Das renommierte Werner Berg Museum in Kärnten widmete der steirischen Bildhauerin Hortensia eine große Einzelausstellung. Wir sprachen mit der Künstlerin über die Bildhauerei, den Entstehungsprozess ihrer Skulpturen und ihr Skulpturenhaus in Bad Gams.
Interview: Stefan Zavernik
Hortensia, Ihre Skulpturen sind bekannt für ihre sinnlich-kraftvolle Ausdruckskraft. Könnten Sie uns bitte etwas mehr über den Entstehungsprozess Ihrer Werke erzählen? Wie gehen Sie vor, um diese Lebendigkeit der Form zu erreichen?
Als weibliche Bildhauerin mit unmittelbarem Einfühlungsvermögen, offenem Auge und Sinn für Harmonie! Ich habe von Beginn an viel Zeit in den wichtigsten europäischen Museen verbracht und konnte dort die großen Werke der Bildhauerei und Malerei studieren und aufnehmen, das hat meine qualitative künstlerische Treffsicherheit geprägt, die ich bei meinen eigenen Skulpturen sehr kritisch anwende. Die Lebendigkeit der Form stellt sich nur durch Disziplin im Arbeitsvorgang und konzentriertes Arbeiten ein!
In Ihrer letzten Einzelausstellung im Werner Berg Museum stand die Skulptur „Große Einsamkeit“ im Mittelpunkt. Könnten Sie uns erzählen, wie diese Skulptur entstanden ist und welche Inspiration dahintersteckt? Was vermittelt diese Skulptur den Betrachtern?
Die Große Einsamkeit ist eine Felsfigur, ein „Insichgesetztsein“ der Figur in Form. Sie hat stark meditativen Charakter, Vergleiche mit Plastiken des Orients tauchen auf. Es war eben die Zeit der Pandemie, in der durch Ruhe und Abgeschlossenheit die Konzentration auf so ein Werk möglich war – die Vision einer „großen Mitte“ ging der Form voraus. Nun ist sie wirklich ein Symbol der Muße geworden.
Die Beschreibung der „Großen Einsamkeit“ erwähnt die Anregung von Egon Schiele. Wie ist es dazu gekommen?
Ich entdeckte ein bezauberndes Bildnis seiner Frau Edith. Seine Einfachheit, klare Strukturiertheit auf der Fläche und die dynamische Linienführung forderten mich zu einer Umsetzung im Raum und ich modellierte die Kleine Einsamkeit. Diese plastische Studie war ein Gewinn an Räumlichkeit, deshalb entschied ich mich für das Werk der großen Figur.
Ihr Werk zeichnet sich durch die Reduktion auf das Wesentliche aus. Könnten Sie uns erläutern, warum Sie sich für diese Herangehensweise entscheiden und wie Sie die Balance zwischen Abstraktion und Realität finden?
Indem ich mich primär mit den geometrischen Figuren auf der Fläche und im Raum befasse. Durch Reduktion auf diese einfachen Elemente bringe ich meine Figuren zur Darstellung. Ich entscheide mich für ausdrucksstarke charakteristische Grundformen, um den Unterschied bei einer stehenden, sitzenden oder liegenden Figur im Gesamtbau mit waagrechten und senkrechten Elementen deutlich zu machen. Je reduzierter die Skulptur gebaut ist, je weniger unterschiedliche Maßeinheiten sie enthält, desto eindringlicher ist sie. Die Balance zwischen Abstraktion und Realität geht immer zugunsten der gebildeten Form: Verknappung erhöht den Grad an Realität!
Sie verwenden das Prinzip der Synthese geometrischer Flächen in Ihrer Arbeit. Wie nutzen Sie diese Technik, um einzelne Markierungen zu setzen und den Gegenstand zu definieren? Welche Herausforderungen birgt dieses Verfahren?
Ich arbeite sowohl in der Zeichnung als auch räumlich und plastisch mit klaren geometrischen Formen, sogenannte Flächen- und Raumfiguren, die uns die anschauliche Wirklichkeit übersetzen. Ein Beispiel: die Große Form Daria baut sich rhythmisch auf aus hohen Kuben, deren Eckpunkte und Kanten die leicht gewölbten Flächen abgrenzen. Mit dieser abstrakten Darstellung erhöhe ich die Wirkung der Sinnlichkeit.
