Start Featureshome „Es tut sich was. Weil wir ständig was tun!“

„Es tut sich was. Weil wir ständig was tun!“

Oliver Mally Foto: Rudi Ferder

Oliver Mally feiert sein 40-jähriges Bühnenjubiläum. Wir sprachen mit ihm und seinem befreundeten Bandkollegen Peter Lenz über seine Musik, den eigenen Stil und aktuelle Projekte.

Interview: Stefan Zavernik

Wie fühlt es sich an, nach 40 Jahren noch immer auf der Bühne zu stehen und Musik zu machen?

Oliver Mally: Schon sehr gut. Vor allem wenn es einem über einen so langen Zeitraum gelingt, mit so viel Freude dranzubleiben. Und in dem Fall ist es unerheblich, ob du Bäckerin oder Bäcker, Schneiderin oder Schneider oder was anderes bist. Jeder ist bedeutend, wenn er in seine Arbeit Liebe einfließen lässt.

Du lebst in Leibnitz. Peter in Graz. Wie sehr kommen euch diese Standorte für euer Musikschaffen entgegen? War es in euren Karrieren einmal ein Thema, in eine große Stadt zu ziehen oder ins Ausland, um mehr Möglichkeiten zu finden?

Oliver: Mir hat das Herumreisen diesbezüglich immer genügt. Ich kann mir durchaus vorstellen, woanders zu bleiben. Nur eben nicht für lange. Ich fahr gerne von zu Hause weg, komm aber auch gleich gerne wieder heim. Und das mit den Möglichkeiten stimmt natürlich. Aber auch das mit den Möglichkeiten, abgelenkt zu werden. Das ist wiederum davon abhängig, wie du als Typ Mensch funktionierst. Für mich ist es eher ein zweischneidiges Schwert. Dort, wo ich lebe, kann ich sehr gut fokussieren. Und wenn ich mehr „Stadt“ brauche, hol ich mir das ganz einfach.

Peter: Ich war ja einige Jahre im Ausland, zuerst Rotterdam und dann New York und wäre auch noch gerne länger geblieben, was aber wegen verschiedener Umstände nicht möglich war. Vor allem New York vermisse ich schon hin und wieder. Graz ist aber eine tolle Stadt, die für ihre eher bescheidene Größe extrem viel zu bieten hat und vor allem ein reges Kulturleben hat. Ich habe zum Glück noch viele Freunde in New York. Ich mach das dann auch so wie Oliver: Wenn ich mehr Stadt oder Musik brauche, fliege ich für 2 Wochen hin, spiele ein paar Konzerte und nehm vielleicht was auf. Dann ist mein Bedarf wieder gefüllt.

Würdest du heute etwas anders machen, wenn du deine Karriere neu beginnen würdest?

Oliver: Da es mir gerade sehr gefällt, wo ich gerade bin, und ich an den Butterfly-Effekt glaube – nein!

Peter: Ebenso: Nein. Ich denke, wenn man sich zu sehr mit dem Gedanken beschäftigt, was man früher hätte anders machen können, dann untergräbt das die Zufriedenheit im Jetzt. Ich bin lieber jetzt zufrieden.

In den letzten Jahren bist du innerhalb der Band mit Peter Lenz auf der Bühne. Was macht eure Partnerschaft aus?

Oliver: Ich denke, wir sind beide sehr offene Geister. Nicht nur, was Musik anbelangt. Wobei ich mehr Angespanntheit mitbringe. Aber wir gehen musikalisch gerne weit raus. Dorthin, wo das Eis dünn wird. Und mit Peter gehe ich gleich gerne privat zum Essen, wie ich mit ihm gerne auf die Bühne gehe. Und er ist mir menschlich nahe. Ohne das groß ausführen zu wollen. Ist einfach so. I am lucky …

Peter: Oliver und ich kommen aus verschiedenen musikalischen Welten, und wir sind beide offen für genau das, was wir nicht kennen. Das ist eine unglaublich spannende Kombination, die die Musik immer frisch hält, ohne aufgezwungen nach etwas Neuem suchen zu müssen. Noch wichtiger ist aber, dass wir uns gut verstehen, auch abseits der Bühne. Dadurch macht das gemeinsame Musizieren umso mehr Spaß, und ich denke, das hört man auch.

Wie sehr muss man sich eurer Meinung nach als Musiker um Weiterentwicklung bemühen. Steht einem der eigene Stil dabei im Weg?

Oliver: Weiterentwicklung ist unbedingt notwendig. Für die Musik und für einen selbst. Das ist man sich selbst auch schuldig. Und ein bisschen auch dem Publikum. Das inkludiert allerdings das Risiko, Fans zu verlieren. Auf der anderen Seite gewinnt man gerade dadurch neue dazu. Der eigene Stil steht nur dann im Weg, wenn man diesen für die einzige musikalische Wahrheit hält. Und die gibt’s ja nicht. Solange es organisch ist, funktioniert Musik auch.

