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„Jetzt geht es um Schadensbegrenzung“

Kulturstadtrat Günter Riegler Foto: Marija Kanizaj

Die Grazer Kulturszene blickt Subventionskürzungen entgegen. Wir sprachen mit Kulturstadtrat Günter Riegler über die Höhe der kommenden Einsparungen im Kulturbereich, wen es treffen wird und seine Zielsetzungen bis zu den Gemeinderatswahlen in Graz 2026.

Text: Stefan Zavernik

2024 haben Sie in Hinblick auf die damals von der KPÖ angekündigten Sparmaßnahmen gewarnt, die Grazer Kulturszene müsse sich auf das Schlimmste gefasst machen. Die Sparmaßnahmen wurden mittlerweile umgesetzt, wie schlimm ist es tatsächlich geworden?

Schlimmer als erwartet. Zu Weihnachten hat der Finanzstadtrat ohne Vorwarnung auch noch eine Budgetsperre verhängt. Im Vergleich zu 2024 fehlen im Kulturbudget für Subventionen 1,8 Millionen Euro. Das sind weit mehr als 10 %. Es wird leider für viele Akteurinnen und Akteure in der Kulturszene spürbar werden. Es gab zahllose Runde Tische mit Interessengemeinschaften aus dem Kulturbereich und offene Briefe an die Bürgermeisterin – leider blieben alle Bemühungen erfolglos. Von Frau Kahr gab es lediglich einen Obolus von 150.000 Euro – also eine Beruhigungspille, mehr nicht.

Wen werden die Sparmaßnahmen in der Kulturszene in Graz am härtesten treffen? Wo wird gekürzt?

Die allerschlechteste Strategie wäre es, den Rasenmäher auszupacken und alle Subventionsempfänger um 10 % zu kürzen. So würde man die Qualität der gesamten Szene in Mitleidenschaft ziehen. Das möchte ich vermeiden. Wir werden wohl oder übel Prioritäten setzen müssen. Zum einen verlasse ich mich hier auf die Empfehlungen der Fachbeiräte. Und zum anderen werden wir die geringeren Mittel auf mehreren Ebenen versuchen auszubalancieren. Bei dieser Herausforderung heißt es „Heimische Produktionen versus Gastspiele“. Ganz auf Gastspiele zu verzichten, wird allerdings auch nicht die Lösung sein, Impulse von außen sind für die heimische Szene wichtig. Alles werden wir uns aber nicht mehr leisten können. Eine weitere Ebene betrifft das Verhältnis zwischen den öffentlichen Häusern, bei denen die Stadt Graz beteiligt ist, und der freien Szene. Bereits eingestellt wurden für dieses und nächstes Jahr die Kunstankäufe der Stadt Graz.

Gibt es in der Kulturszene so etwas wie Ernüchterung, was die Regierungskoalition in Graz betrifft?

Den Eindruck habe ich. Kulturpolitik ist für die Bürgermeisterin zugleich Sozialpolitik. Kunstschaffende sind nicht per se hilfsbedürftige Menschen, sie liefern einen wertvollen Beitrag für unsere Gesellschaft und sollen dafür fair entlohnt werden. Ich denke, die Kulturszene hat sich hier mehr erwartet, als zum Sozialfall gemacht zu werden.

Fehlt es KPÖ und Grünen an Wertschätzung für Kunst und Kultur oder waren die Einsparungen im Grazer Budget alternativlos?

Die Einsparungen waren nicht alternativlos. Es ist eine Mär, dass die Kassen leer sind. Es ist alles eine Frage der Prioritätensetzung. Die Koalition hat die Ausgaben in ihren Ressorts massiv erhöht. Beim Kulturbudget gab es hingegen Jahr für Jahr Kürzungen. Kultur hat offenbar keinen wirklichen Stellenwert bei KPÖ, Grünen und SPÖ – sie rechnen ohnehin fix damit, dass sie aus der Wählergruppe der Kulturschaffenden ihre Stimmen bekommen.

Sehen Sie noch Möglichkeiten, um im Sinne der freien Kulturszene zu optimieren?

Meine Aufgabe ist jetzt Schadensbegrenzung. Bis Mitte Februar muss ich die Hauptansatzpunkte offenlegen, wo die größten Kürzungen vorgenommen werden. Die Hoffnung auf weitere Runde Tische oder Hilfe von oben ist endend wollend.

2026 wird es in Graz zu Gemeinderatswahlen kommen. Was möchten Sie in der laufenden Legislaturperiode kulturpolitisch noch umsetzen?

Unter anderen Voraussetzungen hätte ich gesagt, dass es mir ein wesentliches Anliegen gewesen wäre, den Bibliotheksbereich auszubauen. Graz wächst, es wäre wichtig, neue Bibliotheksstandorte zu eröffnen. Aktuell ist das aber völlig illusorisch, es stehen sogar Schließungen im Raum. Auch an ein Jubiläumsjahr – die Stadt Graz wird 900 Jahre alt – ist nicht zu denken. So sehe ich meine Hauptaufgabe darin, den Kulturstandort Graz bestmöglich durch die kommenden zwei Jahre zu führen, ohne allzu große Qualitätsverluste. 2026 wird ja wieder gewählt.

Was halten Sie für die ÖVP bei den Gemeinderatswahlen in Graz für möglich?

Mein Eindruck ist, dass die Ernüchterung über die kommunistische Bürgermeisterin groß ist und unsere Chancen intakt sind, den ersten Platz zurückzuholen. Daran glaube ich fest. Die Bevölkerung ist aus vielen Gründen enttäuscht. Das reicht vom kollabierenden Verkehr und fehlenden Parkplätzen bis hin zum Sport- und Bildungsbereich. Auch in der Kulturszene werden viele aufwachen, die dachten, es fließen Milch und Honig, wenn Kahr und Schwentner das Sagen haben. Nicht nur die KPÖ hat die Kulturszene in meinen Augen enttäuscht, auch Grüne und SPÖ haben sich nicht für die Kultur eingesetzt.

Die Kulturszene in der Steiermark blickt der neuen FPÖ/ÖVP-Landesregierung mit Anspannung entgegen. Befürchtet werden Kürzungen speziell im Hinblick auf gesellschaftskritische Kunst- und Kulturprojekte. Gibt es nach den Landtagswahlen in der Steiermark aus Ihrer Sicht nun tatsächlich eine neue kulturpolitische Realität?

Mit Dr. Karlheinz Kornhäusl liegt das Kulturessort nun in den Händen eines – so wie ich ihn wahrnehme – weltoffenen Menschen, der Kunst und Kultur sicherlich gut vertreten wird. Ich bin sicher, er wird in der Landesregierung alles Menschenmögliche tun, um das große kulturelle Erbe der Steiermark trotz aller Umbrüche gut in die Zukunft zu führen.