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Die vielfältigen Facetten des zeitgenössischen Zirkus

Foto: Andy Phillipson

La Strada-Intendant Werner Schrempf und Jascha Boyce, eine der künstlerischen Leiterinnen von Gravity & Other Myths, über die neuesten Produktionen und ihre langjährige Zusammenarbeit.

Heuer gibt es beim Cirque Noël zeitgenössischen Zirkus gleich im Doppelpack: Neben dem von euch koproduzierten Stück „10.000 Hours“ zeigen die Publikumslieblinge von Gravity & Other Myths auch ihre Produktion „The Mirror“. Was kann eine solche geballte Portion Cirque Nouveau?

Werner Schrempf: Das Besondere an dieser Kombination ist, dass wir die beiden wirklich außergewöhnlichen Performances unmittelbar nacheinander zeigen und somit das Publikum die Möglichkeit hat, unterschiedlichste Facetten des zeitgenössischen Zirkus in Graz zu erleben.

Worum geht es in den beiden Stücken?

Jascha Boyce: In The Mirror beschäftigen wir uns mit der Verbindung zwischen Selbstliebe und Selbstdarstellung. Hier halten wir uns selbst den Spiegel vor und verhandeln künstlerisch das Konzept des Entertainments. Hinterfragen, was den modernen Menschen unterhält, was wir zeigen und was andere sehen wollen. Das Stück ist ausdrucksstark und verspielt, und zu der großartigen elektronischen Musik von Ekrem Eli Phoenix machen wir uns auf die Suche nach dem wahren Selbst.

Werner Schrempf
Foto: Nikola Milatovic

Werner Schrempf: 10.000 Hours feiert die menschliche Ausdauer, Leidenschaft und den unerschütterlichen Glauben daran, dass Großes möglich ist. Das Stück ist eine Hommage an all die endlosen Stunden, die Künstler*innen in das Erreichen meisterhafter Fähigkeiten investieren. Da wird ganz große Akrobatik gezeigt und mit ihrer minutiös abgestimmten Choreografie entführen uns die Artist*innen von Gravity & Other Myths in eine Welt, in der man die Grenzen der Gravitation nur mehr schwer erkennen kann. Dabei geben die Performer*innen ehrliche Einblicke in ihre eigenen, oft nicht ganz so leichten Wege auf die Bühne – meisterhaft mit Live-Musik, Licht und Schatten inszeniert. Für heimische Künstler*innen wird es außerdem noch einen Workshop zum Thema „Choreography & Creation“ geben.

Ihr arbeitet jetzt schon seit vielen Jahren zusammen. Wie entsteht so eine enge Kooperation und was macht sie aus?

Werner Schrempf: Wir haben schon euer allererstes Stück A Simple Space toll gefunden. Damals habt ihr mitten im Raum gespielt, und dieser direkte Kontakt zum Publikum, das den Atem hören und den Schweiß sehen konnte, war beeindruckend. Außerdem hat es uns fasziniert, wie sich eure Arbeit ausschließlich auf die Kraft des eigenen Körpers konzentriert hat und ihr im Kollektiv gearbeitet habt. Und dann sind wir einfach drangeblieben und haben miterlebt, wie sich die Künstler*innen Stück für Stück immer weiter entwickelt haben – von der ersten Beleuchtung mit Baumarktlampen bis zur tollen Lichtgestaltung und immer raffinierterer eigens komponierter Musik heute.

Jascha Boyce

Jascha, für euch sind Auftritte in Graz inzwischen fast Heimspiele, das Publikum liebt euch. Wie hat die Zusammenarbeit mit La Strada euch als Gruppe beeinflusst?

Jascha Boyce: Einen so langjährigen, treuen Partner wie La Strada zu haben, der Vertrauen in unsere Arbeit hat, ist ein wirklich seltenes Privileg. Egal wie gewagt oder ehrgeizig unsere Ideen sind, La Strada und insbesondere Werner haben uns dabei immer unterstützt. Diese Partnerschaft hat uns viele Türen geöffnet.

„10.000 Hours“ ist ja eine Koproduktion von euch beiden. Was heißt das eigentlich genau?

Werner Schrempf: Konkret bedeutet das, dass wir schon früh, wenn die Idee präsentiert wird, einsteigen, das Projekt inhaltlich begleiten und mit einer gewissen Summe unterstützen. Im Gegenzug dafür bekommen wir die Möglichkeit, die Produktion sehr früh in Graz zu zeigen. Oft beginnen solche Koproduktionen bereits weit im Voraus, im Schnitt zwei bis drei Jahre. Die Uraufführung von 10.000 Hours haben wir beispielsweise heuer im Frühling in Australien gesehen und können es jetzt schon im Orpheum auf die Bühne bringen.

Foto: Andy Phillipson

In Sachen langfristige Projekte habt ihr ja in den vergangenen Jahren ohnehin einiges entwickelt, was tut sich da?

Werner Schrempf: Mit unserem Projekt Signal vom Dachstein, welches schwerpunktmäßig 2021 bis 2024 in der Dachsteinregion gemeinsam mit lokalen, in der Region verwurzelten Künstler*innen sowie der Bevölkerung vor Ort umgesetzt wurde, haben wir uns zum ersten Mal für eine so lange Zeit und eine so intensive Auseinandersetzung in eine Region außerhalb von Graz gewagt. Entlang der Fragestellung des Klimawandels und der künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Thema und der Region konnten wir das Community-Art-Projekt wirklich nachhaltig und für die Bevölkerung langfristig spürbar umsetzen. Aufbauend auf diesen Erfahrungen wollen wir in den nächsten Jahren unseren Fokus auf eine andere Region der Steiermark legen. Das Regionenprojekt ist wiederum verwoben mit dem nächsten vierjährigen Projekt des internationalen Netzwerks IN SITU. Dabei ist die Zusammenarbeit mit IN-SITU-Künstler Johannes Bellinkx, der in Graz in Koproduktion mit La Strada bereits mehrere Projekte realisiert hat und künstlerisch intensiv an der menschlichen Wahrnehmung und ihrer Manipulation arbeitet, eine große Inspiration und ein wesentlicher Baustein.           

Gravity & Other Myths
„The Mirror“
20.12.–29.12.2024, Orpheum Graz Empfohlen ab 12 Jahren,
Vorstellungsdauer 75 Minuten (ohne Pause)

Gravity & Other Myths
„10.000 Hours“
3.1.– 6.1.2025, Orpheum Graz
Für die ganze Familie, Vorstellungsdauer 60 Minuten (ohne Pause)

Foto: Andy Phillipson

Alle Informationen zum Programm: www.cirque-noel.at