetrieb gegenüber?
Generell ist es mir bei all meinen Arbeiten immer wichtig gewesen, dass sie in einem großen Austausch passieren. Ich bin nun seit 25 Jahren in diesem Feld tätig, habe bereits gewisse Kooperationen gemacht und möchte das natürlich auch weiterhin mit der Kulturinitiative betreiben. Weil ich das für sehr wertvoll und wichtig erachte. Keine Grabenkämpfe und Konkurrenzdruck – gegenseitiges Ergänzen und Unterstützen. Insbesondere angesichts schrumpfender Kulturbudgets, denke ich, ist Solidarität wichtiger denn je.
Sie studierten auch Biologie, beschäftigten sich mit ökologischen Themen. Darf man sich dahingehend Aktionen erwarten?
Ein zentrales Element meiner künstlerischen Arbeit ist neben Friedensarbeit und Feminismus sicherlich die Auseinandersetzung mit dem Gedanken, dass wir als Menschen auf diesem Planeten nur zu Gast sind und die dringliche Aufgabe haben, miteinander und mit der Natur in einen guten Austausch zu kommen. Meine Arbeit HIER KÖNNTE EIN BAUM STEHEN! verweist auf städtebauliche Defizite, lässt die Kunst niederschwellig im nicht zentralen Stadtgebiet erleben und verweist aber auch auf Materialität. Der Baum, der kein Baum ist, ist aus Holz. Für mich ist auch zentral, sich Gedanken zu machen, wie Dinge produziert werden und welche Auswirkung diese Produktion hat. Deshalb ist es mir in meiner Arbeit wichtig, dass sie im Sinne biologischer Abbaubarkeit oder Nachhaltigkeit ist. Dahingehend werde ich in Zukunft sicher weiterhin viel Energie und Zeit aufwenden und diesen Aspekt in das Programm der Kulturinitiative mitaufnehmen.
Ausstellung „WEGBRECHEN AUFBRECHEN“
Mit Arbeiten von Maria Legat, Zsusanna Szula, Gustav Troger, Josef Wurm
Eröffnung: Sa, 18.3.2023, 19.30 Uhr
bis 21.4., Di–So 11–17 Uhr (feiertags geöffnet)
Kunsthalle Feldbach, Sigmund-Freud-Platz 1, 8330 Feldbach
Symposium „Wie beteiligen wir uns? Kultureller Austausch und künstlerische Teilhabe.“
Fr, 14.4.2023, ab 10 Uhr
HDA – Haus der Architektur, Mariahilferstraße 2, 8020 Graz