Ein neues Kunstviertel mit High-End-Museen ist am Weg zum Aushängeschild von Abu Dhabi, der Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate, zu werden.
Text: Stefan Zavernik
Fährt man durch die breiten Straßen Abu Dhabis, mit all den spektakulären Bauten, den großen Parks und gepflegten Grünflächen, fällt es schwer zu glauben, dass die Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate in nur wenigen Jahrzehnten zu einer der modernsten Metropolen der Welt geworden ist. Noch in den 1960er Jahren bestand die kleine Stadt am Meer aus einfachsten Bauten, ein flächendeckendes Stromsystem gab es ebenso wenig wie ein durchgängiges Kanalsystem. Die Geschichte Abu Dhabis beginnt im Jahr 1761, als Angehörige des Stammes der Bani Yas auf einer küstennahen Insel durch Zufall auf Süßwasser stießen und eine Siedlung errichteten. Der Stamm aus der Wüste lebte jahrhundertelang von der Fischerei, dem Perlentauchen und dem Anbau von Datteln. Mit der Entdeckung von schier endlosen Erdölvorkommen und der Machtübernahme durch Zayed bin Sultan Al Nahyan änderte sich das Leben in Abu Dhabi nachhaltig.
Der Emir investierte in den Bau von Krankenhäusern, Schulen und Universitäten. Ab den 1970er Jahren ließ er die Stadt systematisch zu einer Metropole mit moderner Architektur ausbauen, die seiner Bevölkerung möglichst hohe Lebensqualität bieten sollte. Im Vergleich zu anderen Herrschern in den VAE galt Zayed als relativ liberal. Er erlaubte Religionsfreiheit, private Medien und gewährte Ausländern eine Reihe an Rechten, wie sie in anderen Golfstaaten nicht denkbar waren. Auch nach dem Tod des Emirs wuchs die Metropole rasant weiter. Seit dem Jahr 2008 ist das Emirat damit beschäftigt, einen Masterplan zur Stadtentwicklung bis ins Jahr 2030 umzusetzen. Die Zukunft der Hauptstadt soll trotz abnehmender Erdölvorräte nicht nur wirtschaftlich weiterhin abgesichert sein und noch mehr Menschen Wohnraum bieten, sondern auch durch Bildung und Wissenschaft geprägt werden. Als eine der zukünftigen Einnahmequellen hat man den Tourismus auserkoren. Kultur soll dabei eine zentrale Rolle spielen.
Saadiyat Island
Auf der Insel Saadiyat wird die Vision eines riesigen Kulturviertels Realität. Geplant ist eine Vielzahl an kulturellen Institutionen, darunter Konzerthäuser, Theater und diverse Bildungseinrichtungen. An vorderster Front stehen spektakuläre Museen, die Abu Dhabi in der weltweiten Kunstszene verankern sollen. Um von Anfang an in der ersten Liga mitspielen zu können, investiert man in Kooperationen mit weltberühmten Museen und in die Schaffenskraft von internationalen Top-Architekten. Den Grundstein legte das Emirat mit dem 2017 eröffneten Louvre Abu Dhabi. Das architektonische Meisterwerk wurde von Jean Nouvel entworfen und entstand in enger Zusammenarbeit mit dem Louvre in Paris. 580 Millionen betrugen allein die Planungs- und Baukosten. Der Louvre in Paris erhielt darüber hinaus 400 Millionen Euro für die auf 30 Jahre befristete Nutzung des Markennamens.
Knapp zweihundert Millionen brauchte es für Leihgaben aus dem Louvre in Paris. Weitere 160 Millionen für Leihgaben von 13 weiteren französischen Museen. Auch Ankäufe tätigt der Louvre Abu Dhabi, hierfür werden 40 Millionen Euro jährlich budgetiert. Das Ergebnis dieser finanziell ausufernd groß gedachten Planung ist ein wahrhaftiges Blockbuster-Museum, das selbst ein Kunstwerk ist. Es gilt als „erstes universelles Museum“ in der arabischen Welt. Im Zentrum steht seine Dauerausstellung, die ihre Besucher mit auf eine Reise durch die Menschheitsgeschichte nimmt. 12 Räume thematisieren ausschlaggebende Epochen und Entwicklungsstadien unserer Zivilisation – archäologische Artefakte treffen dabei auf Kunstwerke der Superlative.
