Die Festivals La Strada und Cirque Noël bringen jedes Jahr internationale Top-Produktionen nach Graz. Wie gelingt das? Inwiefern ist Werner Schrempf mit seinem Team auch an der Entstehung solcher Stücke beteiligt? Und vor allem: Was erwartet uns im kommenden Winter beim Cirque Noël? Der Intendant lässt uns im Interview hinter die Kulissen schauen.
Interview: Wolfgang Kühnelt
Die französische Truppe Cirque Le Roux feiert 2024 ihr zehnjähriges Bestehen. Sie ist international bekannt geworden durch ihre eindrücklichen Bilder, ihren engen Konnex zur Welt des Theaters und des Films sowie den Humor, der sich durch die Stücke zieht. In Graz war die Compagnie noch nie, doch Werner Schrempf hatte sie schon länger „am Radar“. Rund um Weihnachten und Neujahr präsentiert dieser sehr spezielle Zirkus im Grazer Orpheum zwei Stücke, die man auch als Serie sehen kann. Und das mit jeweils anderer Besetzung.
Werner Schrempf, warum habt ihr euch diesmal für den Cirque Le Roux entschieden und das gleich doppelt?
Diese Zirkuscompagnie bringt uns etwas, das unser Publikum in dieser Form noch nicht kennt. Es ist ein sehr theatralisches Umfeld, sie sind auf der schauspielerischen Ebene unvergleichbar virtuos. Sie arbeiten mit traditionellen Zirkuselementen, interpretieren diese jedoch auf sehr spannende Art. Akrobatik hat ja mit großer Körperbeherrschung zu tun, hier wird das aber mit unglaublicher Leichtigkeit kombiniert. Dazu sollte man wissen, dass sich The Elephant in the Room, zu sehen ab 21. Dezember im Orpheum, mit Miss Betty und ihrer Geschichte auseinandersetzt. Das Geschehen spielt in einer Welt, die an den klassischen Hollywood-Film erinnert. Das Nachfolgestück, zu erleben Anfang Jänner 2024, heißt A Deer in the Headlights und stürzt Bettys Nachkommen in ein amüsantes und turbulentes Chaos.
Erstaunlich ist, dass der Cirque Le Roux hier mit zwei komplett verschiedenen Casts nach Graz kommen wird. Ist die Compagnie so groß?
Das ist eine Entwicklung, die wir bei allen erfolgreichen Gruppen sehen. Aus der Gründungscompagnie entstehen größere Teams, die parallel auf Tour sind. Das Besondere ist, dass wir so hier beide Stücke unmittelbar nacheinander sehen können. Es wird virtuos und komisch, es wird unser Publikum überraschen, da bin ich sicher.
Der neue Zirkus hat sich in einigen Ländern enorm entwickelt, es gibt einschlägige Schulen, ja sogar Universitäten, das ist fast ein Wirtschaftszweig geworden. Können Sie kurz beschreiben, wie diese Gruppen arbeiten?
Uns interessiert hier keinesfalls die große Unterhaltungsindustrie. Die Gruppen, die wir nach Graz holen, arbeiten auf einem sehr engagierten, professionellen Level. Gerade in Frankreich, weiteren Teilen Westeuropas und Skandinaviens wie auch in Kanada oder Australien gibt es große Zentren, wo das ganze Jahr geforscht, trainiert und unterrichtet wird. Es gibt dort Ausbildungen, die weit über das hinausgehen, was wir hier kennen. Die kanadische Compagnie „Seven Fingers“ etwa, die wir in Graz schon öfter zu Gast hatten, betreibt in Montreal ein siebenstöckiges Kreationszentrum mit mehreren Studios. Auch sie arbeitet mit Schulen und Universitäten zusammen und lotet gemeinsam mit Fachleuten aus unterschiedlichen Bereichen die – auf den ersten Blick paradox erscheinende – Verbindung zwischen darstellender Kunst und technologischen Entwicklungen aus.
Wie gelingt es überhaupt, so große Produktionen nach Graz zu bekommen?
Wir haben diese Entwicklung von Anfang an begleitet, haben uns einen guten Namen gemacht und so schaffen wir es, obwohl wir im Vergleich deutlich kleinere Budgets haben. Wir werden als verlässlicher Partner gesehen und in Zusammenhang mit unserem Interesse an innovativen und experimentellen Zugängen im Hinblick auf Zirkus im öffentlichen Raum geschätzt. Was ein deutlicher Unterschied ist: die Förderlandschaft in den großen Zirkus-Nationen, von der wir indirekt auch profitieren, weil zum Beispiel Reisekosten von Compagnien unterstützt werden. Zuletzt etwa im Sommer beim katalanischen Chor, der mit Gravity & Other Myths in der Oper Graz aufgetreten ist. Und was die Koproduktionen betrifft: Wir können uns erfreulicherweise auch mit relativ kleinen Beträgen beteiligen. Was da sehr hilft, ist das europäische Netzwerk IN SITU, bei dem La Strada von Beginn an federführend dabei war.
Wie lange arbeitet eine Gruppe wie der Cirque Le Roux an einem Stück?
Im Schnitt drei Jahre. Das ist ein wesentlicher Unterschied zu den hiesigen Arbeitsbedingungen. Hierzulande wird etwas gefördert, dann wird es einige wenige Male gespielt. Anderswo bleiben erfolgreiche Produktionen längerfristig im Programm, gehen auf Tournee und werden auch bei der Internationalisierung unterstützt.
Ist das Publikum beim Cirque Noël eigentlich anders als bei La Strada?
Nein, wie auch bei La Strada steht die Familie im Mittelpunkt. Beim Cirque Noël haben wir mittlerweile schon vier Generationen, die zur Weihnachtszeit gemeinsam in den Zirkus gehen. Darauf freuen wir uns jedenfalls schon!
Cirque Le Roux im Grazer Orpheum
„The Elephant in the Room“
21.12.–29.12.2023
„A Deer in the Headlights“
3.–7.1.2024
Infos & Tickets: www.cirque-noel.at