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20 Jahre kunstGarten

Reinfrid und Irmi Horn vor der Skulptur Pythagorasbaum (2007) von Hartmut Skerbisch im kunst-Garten Foto: Anaïs Horn

Sinnliches Kunstuniversum inmitten von Einfamilienhäusern und Gemeindebau: Der kunstGarten verbindet seit 20 Jahren zeitgenössische Kunst in vielen Formen mit dem Wunder der Natur. Analog, aber trotzdem am Puls der Zeit gibt es hier ein spartenübergreifendes Kulturprogramm in einer einzigartigen Umgebung.

Text: Lydia Bißmann

Der Weg zum kunstGarten von Irmi und Reinfrid Horn ist von der Triesterstraße aus perfekt beschildert. Kurz vor dem Ziel leuchtet einem schon die Street-Art-Gallery ins Auge. In einer Zeit, in der viele Probleme damit haben, mit anderen zu telefonieren oder ohne Google Maps heimzufinden, bietet der kunstGarten eine kleine Auszeit von digitaler Dominanz und Überindividualisierung im Alltag. Antiquiert ist die kleine, originelle Outdoor-Galerie mit Sammlung und Veranstaltungsprogramm aber ganz und gar nicht. Auftritt und Themen sind aktuell, pointiert, klar formuliert und zugänglich. Zeitgenössisch eben. Programm gibt es im kunstGarten das ganze Jahr. Wenn es draußen zu kalt oder heiß wird, wandern die Besucher*innen einfach in das Wohnzimmer. Der Garten ist wie das Haus Teil des Gesamtkunstwerkes kunstGarten. Er umarmt und liebkost, verbirgt und inszeniert die Kunstsammlung und das kleine Haus, in dem das Archiv Hortopia untergebracht ist und in dem das Ehepaar Horn auch wohnt, von allen Seiten. Alte Apfel- und Rosensorten, ein kleiner künstlicher Berg, pittoreske Tümpel und ein großzügig ausgestatteter Kompost-Tempel teilen sich hier den Platz mit zeitgenössischer Kunst, Katzen, Enten, Eidechsen, Bienen und Molchen, die tapfer gegen die Gelsenplage ankämpfen. Herzstück der 1.300 Quadratmeter großen Anlage ist die überdachte Gartenbühne, auf der Theaterstücke, Filmvorführungen, Lesungen und musikalische Vorträge stattfinden.

Sammeln als Passion

Die Skulpturen, Bilder, Interventionen und Installationen wurden speziell für den kunstGarten gefertigt oder stammen aus Ankäufen oder Hinterlassenschaften einer der fünf bis sechs Freiluftausstellungen, die hier pro Jahr gezeigt werden. Daneben gibt es ein dichtes Angebot an Lesungen, Theaterproduktionen, Performances, Vorträgen und musikalischen Vorträgen. Kuratiert und ausgesucht wird das Programm von Museumsleiterin, Schauspielerin, Autorin und Regisseurin Irmi Horn, die wie eine Salonière des 19. Jahrhunderts wunderbare Menschen und Dinge um sich arrangiert und ihnen wie ein Demeter-Garten Licht, Luft und Zeit zum Weiterwachsen schenkt. Nur eben barrierefrei und für alle. 1981 hat sie das Haus, in dem sie als Kind aufgewachsen ist, von ihrer Großmutter geerbt. Die Selbstvorsorgefläche für Kriegsbeschädigte aus den 30er-Jahren verwandelte sich mit der Zeit in einen wildromantischen Garten, in dem aktuell um die 180 verschiedene Rosensorten gepflanzt sind. Anlass dafür waren nicht zuletzt Katzen, die im kunstGarten eine große Rolle spielen. Verstarb eines der geliebten Wesen, wurde ein zum Charakter des Tieres passender Rosenstrauch ausgesucht und gepflanzt. Da die Pflege der Rosen und des Gartens allgemein viel Wissen erfordert, statteten die Horns sich mit Literatur zum Thema aus. Um die 4.500 Werke aus fünf Jahrhunderten umfasst die öffentlich zugängliche und sorgfältig katalogisierte Gartenbibliothek inzwischen, die 2014 vom kubanischen Künstler Humberto Diaz selbst als Kunstwerk Waves inszeniert wurde, indem er die Buchrücken wellenartig aus den Regalen hervorstehen ließ. Die Filmothek beinhaltet inzwischen 5.000 hochwertige Kinofilme, die im Laufe der Zeit gesammelt, regelmäßig bei den „ciné privé“-Veranstaltungen gezeigt und auch ausgeliehen werden dürfen.