Ihre Skulpturen verbinden klassische Tradition mit dem Bruch der Moderne. Können Sie uns mehr darüber erzählen, wie Sie diese beiden Elemente in Ihrem Werk miteinander verschmelzen und welche Bedeutung dies für Ihre künstlerische Aussage hat?
Als ich zu Wotruba an die Akademie der bildenden Künste in Wien kam, hatte die Skulptur in Österreich durch ihn wieder Bedeutung erlangt. In seinem Werk hatte er die große Reduktion in der Plastik vollzogen, war aber von der Idee der Figur nie abgekommen. Mein Vorteil war, dass ich schon von einer sehr geklärten Situation ausgehen konnte, das gab mir die Sicherheit in meiner Arbeit. Ich konnte daher meine Liebe zur Plastik der Frühzeit ungestört mit dem Wissen um die bereits vollzogenen Formanalysen von Bildhauern der Neuzeit wie Laurens und Henry Moore in mein Werk einbringen.
Seit 2015 präsentieren Sie Ihre Arbeiten in Ihrem Skulpturenhaus in Bad Gams. Wie hat dieser Ort Ihre kreative Arbeit beeinflusst, und was bedeutet es für Sie, Ihre Werke dort auszustellen?
Meine Arbeit bezog sich auf Begegnungen mit Menschen im Umfeld von Bad Gams, erdig und naturverbunden, die einen natürlichen Zugang zur künstlerischen Arbeit als Modell hatten. So entstand in den Jahren 2009-2013 die Kopf-Raum-Gruppe, eine trapezförmig angeordnete Aufstellung von neun Skulpturen steirischer „Urtypen“. Sie ist seit 2019 im Besitz der Stadtgemeinde Deutschlandsberg und wird hoffentlich bald öffentlich zu sehen sein. Das Areal des Skulpturenhauses ist ein Bereich, der ideale Bedingungen für meine Arbeit bietet, es ist mein Schaffensort und zugleich Ausstellungsstätte. Besucher können sich ein Bild von meiner Arbeit, vom Entstehungsprozess und dem ausgestellten Werk machen. Wenn die Skulptur im Areal des Skulpturenhauses allgemein zugänglich ist, sie objektiviert ist, beginnt für mich wieder eine neue schöpferische Phase.
In Ihren Werken spielt die Form eine zentrale Rolle. Könnten Sie uns mehr über die Bedeutung der Form in der Bildhauerei und in Ihrer eigenen Kunst erzählen?
Die Form wirkt in der Kunst. Wer sich mit ihr auseinandersetzt, dringt tief in das Wesen der Bildhauerei im ursprünglichen Sinn ein. Form – die Aufhebung der Illusion, sie steht für sich und ihr fragloses Sein. Für mich zunächst Vision, entsteht sie in einem oft langwierigen immer wieder neu ansetzenden Arbeitsprozess und wird unumstößlich gültig. Jetzt zeigt es sich, ob die „große Form“, ein „großes Ganzes“ entstanden ist.
Abschließend, wie sehen Sie die Zukunft der Bildhauerei im 21. Jahrhundert? Wie möchten Sie Ihren eigenen Beitrag dazu leisten?
Große Künstlerpersönlichkeiten sind immer wieder Einzelpersonen, die ihren Weg machen und in der Kunstgeschichte ihre Spuren hinterlassen. Meine Position in der Bildhauerei ist sicherlich eine Außenseiterrolle. Jedoch sollte der figuralen Kunst, die ich vertrete, viel mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Ich erwarte mir eine umfassende Ausstellung mit einem Querschnitt Skulpturen, Ölbild und Zeichnung. Wenn mein Werk öffentlich gezeigt wird, kann meine Arbeit weiterleben und Anregung für andere sein. Die Ausstellung im Werner Berg Museum war hier ein wichtiger Schritt!