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Zlatko Kopljar: Auslöschung

Sacrifice of Isaac (Opferung Isaaks), 1993 Foto: Kreso Bobovec

In einer umfangreichen Ausstellung zeigt das KULTUM im Rahmen des Partnerprogramms zum steirischen herbst ’24 eine Retrospektive des Künstlers Zlatko Kopljar. Gezeigt werden Videos, Installationen und Dokumentationen von Aktionen aus den letzten 30 Jahren.

Text: Lydia Bißmann

Die Ausstellung Auslöschung ist Teil des Festivals steirischer herbst ’24, das in diesem Jahr unter dem Motto „Horror Patriae“ steht und sich mit dem schwierigen und aufgeladenen Begriff der Heimatliebe auseinandersetzt. Zlatko Kopljar wurde in Jugo­slawien geboren, einem Land, das nicht mehr existiert und mit einem sehr realen Schrecken zu Grabe getragen wurde. Das Trauma des Bosnienkrieges ist jedoch nur eines der vielen zeitgenössischen Themen und Krisen, die der Künstler in seinem Werk kritisch beleuchtet. Faschismus, Vernichtung, (Post-)Sozialismus und (Post-)Kapitalismus sind die Forschungs- und Transformationsfelder in der Kunst von Zlatko Kopljar. Nach fast drei Jahrzehnten unterschiedlichster künstlerischer Ausdrucksweisen in Fotografie, Performance, Film und Skulptur hat Kopljar beschlossen, sich nur noch der großformatigen Malerei zu widmen. Seine Streifenbilder Disturbances sind erstmals öffentlich als Teil der Schau im KULTUM zu sehen.

WWW 86B, 2015
Foto: Mario Kucera

Macht oder Liebe?

Zlatko Kopljar arbeitet mit christlichen Gesten, Motiven und Materialien. Dabei setzt er sich selbst als Protagonist in Szene, ohne jedoch direkt einzugreifen oder das Geschehene zu kommentieren. Es bleibt den Betrachtern überlassen, wie sie auf das Gezeigte reagieren, und oft schwankt man zwischen den Emotionen Lachen oder Weinen. Trotzdem fehlt es nicht an Hoffnung. Die Schwarz-Weiß-Fotos aus einer seiner ersten Ausstellungen in Zagreb 1993 tragen den Titel Sacrifices und zeigen den jungen Künstler über einer Schüssel bei einer Waschung. In dieser Aktion bedient er sich sowohl der rituellen Gesten des Alten Testaments (Opfer, Reinigung, Läuterung) als auch der Materialien Blut und Honig, die ein großes Interpretationspotenzial bieten. 2015 greift er dieses Bildmotiv in der Arbeit Die Walküre, WWV 86B wieder auf. Hier wird das Wasser durch Blut ersetzt; die Fotos sind in Farbe. Es ist eine von vier Arbeiten zu Richard Wagners Der Ring des Nibelungen, in dem es 16 Stunden lang um die Frage geht: Ist es die Liebe oder die Macht, die siegen kann? Die Opferung Isaaks entstand 1993 und stellt auf einer Fotografie das Abrahams-Opfer des frühbarocken Malers Michelangelo Merisi da Caravaggio nach. Im Originalbild gibt es noch einen Engel, der, stellvertretend für Gott, Abraham schließlich von dem schrecklichen Kindsmord abhält. Dieser Bote Gottes fehlt hier. „Ich glaube nicht an Engel“, sagt der Künstler. „Aber ich glaube an den Mut, an die Courage, es (das Menschenopfer) nicht zu tun.“ In Love-Shot (1996) gravierte Zlatko Kopljar das Wort für „In Liebe“ auf Kroatisch, Englisch und Latein auf ein Projektil. In einer nächtlichen Performance feuerte er die beschrifteten Liebeskugeln an einem Waldstück vor Publikum ab, in der Hoffnung, dass sie in fruchtbarem Boden landen und schließlich sprießen würden. Aus Liebe zur Heimat töteten sich Nachbarn im bosnischen Bürgerkrieg gegenseitig; die Aktion lässt auch unangenehme Assoziationen zu Femizid und Beziehungstaten aufkommen.

K9 Compassion, 2004

Reliquien und die Götzen des Kapitalismus

In der Performance K 8 aus dem Jahr 2002 geht es um praktizierte Nächstenliebe, dargestellt durch eine Blutspende. Eine Krankenschwester entnimmt dem Künstler Blut aus den Adern. Einige Tropfen dieses Blutes wurden in einem Kristall-Kubus eingeschlossen, der neben der Dokumentation der Performance ausgestellt ist. Zlatko Kopljar macht sich hier selbst zu einer Reliquie, ähnlich, wie es bei christlichen Heiligen der Fall ist. Doch er erhebt sich damit nicht, sondern ruft zur Hilfe auf, zum Teilen der eigenen Energie, des eigenen Lebenssaftes mit anderen. In seinen Knieperformances K9-Compassions von 2005 kniet er mit gesenktem Kopf vor Orten globaler Macht wie der Wall Street in New York, der Duma in Moskau oder der EU-Kommission in Brüssel, jeweils auf einem Taschentuch. Diese Geste der Demut wird in der Fotoserie zu einer wirkungsvollen Pose der Ohnmacht gegenüber großen Institutionen, die die Geschicke der Welt lenken. Die Arbeit K11 von 2007 zeigt großformatige Porträts von Künstlerkollegen, die sich dem Mainstream verweigerten und ihren eigenen Weg gehen wollten. Auf den Farbfotos werden sie als menschlicher Abfall inszeniert, den niemand mehr benötigt, für den es keine Verwendung mehr gibt. Kopljar spielt hier mit kapitalistischen und faschistoiden Auffassungen, die Menschen als wertlos betrachten, wenn sie bestimmten Kriterien wie Leistung oder Abstammung nicht entsprechen.

K8, 2002
Foto: Johannes Rauchenberger

Schenkung ans KULTUM

Zlatko Kopljar studierte Malerei an der Akademie der Schönen Künste in Venedig und vertrat Kroatien 2004 auf der São Paulo Biennale. Seine Arbeiten waren unter anderem im MSU Zagreb, dem MMSU Rijeka, im The Kitchen – New York zu sehen. Ferner hatte er Einzelausstellungen in Varaždin, Split, Pula, Ljubljana, Graz, Venedig, Berlin, Köln, Lublin, Liverpool, Valladolid und Antwerpen. Seine Werke befinden sich in bedeutenden Privat- und Museumssammlungen. Im KULTUM war er bereits an mehreren Ausstellungen beteiligt und hatte mit Light Tower 2009 auch eine Einzelausstellung. Mit der Schau Auslöschung im steirischen herbst 2024 übergibt Zlatko Kopljar sein gesamtes multimediales Werk dem KULTUMUSEUM Graz.           

Zlatko Kopljar: Auslöschung
(Kurator: Johannes ­Rauchenberger)
In Kooperation mit steirischer herbst ’24

Eröffnung: 27.9.2024, 18 Uhr
Bis 12.1.2025, Di–Sa 11–17 Uhr, So 15–18 Uhr
KULTUMMUSEUM, Mariahilferplatz 3, 8020 Graz
www.kultum.at