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Steirischer Theaterexport

Intendant Michael Schilhan Foto: Lupi Spuma

Michael Schilhan, geschäftsführender Intendant des Next Liberty, über junges Publikum, Theater als Selbsterfahrung und Geschichte, die uns alle angeht.

Das Next Liberty zeigt in der neuen Spielzeit wieder eine ganze Reihe an Uraufführungen. Wie werden neue Stücke entwickelt?

In Abstimmung mit renommierten Verlagen, zu denen wir ein sehr gutes Verhältnis haben. Sie vertrauen uns, wenn wir ihre Texte bearbeiten, weil sie wissen, sie sind bei uns gut aufgehoben. Dieses Vertrauen ist sehr wichtig, denn es ist nicht selbstverständlich, für Werke von z. B. Hermann Hesse oder Christine Nöstlinger die Freigabe zu erhalten. Manche Stückentwicklungen lagern wir auch aus, weil wir uns bewusst sind, dass wir mit Partnern – wie dem Staatstheater Wiesbaden beispielsweise – noch bessere Produktionen auf die Bühne bringen können. Ganz einfach auch deshalb, weil die Zusammenarbeit mit anderen Kulturinstitutionen immer fruchtbar ist.

Wie wichtig ist Theater für Heranwachsende als Möglichkeit zur Selbsterfahrung?

Die Reflexion ist unheimlich wichtig. Wir wollen unsere BesucherInnen begeistern, berühren und einen Nachklang erzeugen. Dieser Nachklang geht mit ins Elternhaus und ermöglicht ein Gespräch auf Augenhöhe über Kunst und Fiktion zwischen Kind und Erwachsenen. Dieser Dialog festigt Beziehungen und bildet Vertrauen.

Mit „Der Koffer der Adele Kurzweil“ bringen Sie ein wichtiges Stück Grazer (Stadt- und Flucht-)Geschichte auf die Bühne, das uns alle angeht. Warum ist Erinnerungskultur so wichtig?

Das im Auftrag des Next Liberty entstandene Theaterstück nach Manfred Theisens gleichnamigem Roman schildert das Schicksal der 13-jährigen Grazerin Adele, die mit ihrer Familie wie viele hunderttausende andere Jüdinnen und Juden flüchten musste, und sorgte bereits bei seiner Uraufführung 2020 für große Aufmerksamkeit. Auch bzw. gerade jetzt sind die im Stück aufgeworfenen Fragen aktueller denn je – gerade für Heranwachsende, die an Adele als junge Identifikationsfigur sehr stark anknüpfen können: Wie war/ist es, die Koffer packen, sich verabschieden, ins Ungewisse aufbrechen zu müssen und dabei nicht zu wissen, wann oder ob man wiederkommt? Zur Produktion gibt es zudem auch einen interaktiven Audiowalk, der kostenlos zu einem 1½-stündigen Stationenspaziergang durch Adeles Graz von Damals und dem von Heute einlädt.

Foto: Stella Kager

In der vergangenen Saison konnte das Next Liberty eine Auslastung von 90 % erreichen. Was bedeutet Ihnen Quote?

Theater lebt davon, dass jemand zusieht. Spielt man vor kleinem Publikum, ist das für alle Beteiligten eine traurige Angelegenheit. Insofern spielt Quote eine Rolle. Und die erreicht man über Qualität. Wichtiger als Quote ist also, dass das Publikum spürt, dass die Schauspielerinnen und Schauspieler mit Herzblut auf der Bühne stehen. Denn schlussendlich geht es darum, wie zufrieden das Publikum – in unserem Fall vorwiegend Kinder und Jugendliche – die Vorstellungen verlässt.

Das Next Liberty erhält immer wieder Einladungen, seine Stücke an internationalen Bühnen aufzuführen. Wie kam es zu dieser internationalen Reputation?

In unserer Institution ist jedem klar – vom Publikumsdienst über die Dramaturgie, Ausstattung, Technik und das Ensemble bis zur Intendanz – dass das, was wir hier tun, im Zeichen der Kinder steht. Die Relevanz der Stücke, sei es inhaltlich oder sprachlich, steht im Mittelpunkt und muss mit den Lebenswirklichkeiten von jungen Menschen zu tun haben. Wir machen unsere Arbeit gerne und professionell, das strahlt aus – international – und macht uns zu einem gefragten Kultur-Export-Artikel. Das spüren auch andere Theater, weshalb wir mit unseren Produktionen auch regelmäßig auf Gastspiele und Festivals eingeladen werden u. a. nach Deutschland (Gütersloh, Fürth, Straubing), in die Schweiz (Chur, Zug), Südtirol (Meran, Bozen, Brixen), innerhalb Österreichs (Wien, Burgendland) oder sogar nach Washington, in die USA.

Für den Erfolg einer Theaterproduktion ist das Ensemble ein maßgebender Faktor. Gibt es Unterschiede beim Schauspielen für Kinder und Erwachsene?

Nein, die gibt es nicht. Es herrscht hier absolute Professionalität. Ich denke etwa an den Diagonale-Preisträger Gerhard Liebmann oder Sebastian Wendelin, der heute auf Engagements vom Burgtheater bis zum ORF blicken kann. Beide haben am Next Liberty zahlreiche Stücke gespielt – und ich könnte weitere solcher Beispiele aufzählen. Ganz abgesehen davon kommen in unsere Vorstellungen gemeinsam mit den Kindern auch immer Erwachsene. Wir laden Alt und Jung zum Mitdenken ein – und das mit Humor und Spaß.  

Neue Website – neue Stücke: www.nextliberty.com