Peter Lenz
Foto: Violeta Lenz

Peter: Weiterentwicklung ist eines der Grundprinzipien in der Musik, ansonsten wird es sehr schnell langweilig. Für die Musiker und das Publikum. Niemand hört sich ein neues Album an, wenn es genau gleich klingt wie das letzte. Der Krux dabei ist, dass es sich nicht erzwingen lässt. Die eigene Musik ist immer ein Resultat der musikalischen Einflüsse, die jeder mitbringt. Wenn man diese gedeihen lässt, dann kommt am Ende, wenn man Glück hat, etwas raus, das es vorher noch nicht gegeben hat.

Im Schnitt trittst du über 100 Mal im Jahr live auf. Und produzierst regelmäßig Alben. Wie aufwendig ist eine Tourplanung in diesen Zeiten, hast du dafür eine Agentur? Und wie umfassend ist es mittlerweile, eine Band am Leben zu halten?

Oliver: Nein, hab ich nicht. Ich bin eine Agentur … haha! Das ist beinharte, konsequente Knochenarbeit, willst du auf der Straße bleiben. Und mit Band ist es umso kniffliger geworden, weil die damit verbundene Größe sich kaum finanziell über Wasser halten lässt. Obwohl wir heuer echt sehr gut dabei sind. Es tut sich was. Weil wir ständig was tun.

Peter, du hast ein sehr üppiges Album rausgebracht. Und bist damit auf Tour gegangen. Wie umfangreich war da der Aufwand?

Peter: Das Album heißt Breathe – Music for Large Ensembles und darauf sind Kompositionen von mir für drei verschieden große Besetzungen mit bis zu 22 Musiker*innen zu hören. Bei dieser Größe ist natürlich der Aufwand enorm in jeder Hinsicht. Vom Komponieren über die Organisation bis hin zur Aufnahme und Tour. Aufgenommen haben wir in New York mit Freunden und Weggefährten, und viele von ihnen waren dann im letzten November auch dabei, als wir das Album mit einer kleinen Tournee in Österreich präsentiert haben. Alles in allem habe ich zwei Jahre an diesem Projekt gearbeitet. Das macht man natürlich nur aus ideologischen Gründen, rational gesehen macht das nur wenig Sinn. Aber ich hatte das Gefühl, ich MUSS es machen, und ich könnte nicht glücklicher mit diesem Album sein!

Oliver, seit vielen Jahren veranstaltest du mit den Bluestagen Festivals in Leibnitz und Graz. Was bedeutet dieses Engagement für dich?

Oliver: Schön, dass es das Vertrauen in mich gibt, das zu organisieren. Auf der anderen Seite natürlich immens viel Arbeit. Graz ist jetzt achtmal passiert. Und zum Festival in Leibnitz, das seit 1996 passiert, möchte ich mich zum jetzigen Zeitpunkt nicht äußern. Ich sag nur: Da muss sich was ändern! Auch bezüglich der Wahrnehmung die Wertigkeit des Ausmaßes an Kulturarbeit betreffend. Denn so ein handgemachtes Festival ohne großen finanziellen Background steht und fällt mit ganz wenigen Menschen, die zum Teil unentgeltlich ganz viel Arbeit leisten.

Vor Kurzem ist mit „Shake Up The World“ ein neues Live-Album von eurer gemeinsamen Band erschienen. Ihr seid darauf mit vielen befreundeten Musikern zu hören. Nach welchen Kriterien habt ihr die Gäste für dieses Album ausgewählt?

Peter: Das Album ist ein wunderbarer Mix unserer Live-Konzerte, die wir ja auch immer wieder mit unterschiedlichen Gästen spielen. Oliver hat in seiner langen Karriere mit so vielen großartigen Musikern gespielt, dass es leicht ist, Gäste zu finden, die auf unserer Wellenlänge schwimmen und mit denen es großen Spaß macht zu musizieren. Das ist das Wichtigste – das hört man nämlich als Erstes!

Oliver: Da die Band sehr offen funktioniert, haben wir viel ausprobiert. Und einiges hat wirklich sehr gut funktioniert. Wir haben ein paar Mitschnitte durchforscht und dieses kunterbunte Album zusammengestellt. Mit Gästen, die nicht nur zu den Größten ihres Fachs gehören, sondern die ein Gefühl für den Puls eines Songs und für die „Vibes“ der Formation haben. Ein stilistisches Mischmasch! Aber so tickt die Band, so ticke ich. Und so werden wir das auch weiterhin halten. Alles darf – nix muss.