Fasziniert von Meisterwerken großer Künstler wie Leonardo da Vinci, Renoir, Gaugin und anderen Megastars der Kunstgeschichte, geht das Staunen weiter, sobald man die Ausstellung verlassen hat und sich unter The Dome wiederfindet. Das spektakulärste architektonische Element des Museums ist eine 180 Meter große Kuppel aus knapp 8.000 Metallsternen, die eine Art Lichtregen erzeugen und dem Publikum das Gefühl vermitteln soll, im Schatten einer Medina zu wandeln. Die Architektur schafft es auch, das Meer als Teil des Museums zu integrieren. Die Location ist ein einziges perfektes Instagram-Motiv. Mehr als 3 Millionen Menschen haben den Louvre Abu Dhabi bereits besucht.
Ein Traum aus 1001 Nacht
Auch abseits des Cultural Districts gibt es in Abu Dhabi viel zu sehen und zu erleben. Das wohl eleganteste Wahrzeichen der Stadt ist die in weiß gehaltene Scheich-Zayid-Moschee, die größte Moschee der Vereinigten Arabischen Emirate. „Die große Moschee“, wie sie von Einheimischen genannt wird, ist nach Emir Zayid bin Sultan Al Nahayan benannt, der den kunstvollen Bau in Auftrag gegeben hat. Er war neben seiner Rolle als Emir von Abu Dhabi auch Mitbegründer und erster Präsident der Vereinigten Arabische Emirate, sein Grab befindet sich am Gelände der Moschee. Der Besuch der Moschee steht jedem offen, ist kostenlos und ein Erlebnis.
Urlaub im Palast
Schon lange vor seinen Ambitionen, als Kultur-Destination zu reüssieren, war das Emirat ein attraktives Reiseziel. Es ist von Mitteleuropa unkompliziert zu erreichen und bietet alles, was es für den gehobenen Strandurlaub braucht. Unter den zahlreichen Luxushotels in Abu Dhabi genießt das Emirates Palace Sonderstatuts. Das Hotel ist seit seiner Eröffnung im Jahr 2005 eine offizielle Sehenswürdigkeit der Metropole und im Besitz der Herrscher-Familie. Zum Zeitpunkt seiner Eröffnung galt es mit Baukosten von 3 Milliarden US-Dollar als das teuerste Hotelgebäude der Welt. Dabei war es ursprünglich gar nicht als Hotel gedacht. Initiiert wurde der Bau von Emir Zayid, um Staatsoberhäupter bei ihrem Besuch im Emirat standesgemäß zu beherbergen.
Erst mit der Zeit reifte die Überlegung, das Anwesen auch als Hotel zu nutzen und es dementsprechend zu erweitern. Herausgekommen ist dabei nicht ein Hotel, das wie ein Palast aussieht, sondern ein Palast, der als Hotel genutzt wird. Schon allein die Ausmaße der Empfangshalle sprengen sämtliche Vorstellungen, die man bisher zum Thema „Luxushotel“ im Kopf hatte. Nicht nur die Größe beindruckt, auch das Funkeln und Glitzern tut es. Mehr als 6.000 m2 des Gebäudes sind mit 22-karätigem Blattgold überzogen. An den Decken des Palastes hängen mehr als 1.000 Kristallluster. Sämtliche Marmor-Fußböden sind auf Hochglanz poliert. Der ursprünglichen Idee als Unterkunft für Staatsoberhäupter kommt man mit dem Palast bis heute nach.
Auf der 8. Etage liegen die sogenannten „Ruler-Suiten“. Jede von ihnen ist einem Emir der Vereinigten Arabischen Emirate als Geschenk überlassen, stets bezugsfähig und dem jeweiligen Besitzer alleinig vorbehalten. Für Hotelgäste stehen rund 390 Zimmer und Suiten zu Verfügung. Seit 2019 wird das Emirates Palace von der prestigeträchtigen Luxushotel-Kette Mandarin Oriental betrieben. An die 1.500 Angestellte aus 50 Nationen kümmern sich um den Service und geben jedem Gast das Gefühl, selbst ein Emir zu sein. Das Haus hat sich auch als Hot-Spot für Foodies einen Namen gemacht. Mehr als 10 Restaurants kochen um die Gunst der Gäste, darunter etwa das mit einem Michelin-Stern versehene Hakassan mit kantonesischen Spezialitäten oder das Lebanese Terrace mit libanesischer Küche. Das perfekte Setting mit all seinen Annehmlichkeiten hat nur einen einzigen Nachteil: Irgendwann kommt der Tag der Abreise.
Anreise: Vom Flughafen Graz über Wien direkt nach Abu Dhabi. Etwa mit Etihad Airlines
Reisezeit: Von Oktober bis März. Warm genug, um den Strand auszukosten, aber nicht zu heiß für Kunst, Kultur und den Besuch von Sehenswürdigkeiten
Wohnen: Emirates Place Mandarin Oriental, Luxushotel in malerischer Lage mit Privatstrandwww.mandarinoriental.com