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Im Bann (s)einer großen Erzählung

Foto: Amsüss

Anlässlich seines 50-jährigen Jubiläums ehrt das Kulturzentrum bei den Minoriten Josef Fink. Wir sprachen mit dem künstlerischen Leiter des KULTUM, Johannes Rauchenberger, über die kommende Ausstellung.

Ich starte mit einer für Sie vielleicht schamlosen Frage: „Wer war Herr Fink?“

Johannes Rauchenberger (schmunzelt): Nein, die Frage ist nicht schamlos. Josef Fink kennt man heute wirklich kaum mehr. Unvorstellbar eigentlich, gemessen an seiner großen medialen Präsenz, die er in den 1980er oder 1990er Jahren hatte. Als er Ende November 1999, also vor 25 Jahren starb, hat Graz wirklich getrauert. Ich habe das selbst bei einem Taxifahrer erlebt, der mir damals das Neueste mitteilen wollte … Bei uns liefen die ganzen Tage über die Faxe der Kondolenzschreiben heiß. 2009 haben wir ihm die letzte Gedächtnisausstellung gewidmet, zu der auch eine Monografie erschienen ist. Es war die letzte Schau in den damaligen Räumen des „Kulturstock zwo“, den Josef Fink in den späten 1970er Jahren hier eingerichtet hatte. Seither aber ist es sehr still geworden um Sepp Fink. Er ist fast vergessen. Umso mehr freue ich mich, dass (der gleichaltrige!) Friedhelm Mennekes, so etwas wie der „Papst“ in dem, was Fink verkörpert hat, zur Eröffnung kommen wird.

Großer Bahnhof im KULTUM: Der Jesuitenpater Friedhelm Mennekes SJ kommt zur Eröffnung der Fink-Ausstellung am 28. Februar nach Graz, hier mit Johannes Rauchenberger vor einem Werk von Zlatko Kopljar (K20), Herbst 2024

Das klingt nach viel Geschichte. Das Kulturzentrum bei den Minoriten wird in diesem Jahr 50 Jahre alt. Ist das ein Rückblick?

Es ist auch ein Rückblick. Und gleichzeitig ist es ein Startschuss für viel Neues in diesem Haus und für insgesamt drei Jubiläumsausstellungen. Die Hälfte der Räume ist neu gerichtet worden, mit dieser Schau kehren wird wieder dort zurück, wo wir 2009 ausziehen mussten und Sepp Fink bis 1999 auch gewohnt hat. Also zunächst einmal ist die Ausstellung ein Akt des Respekts unseres Gründers gegenüber, der gemeinsam mit Harald Seuter ab 1975 dieses mehrspartige Kulturzentrum, das in dieser Form tatsächlich noch immer einzigartig ist, aufgebaut hat. Aber in der Ausstellung geht es nicht um das Kulturzentrum an sich, sondern um Josef Fink als Künstler. Er war ja nicht nur das, was man heute „Kurator“ nennt. Er war ein leidenschaftlicher, ein bildnerisch und sprachlich äußerst begabter Mensch. Das heißt, er war vieles: Priester, Maler, Fotograf, Lyriker, Zeitungskolumnist, Ausstellungsermöglicher. Und er hat sich schon damals – selbst für heutige Verhältnisse – ungemein geschickt inszeniert. Das hat ihm natürlich eine hohe mediale Präsenz eingetragen, aber dieses Verhalten hat natürlich auch große Reserven ihm gegenüber aktiviert.

Josef Fink, „Das Licht des Kinnereth“, 1989

„Im Bann (s)einer großen Erzählung“ heißt die Schau, die Sie ab 28. Februar bis Ostern im KULTUM zeigen. Worin liegt der Bann für sie? Und warum haben sie das „s“ eingeklammert?

Vielleicht zum Zweiten zuerst: Aus der zunehmenden historischen Distanz kann man an der Biografie Sepp Finks meines Erachtens eine große Geschichte erzählen, die zunächst nicht ihn betrifft, sondern das Problem insgesamt markiert, was das Verhältnis „Kunst und Religion“ bzw. „Kunst und Christentum“, für das er insgesamt gestanden ist, angeht: Worauf beziehen wir uns eigentlich, wenn wir diese Welt beschreiben wollen, mit ihr streiten, sie gestalten oder gegen sie anrennen? Josef Fink hatte tatsächlich eine „große Erzählung“. Darin war er natürlich historisch längst von gestern: „Große Erzählungen“ sind mit der Postmoderne zerbrochen. Was das heißt, beginnen wir allmählich zu erahnen, wenn wir derzeit die Welt mit ihren Polykrisen wahrnehmen, fassungslos dem gegenwärtigen Rechtsruck zusehen oder den Manipulationen auf Social Media ausgesetzt sind.

Josef Fink, Ohne Titel, um 1985

… und welche große Erzählung hatte er?

Josef Fink war, um es radikal zu sagen, fasziniert von der großen Erzählung der Bibel. Mit ihr begann er in den späten 1950er Jahren. Er war ein sehr begabter „Bibelillustrator“. Sein Lehrer im Gymnasium in Bischofshofen war ein Schüler von Schmidt-Rottluff. Darauf war er sehr stolz. Er war mitten drin in den damaligen Aufbrüchen der Katholischen Kirche im 2. Vatikanischen Konzil, zählte zu den so genannten „wilden Kaplänen“, fiel dann in die 1968er Jahre Bewegung hinein und änderte radikal seine Rolle: Kein Priesterkragen oder Talar mehr, nur mehr Jeans, notfalls Krawatte. Andere Texte, möglichst frei, möglichst kreativ. Seine Bildsprache wurde abstrakt; er hat sich fortan jede Figuration verboten. Er setzte sich vermehrt mit Naturwissenschaft auseinander. Die große Erzählung – das bedeutete für ihn fortan: unzählige Aufenthalte in Israel (er nannte sie „Meditationen“), am Toten Meer, am Sinai. Hunderte von Aquarellen entstanden so.

Ist dieser ganze Bogen seiner künstlerischen Ausdrucksweise in der Ausstellung sichtbar?

Ja. Was tatsächlich neu ist an dieser umfangreichen Schau: Es wird in ihr die Zeit, die er selbst als überwunden betrachtet hat, und jene, wie man ihn vielfach noch kennt, zusammengelegt: Das war möglich durch zwei große Sammlungen: Jene von Karl Pauritsch, der das Frühwerk gesammelt hat, und der umfangreiche Nachlass der Familie Koller, von dem der Anteil von Maria Schulze, Hildegard Keil, Renate Koller und Elisabeth Koller mit dieser Ausstellung durch eine Schenkung an das KULTUM übergegangen ist: Somit ist der Großteil des künstlerischen Werks von Sepp Fink zu uns „zurückgekehrt“. Da das Werk so umfangreich ist, kann man von beiden Sammlungen einzelne Werke auch erwerben.           

Josef Fink, „Sinai“

Josef Fink: Im Bann (s)einer großen Erzählung
Bis 19.4.2025, Di–Sa 11–17 Uhr, So 14–18 Uhr
Eröffnung: 28.2.2025, 18 Uhr, mit em. Univ. Prof. Dr. Friedhelm Mennekes
KULTUMUSEUM Graz, Mariahilferplatz 3, 8020 Graz
Kurator*innen: Elisabeth Koller, Johannes Rauchenberger
Termine für Kuratorenführungen: www.kultum.at