Internationale Kontakte sind wichtig, aber jetzt ist die Steiermark im Fokus der Steirischen Kulturinitiative. Denn gerade in der Pandemie brauchen heimische Künstlerinnen und Künstler Halt.
Für die nachhaltige Förderung regionaler Kunst gibt es zwei Beispiele: Fred Sinowatz, der Kulturminister in den 1970er Jahren der Kreisky-Ära (und spätere Bundeskanzler) begründete seine Kunstförderungsideen so: „Kulturpolitik ist die Fortsetzung der Sozialpolitik mit anderen Mitteln.“ Auch US-Präsident Roosevelt versorgte Künstlerinnen und Künstler schon in Zeiten des New Deal der 1930er Jahre mit Staatsaufträgen. Das stärkte nicht nur den Glanz der US-Kunstgeschichte. In der Steiermark brauchte man für diese Erinnerung nicht die Süddeutsche Zeitung, sondern den Rückblick auf eine jahrelange Serie an Fotoausstellungen des Berliner Galeristen Reinhard Schultz im Orpheum, TaO oder Ortweinschule.
Klar ist: Konzepte sind immer so gut, wie sie sich in der übermächtigen Wirklichkeit bewähren können. Und die muss derzeit der personalen, körperlichen ausweichen. Monitore wurden noch mehr zum Auge in die Welt. In Zeiten wie diesen mehr Geld für Sondierungsreisen, steigende Versicherungsprämien und dergleichen zu budgetieren, kann nicht sein. Vielmehr sind Standfestigkeit einerseits und Fantasie andererseits gefragt und hier auch zu finden. Das wird sich auf die Vorhaben der Steirischen Kulturinitiative (KI) dieses und wohl auch nächsten Jahres auswirken.
Verstärkt heimische Zugänge
Einschneidend von den Restriktionen in Zusammenhang mit Covid-19 beeinflusst wird etwa das Projekt „Nonkonformistische Kunst“. Trotz guter Kommunikation mit dem Museum für nonkonformistische Kunst in St. Petersburg als Partner, von dem aus auch Kontakte zu ähnlichen Einrichtungen gelangen. Das hat Einsichten in dieses Thema erheblich verbreitert – und damit auch die Möglichkeiten. Die mit der Pandemie eingetretenen Änderungen der Rahmenbedingungen machen die Absicht, russische Werke in der Steiermark auszustellen, zunichte! Denn für Russland (!) ist nicht absehbar, wann wieder solide Reise- und Aufenthaltsmöglichkeiten entstehen, die für die Auswahl der hier zu zeigenden Werke schlussendlich unerlässlich wären. Dadurch wird gleichzeitig der Weg frei für Sarah Bildstein, Bernhard Wolf, Bernhard Eisendle, Felix Hafner, Evamaria Schaller oder Omar Khir Alanam. Sie wurden auf je unterschiedliche Aspekte nonkonformistischer Kunst aufmerksam und werden daran weiterarbeiten. Das Projekt wird deshalb zwar in der Breite eingeengt, gewinnt jedoch mit der stärkeren Einbeziehung steirischer und österreichischer Aspekte und künstlerischer Positionen an Tiefe. Das ist sicher auch im Interesse des steirischen Kulturressorts.
Virtueller Raum und Grazer Boden
Unter den Projektvorhaben 2020 wird auch ein kleines Festival aktuellen Tanzes vorbereitet, das wahrscheinlich eher digital als real präsentiert wird. Die Steirische Kulturinitiative geht von einer Serie personell und inhaltlich verschiedener Butoh-Produktionen der letzten 25 Jahre aus. Der performative Charakter steht auch dabei im Vordergrund. Bisher sind dazu vier Künstler aus Finnland, Frankreich und der Schweiz eingeladen. Im Falle virtueller Realisierung ist an eine DVD mit Booklet gedacht. In der Stadt Graz aufgehoben ist hingegen das Projekt „Styrian Power“ von Erwin Posarnig: Arbeiten von ca. 30 steirischen Künstlern werden hoffentlich bald ausgestellt und dann für einige Zeit in einer „Urne“ begraben. In ihr wird quasi eine Momentaufnahme des hiesigen Kunstgeschehens (wahrscheinlich zum ersten Mal in Graz) konserviert. Und zwar so, dass von ihr und damit von den künstlerischen Arbeiten einige Zeit nichts zu sehen ist. Thematisiert wird damit auch die Unmöglichkeit (?), aktuelles und gerade nicht mehr aktuelles Kunstschaffen in Erinnerung zu bewahren. Denn eines muss in Zeiten wie diesen auf jeden Fall verhindert werden: „Kultur am Abstellgleis“, wie Der Standard aktuell mutmaßt. Und weil die Steiermark nie im Zentrum der Bundeskultur stand, wissen hier einige sich selbst zu helfen. So war die primäre Zielrichtung der KI immer, den Künstlern neue Perspektiven und bessere Arbeitsmöglichkeiten zu schaffen. Künstler leiden, nicht nur an der aktuellen Situation, sondern auch an den Folgen ihrer prekären bisherigen Erwerbssituation. Aber sie reden (zu) selten darüber.
Einen Blick auf die bizarren Butoh-Produktionen der KI in den letzten 25 Jahren bietet auch die 2017 erschienene DVD mit ausführlichem Booklet „Butoh – Bewegte Körper, Metamorphosen der Seele“ und unterstreicht damit die internationale Bedeutung dieses von
Japan ausgehenden Körpertheaters.
ISBN 978-3-200-05153-9