Ein trojanisches Pferd für die Kunst

Gegründet wurde der gemeinnützige Verein kunstGarten im Juni 2003; 2004 startete das erste Jahresprogramm. Finanziert wird das ehrgeizige Projekt durch Förderungen von Stadt, Land und Bund, aber auch durch Spenden und unendlich viel ehrenamtliche Arbeit der Horns. Die Intention ist die genreübergreifende Vermittlung von zeitgenössischer Kunst in allen möglichen Formen und nicht zuletzt auch die Versorgung des Bezirks Gries mit einer kulturellen Agenda. „Die zeitgenössische Kunst ist hier etwa um 1920 stehen geblieben, die Interessen der Bevölkerung liegen mehr bei leichter Unterhaltung“, konstatieren die Horns, die ihr Angebot aber auch als „trojanisches Pferd“ für die Kunst sehen. Kunstgärtner Reinfrid Horn gibt regelmäßig Mini-Kurse, in denen eine praktische Einführung zu Rosenschnitt und Pflege oder Kompostierung vermittelt wird. Die Kunst gibt es für garteninteressierte Teilnehmer*innen, die sich sonst nicht absichtlich damit beschäftigen, getarnt im Garten im Programm mit dazu. Gemeinsam mit dem Atelierhaus Schaumbad gab es bei Bezirksfesten oder Kunstspaziergängen regelmäßig angewandte Kunstvermittlung, bei denen der kunstGarten aktiv mitmischte.

Schatzkiste Beziehungen und offenes Herz

Irmi und Reinfrid Horn haben beide im Brotberuf an Schulen unterrichtet – niederschwellige, respektvolle und inspirierende Vermittlung von nachhaltiger und zum Philosophieren anregender Kunst, wie sie es bezeichnen, ist schlicht Teil ihrer DNA. Dazu kommt ein voluminöser Schatz an persönlichen Beziehungen und Freundschaften. Seit ihren Studienzeiten waren die beiden im Forum Stadtpark, dem Forum Stadtpark Theater und dem Kulturreferat der Uni Graz aktiv. Sie veranstalteten erste Grazer Kunstmärkte und Schloßbergkonzerte und bereiteten so den fruchtbaren Boden für das dicht gestrickte Netzwerk mit Kontakten zur regionalen und internationalen Kunst-, Musik- und Literaturszene. Die Schriftstellerin Barbara Frischmuth ist regelmäßig zu Gast im kunstGarten, genauso wie die Grazer Stadtschreiber*innen und andere Literat*innen, deren Sterne schon aufgegangen sind oder noch aufgehen werden. Gezeigt wurde und wird bildende Kunst von Markus Wilfling, Erwin Schwentner, Friederike Schwab, Arnold Reinisch, Hartmut Skerbisch, Lisa Reiter, Alfred Resch-Díaz, Renate Krammer, um nur ganz, ganz wenige zu nennen. Musiker*innen wie Lothar Lässer, Berndt Luef, Irina Karamarković oder das Duo deeLinde & Emiliano Sampaio bringen neben vielen anderen Jazz, Avantgarde, Weltmusik und Klassik im kleinen, kammermusikartigen Format in den kunstGarten. Mit der Opera Lassing gab es sogar eine Opernproduktion im Kleinformat. Das Format Woman Empowerment legt bei den Veranstaltungen den Fokus auf weibliche Kunstschaffende und feministische Themen. Der kunstGarten nimmt an den Grazer Galerientagen, an der Langen Nacht der Museen und der ORF Klangwolke teil und ist mit der Genusscard Steiermark zu besuchen. Die Skerbisch-Installation Gartenlabyrinth im Dr. Schlossarpark auf der Tändelwiese wurde vom kunstGarten initiiert, über Jahre hinweg gepflegt und ist immer noch zu sehen. Man kann den kunstGarten aber auch für Veranstaltungen mieten. 2014 erschien die Publikation 2004–2014. 10 Jahre kunstGarten, die eine Übersicht über die Veranstaltungen im ersten Jahrzehnt beinhaltet. Zur Langen Nacht der Museen 2024 wird die nächste Jubiläumspublikation erscheinen, die nun aus literarischen Beiträgen bestehen wird. 2017 wurde Irmi und Reinfrid Horn für ihre interdisziplinäre Arbeit das Goldene Ehrenzeichen des Landes Steiermark verliehen und 2024 wurde Irmi Horn für ihre Kulturarbeit zur Bürgerin der Stadt ernannt.             

kunstGarten
Kulturraum und Open Air Museum, Gartenbibliothek & Videothek Filmkunst
Payer-Weyprecht Straße 27, 8020 Graz
Fr & Sa 15.30–19 Uhr und nach Vereinbarung, Tel. 0316 262 787, Führungen: Fr & Sa 16 Uhr
Aktuelles Programm und Onlinekatalog der Gartenbibliothek und Filmsammlung unter www.kunstgarten.at