Sie müssen nicht zwangsläufig heiß sein, die Nächte in Palermo. Im Gegenteil. Der milde Winter ist die ideale Zeit für einen Besuch.
Text: Wolfgang Pauker
Roms Schönheit mag vielleicht ewig sein, doch spätestens beim zweiten Blick verliebt man sich in Palermo. Die Hauptstadt Siziliens betört durch ihre bröckelnden Palazzi und ihre altehrwürdige Grandezza. Oder wie Goethe schrieb: „Italien ohne Sizilien macht gar kein Bild in der Seele: hier ist erst der Schlüssel zu allem.“ Ihren Charme verdankt Palermo einem einzigartigen Stilmix, denn von der Antike weg wollten Phönizier, Griechen, Römer, Spanier und Araber die Stadt besitzen. Halten konnte sie keiner, Spuren hinterlassen haben sie alle. Spätestens nach dem 2. Weltkrieg begann der Niedergang. Korruption und ein Ringen um Macht zwischen Kirche, Politik und Mafia sorgten für Armut. Doch das Blatt wendet sich wieder und zahlreiche Initiativen revitalisieren die Kulturschätze.
Wie den prächtigen Palazzo Butera im historischen Kalsa-Viertel. Einst Heimat der wichtigsten Adelsfamilie, ist er seit 2016 im Besitz des Galeristen-Paares Francesca und Massimo Valsecchi, die hier ihre Sammlung präsentieren. Oder das Teatro Massimo, das als Symbol für die Wiederauferstehung der Stadt steht. 20 Jahre lang war das Opernhaus wegen baulicher Mängel geschlossen, 1997 wurde es zu seinem 100-jährigen Bestehen wiedereröffnet. Mit den Wasserschäden an den Decken und den abgenützten Stühlen steht es exemplarisch für die unwiderstehliche Anziehungskraft, die dieser Stadt trotz ihrer Vergänglichkeit innewohnt.
Belle-Époque-Juwel Villa Igiea
Eine schlafende Schönheit, die zu neuem Leben erweckt wurde, ist auch die Villa Igiea – einst Heimat der Unternehmerfamilie Florio, die den korallenfarbenen Palast am Höhepunkt der Belle Époque vom italienischen Jugendstilarchitekten Ernesto Basile (der auch das Teatro Massimo vollendete) umgestalten ließ und zum Treffpunkt der High Society machte. 2021 wurde sie nach umfangreichen Umbauten von der Rocco Forte Gruppe als Grand Hotel wiedereröffnet und entführt Gäste nun auf eine glamouröse Zeitreise.
Das Juwel ist die Sala Basile mit Wandmalereien im sizilianischen Jugendstil des Malers Ettore de Maria Bergler, die als Farbkarte für das neue Interieur des Luxushotels diente – das übrigens mit beiden oben genannten Kulturinstitutionen zusammenarbeitet und spezielle Packages für exklusiven Kulturgenuss anbietet. Von der Bibliothek über das Spa bis zu den Suiten wurden alle Räume mit klassischen Antiquitäten und prächtigen Stoffen eingerichtet, durch die hohen Decken und die royalen Betten wirkt alles geradezu erhaben. Die Bar ist spektakulär, genauso wie der Blick von der Terrasse des Ristorante Florio über den hauseigenen Yachthafen und die gesamte Bucht von Palermo. Die Villa Igiea ist der perfekte Ausgangspunkt, um die Schönheiten der Stadt (es gibt stündlich kostenlose Shuttleservices) und das reiche künstlerische und kulinarische Erbe Siziliens zu entdecken.
Liebe geht durch den Magen
Kulinarische Hochgenüsse gibt es in und um Palermo viele. Eine Restaurant-Legende ist die Osteria dei Vespri, gelegen im Palazzo Gangi inmitten der Altstadt, einem Schauplatz von Luchino Viscontis Meisterwerk Der Leopard. Hier wird sizilianische Küche zelebriert, verarbeitet werden ausschließlich lokale Produkte und die französische Sommelière, die bei Paul Bocuse lernte, bedient sich aus einem prall gefüllten Weinkeller.
Keine 20 Kilometer von Palermo liegt Bagheria, wo seit jeher reiche Palermitani und Aristokraten in prächtigen Villen leben. Das Städtchen ist nicht nur für seine Architektur, sondern auch für zwei Restaurants – beide mit Michelin-Stern dekoriert – bekannt. Im „I Pupi“ – benannt nach den grotesken Statuen der Villa Palagonia – werden lokale Klassiker neu interpretiert. Im familiären Ambiente kümmert sich die Frau von Chef Tony Lo Coco um die Gäste, die verwöhnt werden von Kreationen wie den kunstvoll arrangierten Anelletti al forno mit Meeresfrüchten.
Im „Līmū“, einem Fine-Dining-Restaurant im sehr eleganten Stil, experimentiert Chef Nino Ferreri mit allem, was Sizilien zu bieten hat. Jeder Gang überrascht in Optik und Textur und macht den Abend zu einem sinnlichen Erlebnis. Ein Highlight von vielen: die Makrele in der Salzkruste.